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Unter Brüdern

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Serienautors Howard Gordon, verantwortlich für "24" und zuletzt für "Homeland", hat einen Roman geschrieben. Einen Thriller, natürlich.


Am 6. November 2001, knapp zwei Monate nachdem die Türme des World Trade Centers durchbohrt wurden, lief in den USA eine Fernsehserie an, die auf fast unheimliche Weise in ihre Zeit passte. In '24' spielte Kiefer Sutherland den Bundesagenten Jack Bauer, der in acht Staffeln den Terrorismus bekämpfte; immer unter dem Druck, dass nur 24 Stunden blieben, die Katastrophe zu verhindern, die bedrohte Nation vor dem Untergang zu retten.

Aus dem Werk des Serienautors Howard Gordon, der für '24' jahrelang als Showrunner verantwortlich war, kann man viel ablesen darüber, mit welchen Bedrohungsszenarien sich das amerikanische Publikum in den vergangenen zwanzig Jahren unterhalten ließ. Howard Gordon hat an 'Akte X' mitgeschrieben, in den Neunzigern war das, es ging um Außerirdische und die Versuche der US-Regierung, deren Existenz vor den Bürgern geheim zu halten. Nach '24', der jahrelangen Terroristenjagd auf NBC, schrieb Howard Gordon 'Homeland', mit der Serie gewinnt der Sender Showtime gerade Preise und Zuschauer: Hier geht die Gefahr von einem US-Marine aus, der von dem Großterroristen Abu Nasir umgedreht worden sein soll. Die Bedrohung kommt plötzlich aus der Mitte der verunsicherten Nation. Sie ist im Laufe der Jahre näher gekommen.



Marine Brody und seine Jägerin.

Jetzt hat Howard Gordon einen Roman geschrieben. Einen Thriller, natürlich, und seine bekannten Bauprinzipien lassen sich unschwer auch in 'Peacemaker' erkennen. Gideon Davis, der im Auftrag der Vereinigten Staaten Friedensverhandlungen in der ganzen Welt leitet, soll seinen Bruder Tillman aus dem Sultanat Mohan holen, wo der US-Soldat zum Terroristen wurde. Tillman gefährdet das politische Gleichgewicht - und das gute Verhältnis der US-Regierung zum strategisch wichtigen Sultan. Doch Tillman will nur aufgeben, wenn Gideon (der den Kontakt zu seinem Bruder vor Jahren abgebrochen hatte), nach Mohan reist, um ihn sicher aus dem Land herauszubringen. Später wird eine Bohrinsel gekapert, Bomben werden platziert, und ein Tornado zieht auf - und wieder einmal bleiben nur wenige Stunden, um unzähligen Menschen das Leben zu retten.

Gideon Davis ist eine typische Howard-Gordon-Figur, die immer über alle Grenzen gehen muss, um für das Gute zu kämpfen. Jack Bauer aus '24' folterte acht Staffeln lang jeden, der ihm eine Information vorenthielt, und lieferte einen so klaren Beitrag zur Folterdebatte in den USA, dass die Serie zunehmend in die Kritik geriet. Carrie Mathison, die manisch-depressive CIA-Agentin aus 'Homeland', lässt sich (zunächst) aus rein beruflichen Gründen sogar auf eine Affäre mit ihrem Terrorverdächtigen ein. Das Mittel zum Zweck, es muss immer zweitrangig sein.

Auch für Gideon Davis, den Friedensunterhändler, hat sich Howard Gordon eine Grenze ausgedacht: Davis ist gegen Waffengewalt; dass er seit seiner Jugend nicht mehr geschossen hat, löste ein familiäres Drama bei ihm aus. Sein Bruder Tillman, der Terrorist, ist den anderen Weg gegangen. Es wird natürlich der gute Gideon sein, der seine Grenzen überschreiten muss, um seinen Bruder zu stoppen. Als Terrorist übrigens trägt Tillman einen anderen Namen. Er heißt Abu Nasir.

Howard Gordon: Peacemaker. Aus dem Englischen von Thomas Bauer. Goldmann Verlag, München 2013. 384 Seiten, 9,99 Euro.

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