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Vorsicht Kamera

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Der Bundesgerichtshof urteilt über Videoüberwachung in Eingangsbereichen von Eigentumswohnungen. Was ist erlaubt?

Karlsruhe - In der großen Politik wird derzeit heftig diskutiert, was die Bundesregierung von Überwachungsprogrammen wie 'Prism' oder 'Tempora' wusste. Da trifft es sich, dass der Bundesgerichtshof (BGH) gerade ein Urteil zur Videoüberwachung in Wohnanlagen veröffentlicht hat, 'Prism' in der Nussschale, wenn man so will. Es ist eine hübsche Fallstudie zur Eigendynamik der Überwachung. Am Anfang dient das wachende Auge der Kamera dem Selbstschutz - am Ende wächst der Datenhunger ins Unverhältnismäßige. Wie es der Volksmund immer schon wusste: Der Appetit kommt beim Essen.

Jedenfalls hatte eine Eigentümergemeinschaft aus Berlin-Schöneberg beschlossen, auf den Farbbeutelanschlag im frisch renovierten Eingangsbereich mit moderner Präventionstechnik zu reagieren. Die Mehrheit der Eigentümer beschloss im März 2008 die Installation einer Videoanlage. Es sollte eine vorübergehende Lösung sein, darüber war man sich einig, aber eben auch eine wirksame: Die Kamera sollte alle Bewegungen nahe des Eingangs aufzeichnen. Bei einem 'Vorgang mit Schadensfolge oder mit kriminellen Handlungen' sollte ein zertifiziertes Unternehmen die Daten auslesen dürfen. Der erste Erfolg ließ gut zwei Jahre auf sich warten, dann gelang die Aufklärung eines Fahrraddiebstahls. Immerhin. Da hatte sich indes eine an der Wohnungsanlage beteiligte Vermietungsgesellschaft bereits entschieden, dass es nun genug sei mit der Überwachung: Sie klagte auf Abbau der Anlage.



Big Brother vor der Haustür. Das BGH hat jetzt über die Videoüberwachung von Eigentumswohungen entschieden.

Prinzipiell lässt der BGH den Einsatz von Videokameras zum Schutz des Grundstücks zu - aber nur, wenn sich das Objektiv allein aufs eigene Areal richtet. Entschieden wurde das schon 1995: Ein verärgerter Hauseigentümer hatte seine Kamera auf den öffentlichen Zugangsweg eingestellt, weil ihm ständig jemand Unrat über den Zaun warf. Der BGH untersagte die Überwachung, weil er damit zugleich ein exaktes Profil hätte erstellen können, wann sein Nachbar kam und ging - und mit wem.

In dem nun entschiedenen Fall war die Sache komplizierter, weil jeder Wohnungseigentümer - ob er nun für oder gegen die Anlage gestimmt hat - von der Kamera aufgezeichnet wurde. Bei Mietshäusern scheidet eine Videoüberwachung deshalb im Normalfall aus. Anders bei Eigentumswohnungen. Hier müsse zwischen dem Schutz der Privatsphäre und den Interessen der Eigentümergemeinschaft abgewogen werden, heißt es in dem an diesem Dienstag veröffentlichten Urteil. Und eine Farbattacke auf die Außenanlage kann schwerwiegend genug sein, um eine Überwachung zu rechtfertigen. (Az: V ZR 220/12)

Trotzdem muss die hilfreiche Kamera stillgelegt werden. Warum? Der BGH besann sich aufs kleine Einmaleins des Datenschutzes. Danach muss die Überwachung auf das Notwendige beschränkt bleiben und einem fest umrissenen Zweck dienen. Daran hatte der BGH bei der Lektüre eines Protokolls vom Mai 2010 doch Zweifel bekommen. Die Eigentümer hatten nämlich entdeckt, dass man noch ganz andere Dinge kontrollieren könnte, zum Beispiel, ob in einzelnen Wohnungen Prostitution ausgeübt werde; man wähnte einen 'bordellartigen Betrieb' unter dem eigenen Dach. Der Schlüsselsatz des fünften Zivilsenats: Schutzwürdige Interessen an der Wahrung der Privatsphäre seien 'tatsächlich durch eine schleichende Erweiterung der Überwachungszwecke gefährdet'. Vielleicht ist die Psyche der NSA ja gar nicht so verschieden von der einer Eigentümergemeinschaft aus Schöneberg.

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