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"Ein halbes Jahr, dann sind die so weit"

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Warum Geldfälscher Jürgen Kuhl nicht viel von den neuen Sicherheitsmerkmalen hält

Der Kölner Grafiker Jürgen Kuhl, 71, hat 2006 über 16 Millionen US-Dollar gefälscht. Als er das Geld verkaufen wollte, schnappte ihn das Bundeskriminalamt. Vier Jahre saß er im Gefängnis, jetzt ist er draußen und malt wieder. Gerade kommt er aus Gran Canaria, er musste mal raus, 'bisschen Sönnchen tanken', wie er sagt.

SZ: Herr Kuhl, seit Jahren tüfteln Experten an neuen Banknoten, jetzt bringen die Zentralbanken den veränderten 5-Euro-Schein in Umlauf. Wird unser Geld damit fälschungssicher?

Jürgen Kuhl: Nee, die Jungs werden sich jetzt erst mal anschauen, wie das Original aussieht und sich ein paar Gedanken machen. Ein halbes Jahr, dann sind die so weit und machen den auch.

Trotz der neuen Sicherheitsmerkmale?

Das ist meistens nur eine Frage der Investition. Mit dem richtigen Papier, den richtigen Farben und Maschinen wäre das verhältnismäßig einfach. Die Bulgaren drucken schon auf Originalmaschinen. Heute ist das ja alles auch nicht mehr so teuer. Mein erster Scanner hat 10 000 Mark gekostet. Mit dem habe ich auch meinen ersten Dollar ausprobiert. Den fand ich beschissen.

Haben Sie deshalb weitergemacht?

Ach, der Ehrgeiz, der war schon mein Verhängnis.

Ist der US-Dollar eigentlich leichter zu fälschen als der Euro?

Nee, das ist schwieriger, weil der Dollar vorne und hinten einen Stahlstich hat und darüber noch mal geprägt ist. Beim Euro machen viele die Rückseite mit einem billigen Offset-Druck. Das habe ich mal im Fernsehen gesehen, so eine Bande in Italien, die hatten so einen kleinen Drucker im Büro, der hat gerade mal vier Scheine auf einmal geschafft.



Wie fälschungssicher ist der Euro?

So eine Fälschung sollte aber leicht zu erkennen sein.

Die Leute schauen nicht richtig hin. Hat doch gerade erst einer im Laden mit einem 30-Euro-Schein bezahlt.

Die Europäische Zentralbank empfiehlt das Prinzip 'Fühlen, Sehen, Kippen', um die Echtheit eines Geldscheins zu prüfen. Bei der großen '5' auf der Vorderseite soll man spüren, dass sie dicker aufgebracht ist als der Rest der Symbole.

In Belgien habe ich mal gesehen, wie die Kassiererinnen mit dem Fingernagel so über die Blindenschrift auf den Scheinen kratzen. Wird auch nicht helfen, da gibt es heute ja fühlbare UV-Lacke, wenn man die druckt, werden die in einer hunderttausendstel Sekunde knüppeltrocken. Die Jungs werden die sechs, acht, zehn Mal hintereinander drucken, da guckt kein Mensch drauf, das fühlt keiner.

Und das 'Sehen'? Das Wasserzeichen darf nur richtig zu erkennen sein, wenn man den Schein gegen das Licht hält. Das ist doch sicher schwer zu fälschen?

Bei den Dollars ging das, da habe ich das Wasserzeichen mit Siebdruck in Originalfarbe auf den Originalpapierton gedruckt und bin dann mit Offsetdruck noch mal komplett drüber. Trotzdem hat der Albaner immer gesagt: 'Das musst du noch verändern.'

Der Albaner?

Naja, so ein Kumpel, der immer an mich hingeredet hat: 'Mach" das doch mal, die Albaner warten auf Dollar.' War ich halt irgendwann so weit. Dabei war das Quatsch, mein Wasserzeichen war total okay, das Papier war nicht okay. Ich hätte das Papier selber schöpfen und den Silberstreifen reinlegen müssen, dann wären die Dollar richtig gut geworden.

Wollen Sie etwa noch mal ins Geschäft einsteigen?

Natürlich nicht, ich mach wieder meine Kunst, die Köln-Collagen laufen okay, die Kölschen sind einfach so bekloppt auf ihren Dom und so, das hängen die sich gern an die Wand. Und ich mache neue Auto-Drucke, ein Meter auf ein Meter fünfzig auf Edelstahl, da gehe ich in die Autohäuser und auf Messen, um Oldtimer-Fans als Käufer zu finden. Da gibt es übrigens auch schon so Lacke mit Kippeffekt.

Was für ein Kippeffekt?

Na das soll doch auch auf dem neuen Schein sein, habe ich mir extra angeschaut. Dass die kleine '5' ihre Farbe wechselt.

. . . von 'Smaragdgrün in tiefes Blau', sagt die EZB . . .

Genau, in den USA kann man so Lacke kriegen, da kippt die Farbe auf dem Auto von Blau zu Lila, je nachdem, wie man drauf schaut. Sieht kitschig aus, aber die Amis mögen das.

Gibt es überhaupt ein Sicherheitsmerkmal auf dem neuen 5-Euro-Schein, das seinen Zweck erfüllt?

Das Hologramm ist sehr wahrscheinlich das einzig Vernünftige, da werden die Griechen auch gleich Gefallen dran finden.

Die Griechen?

Ja, ist doch jetzt so ein griechischer Kopf drauf . . .

. . . Europa, die in der griechischen Mythologie der Göttervater Zeus in Stiergestalt entführte . . .

Ein perfektes Hologramm kriegt jedenfalls noch keiner hin. Hätten die das größer gemacht, vielleicht so auf ein Drittel des Scheins, mit irgendeinem großen Europäer drauf, dann hätten die Jungs richtig Probleme, das zu fälschen.

Interview: Sophie Crocoll

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