Abu Dhabi baut sich eine Museumsinsel - das soll nicht nur Touristen bringen, sondern dem Emirat vor allem eine moderne kulturelle Idenität verschaffen.
Dass es den Eiffelturm außer in Paris mittlerweile auch in Las Vegas und im chinesischen Hangzhou gibt, gehört zu den kuriosen Nebenaspekten der Globalisierung, an die man sich lange gewöhnt hat. Aber der Louvre hier, auf Saadiyat Island? 'Glück' verspricht der Name der Insel, doch zu sehen ist vor allem grauer Staub, durchzogen von einer Hochspannungsleitung und dem Kanal, der die öde Ebene von Abu Dhabi trennt.
Das soll nicht so bleiben. In Schulbussen werden jeden Morgen die Arbeiter aus Pakistan und Bangladesh zu den Baustellen gekarrt. Am Strand haben sie schon eine pastellfarbene Ferienkolonie gebaut, die erste von vielen. Auf der anderen Seite, dort wo das Staubgrau in das Smoggrau des Himmels übergeht, entsteht gerade der Campus der New York University. 2017 wird der nächste Neuzugang erwartet: der Louvre. Ein paar Betonstützen ragen schon aus dem Boden. Sie werden die riesige, flache Kuppel des von Jean Nouvel entworfenen Baus tragen. Der Louvre wird Teil des geplanten 'cultural district', eines ganzen Archipels von Kulturpalästen weltberühmter Architekten, zu dem das Sheikh-Zayed-Nationalmuseum (Norman Foster), das Maritim-Museum (Tadao Ando) ein Performing Arts Center (Zaha Hadid) und eine Filiale des Guggenheim (Frank Gehry) gehören wird.
Ursprünglich sollte die Kulturstadt 2014 fertig sein. Doch die Finanzkrise dämpfte die Baufreude. Nach jahrelangem Stillstand, nach Protesten gegen die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen, wurde die Arbeit Anfang des Jahres wieder aufgenommen.
Louvre, Nationalmuseum und natürlich auch ein Guggenheim Museum, wie das abgebildete in Bilbao: Das alles soll auf der neuen Kulturinsel in Abu Dhabi stehen.
Die Ausstellung 'Birth of a Museum', die kürzlich in dem gleich neben der Baustelle gelegenen Pavillon Manarat-al-Saadiyat gezeigt wurde, der als Showroom für all die Projekte dient, hatte also vor allem einen Zweck: zu beweisen, dass das Museum tatsächlich Gestalt annimmt. Nebenbei erlaubte sie aber einen ersten Eindruck davon, welche Gestalt das sein würde. Welche Geschichte von Kunst will der Louvre den Emiratis erzählen? Und wie können die Museen zu eigenständigen Häusern werden, Oasen der Aufklärung, wie sollen sie 'Frieden in die Region bringen', wie die Louvre-Entsandte Celine Hullo-Pouyat es formulierte, wo ihre Existenz doch auf harten Franchise-Deals beruht: 400 Millionen Euro zahlten die Emirates dafür, die Marke Louvre benützen zu dürfen; 190 Millionen dafür, sich zehn Jahre lang Kunst aus Paris leihen zu dürfen; 195 Millionen für vier aus Paris importierte Ausstellungen.
Die Museen sind Teil der von Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan und Kronprinz Muhammad entwickelten 'Vision Abu Dhabi 2030', mit der das Emirat nach neuen Standbeinen für die Zeit nach dem Öl sucht. In den letzten Jahren wurde eine Formel-1-Strecke, die 'Ferrari World' und die 'Waterworld' aus dem Boden gestampft, aber auch die Null-Energie-Stadt Masdar. Nun folgen die NYU und bald, neben Golfplätzen, Marina und neun Fünf-Sterne-Resorts eben jenes Museumsviertel. Sie alle liegen in direkter Nachbarschaft zueinander und werden von der 'Tourism and Culture Authority' verwaltet. Noch spricht nichts für die Emirate als Urlaubsregion. Doch mit genug Geld lässt sich das ändern. 'Der Scheich will die Wüste grün machen', so die Pressefrau des Louvre.
Louvre und Guggenheim sollten anfangs nicht mehr sein als noble Highlights dieses Touristenspielplatzes. Doch dieses schlichte Idee ist immer mehr in den Hintergrund getreten. Für wen die Museum nun eigentlich gemacht werden scheinen die Kuratoren selbst nicht genau zu wissen: 'Wir testen noch.' Sie lassen anklingen, dass sie weniger an westliche Pauschaltouristen, als an Besucher aus der Region denken, Besucher, die sie sich erst noch heranziehen müssen.
Mit dem ausdrücklichen Segen des Herrschers. 'In einer Gesellschaft, in der alles von der Herrscherfamilie kontrolliert wird, wird auch die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur von oben verordnet', meint Michael Schindhelm, der in Dubai ein Opernhaus bauen sollte, bis er 2008 aufgab. Er vergleicht das mit seiner Heimatstadt Meiningen, wo der Herzog Mitte des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung per Dekret zwang, ins Theater zu gehen.
Damit hat das Projekt eine Aufwertung erlebt, die der des neuen Museums M+ in Hongkong (SZ vom Wochenende) nicht unähnlich ist. Mit den 40 Millionen Euro, die Abu Dhabi seit 2009 jährlich für den Aufbau der Sammlung des Louvre ausgibt, kauft sich das staubige Emirat nicht Tourismus, sondern Geschichte, kulturelle Identität, Modernität alles Dinge, an denen es hier gefehlt hat. Argumentativ eingerahmt ist die Ausstellung vom vagen Bemühen, die Emirate zur bedeutenden Kulturregion zu erklären. Man sei nicht weit von der Seidenstraße entfernt, Ausgrabungen belegten Kontakte bis nach Mesopotamien und ins Hindustal, wichtige Zivilisationen hätten auf der arabischen Halbinsel Spuren hinterlassen.
Doch weil man mit dem Hinweis auf das Lokale nicht allzu weit kommt, schwenkt der Fokus aufs Universale: Das Konzept springt einem schon im ersten Saal überdeutlich in die Augen: Yves Kleins 1960 entstandene 'Anthropometrie (ANT 110)' steht dort der 4000 Jahre alten 'Baktischen Prinzessin' gegenüber und einer Terrakotta-Figur aus Zypern. Gesucht wird nach Motiven, die sich durch die gesamte Geschichte künstlerischen Ausdrucks ziehen, nach Topoi und Formen, die in unterschiedlichsten Kulturen anzutreffen sind. Der Faltenwurf des marmornen römischen Redners ähnelt tatsächlich dem der Bodhisattva aus Pakistan.
Hissa al Dhaheri, die junge Projektleiterin - schwarzer Hidschab, goldene Rolex - fasst es zusammen: 'Alle großen enzyklopädischen Museen haben diesen universellen Anspruch. Wir wollen ihn wirklich erfüllen und zeigen wie sich die Zivilisationen gegenseitig beeinflusst haben, wo die Ähnlichkeiten liegen. Wir sind alle Menschen!' Deshalb liegt in einer Vitrine auch eine wertvolle syrische Koranausgabe und eine Tora aus Jemen nebeneinander. 'Eine Bibel wollen wir auch noch kaufen.'
Ist es für Moslems nicht problematisch, die heiligen Schriften der drei Religionen hier nebeneinander ausgestellt zu sehen? 'Überhaupt nicht', versichert sie lächelnd und paraphrasiert, so sagt sie, einen Satz aus dem Koran: 'Ihr seid unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, damit ihr euch gegenseitig kennenlernt.'
Anfangs mag der Versuch, östliche und westliche Kunst zu verflechten, pragmatische Gründe gehabt haben. Je allgemeiner die Ausstellungen, desto kompatibler sind sie mit dem heterogenen Publikum. Mittlerweile jedoch dient der aus der Not der kulturellen Wüste geborene Universalismusanspruch auch dazu, das Land in ein liberaleres Licht zu rücken. Hissa al Dhaheri schwärmt vom multikulturellen Leben hier, von den 200 Nationalitäten - ohne aber darauf hinzuweisen, dass die Ausländer entweder in Knochenjobs auf Baustellen wie die des Louvre arbeiten oder als verwöhnte Expats mit Auslandszulage und Personal.
Sie rühmt die Offenheit und Anpassungsfähigkeit, die schon immer Bestandteil der emiratischen Identität gewesen sei - eine rührende Behauptung angesichts einer Monarchie, die keine Wahlen, keine Kritik am Herrscher, keine Meinungsfreiheit erlaubt, in der Drogenkonsum und Homosexualität scharf geahndet werden.
Louvre und Guggenheim werden es jedenfalls nicht leicht haben, westliche Kunst zu zeigen, ohne dabei laufend anzuecken. Der Pop-Art-Künstler James Rosenquist plauderte in der 'Talking Arts Series', zu der man regelmäßig bekannte Künstler einlädt, zwar von den wilden Sechzigern in New York, doch was er erzählte von Schwulen, Drogen, Alkohol, wurde vom Publikum mit beredtem Schweigen aufgenommen. Beim anschließenden Empfang musste auch er Apfelsaft trinken. 'Wir müssen unser Publikum respektieren', meint die Guggenheim-Kuratorin Valerie Hillings. 'Es ist unglaublich wichtig, die Besucher nicht um der Provokation willen zu provozieren.'
Die Front verläuft hier nicht zwischen Museum und Künstlern auf der einen und Obrigkeit auf der anderen Seite, eher zwischen Institution und Publikum. Gefragt, ob die Regierung die Ausstellungen jeweils vor der Eröffnung absegnen werde, antwortet Faisal al Dhaheri, der Pressemann der Tourismusbehörde, denn auch trocken: 'Wir sind die Regierung'.
Diese Sorgen erlauben dem westlichen Besucher ein wohliges Gefühl der Überlegenheit. Das allerdings täuscht darüber hinweg, dass hier in der Wüste auch unsere eigene Beschränktheit vorgeführt und für überholt erklärt wird. Der kürzlich abgelöste Louvre-Direktor Henri Loyrette sprach das unmissverständlich an, als er über das Haupthaus sagte: 'In Wahrheit ist unser Museum kein wirklich universelles, enzyklopädisches Museum.' Hillings spricht von 'Fehlern der Vergangenheit', die man hier überwinden könne. Es gehe nicht nur um die Herausforderung, als westliche Institution ein nicht mehr westlich dominiertes Museum zu gründen, sondern darum, 'die Kunstgeschichte neu zu schreiben' .
Das wiederum wird früher oder später auf die Museen im Westen zurückstrahlen. Ob sich der 'globalistische Anspruch' einer Weltkunst der Ähnlichkeiten 'bewährt oder als Quatsch erweist', werde die Zukunft zeigen, so Schindhelm. Doch den Versuch, die westliche Deutungshoheit über die Kultur zu überwinden, hält er für durchaus ernsthaft. 'Diese Institutionen wissen, dass sie so wie bisher nicht weitermachen können.'
Dass es den Eiffelturm außer in Paris mittlerweile auch in Las Vegas und im chinesischen Hangzhou gibt, gehört zu den kuriosen Nebenaspekten der Globalisierung, an die man sich lange gewöhnt hat. Aber der Louvre hier, auf Saadiyat Island? 'Glück' verspricht der Name der Insel, doch zu sehen ist vor allem grauer Staub, durchzogen von einer Hochspannungsleitung und dem Kanal, der die öde Ebene von Abu Dhabi trennt.
Das soll nicht so bleiben. In Schulbussen werden jeden Morgen die Arbeiter aus Pakistan und Bangladesh zu den Baustellen gekarrt. Am Strand haben sie schon eine pastellfarbene Ferienkolonie gebaut, die erste von vielen. Auf der anderen Seite, dort wo das Staubgrau in das Smoggrau des Himmels übergeht, entsteht gerade der Campus der New York University. 2017 wird der nächste Neuzugang erwartet: der Louvre. Ein paar Betonstützen ragen schon aus dem Boden. Sie werden die riesige, flache Kuppel des von Jean Nouvel entworfenen Baus tragen. Der Louvre wird Teil des geplanten 'cultural district', eines ganzen Archipels von Kulturpalästen weltberühmter Architekten, zu dem das Sheikh-Zayed-Nationalmuseum (Norman Foster), das Maritim-Museum (Tadao Ando) ein Performing Arts Center (Zaha Hadid) und eine Filiale des Guggenheim (Frank Gehry) gehören wird.
Ursprünglich sollte die Kulturstadt 2014 fertig sein. Doch die Finanzkrise dämpfte die Baufreude. Nach jahrelangem Stillstand, nach Protesten gegen die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen, wurde die Arbeit Anfang des Jahres wieder aufgenommen.
Louvre, Nationalmuseum und natürlich auch ein Guggenheim Museum, wie das abgebildete in Bilbao: Das alles soll auf der neuen Kulturinsel in Abu Dhabi stehen.
Die Ausstellung 'Birth of a Museum', die kürzlich in dem gleich neben der Baustelle gelegenen Pavillon Manarat-al-Saadiyat gezeigt wurde, der als Showroom für all die Projekte dient, hatte also vor allem einen Zweck: zu beweisen, dass das Museum tatsächlich Gestalt annimmt. Nebenbei erlaubte sie aber einen ersten Eindruck davon, welche Gestalt das sein würde. Welche Geschichte von Kunst will der Louvre den Emiratis erzählen? Und wie können die Museen zu eigenständigen Häusern werden, Oasen der Aufklärung, wie sollen sie 'Frieden in die Region bringen', wie die Louvre-Entsandte Celine Hullo-Pouyat es formulierte, wo ihre Existenz doch auf harten Franchise-Deals beruht: 400 Millionen Euro zahlten die Emirates dafür, die Marke Louvre benützen zu dürfen; 190 Millionen dafür, sich zehn Jahre lang Kunst aus Paris leihen zu dürfen; 195 Millionen für vier aus Paris importierte Ausstellungen.
Die Museen sind Teil der von Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan und Kronprinz Muhammad entwickelten 'Vision Abu Dhabi 2030', mit der das Emirat nach neuen Standbeinen für die Zeit nach dem Öl sucht. In den letzten Jahren wurde eine Formel-1-Strecke, die 'Ferrari World' und die 'Waterworld' aus dem Boden gestampft, aber auch die Null-Energie-Stadt Masdar. Nun folgen die NYU und bald, neben Golfplätzen, Marina und neun Fünf-Sterne-Resorts eben jenes Museumsviertel. Sie alle liegen in direkter Nachbarschaft zueinander und werden von der 'Tourism and Culture Authority' verwaltet. Noch spricht nichts für die Emirate als Urlaubsregion. Doch mit genug Geld lässt sich das ändern. 'Der Scheich will die Wüste grün machen', so die Pressefrau des Louvre.
Louvre und Guggenheim sollten anfangs nicht mehr sein als noble Highlights dieses Touristenspielplatzes. Doch dieses schlichte Idee ist immer mehr in den Hintergrund getreten. Für wen die Museum nun eigentlich gemacht werden scheinen die Kuratoren selbst nicht genau zu wissen: 'Wir testen noch.' Sie lassen anklingen, dass sie weniger an westliche Pauschaltouristen, als an Besucher aus der Region denken, Besucher, die sie sich erst noch heranziehen müssen.
Mit dem ausdrücklichen Segen des Herrschers. 'In einer Gesellschaft, in der alles von der Herrscherfamilie kontrolliert wird, wird auch die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur von oben verordnet', meint Michael Schindhelm, der in Dubai ein Opernhaus bauen sollte, bis er 2008 aufgab. Er vergleicht das mit seiner Heimatstadt Meiningen, wo der Herzog Mitte des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung per Dekret zwang, ins Theater zu gehen.
Damit hat das Projekt eine Aufwertung erlebt, die der des neuen Museums M+ in Hongkong (SZ vom Wochenende) nicht unähnlich ist. Mit den 40 Millionen Euro, die Abu Dhabi seit 2009 jährlich für den Aufbau der Sammlung des Louvre ausgibt, kauft sich das staubige Emirat nicht Tourismus, sondern Geschichte, kulturelle Identität, Modernität alles Dinge, an denen es hier gefehlt hat. Argumentativ eingerahmt ist die Ausstellung vom vagen Bemühen, die Emirate zur bedeutenden Kulturregion zu erklären. Man sei nicht weit von der Seidenstraße entfernt, Ausgrabungen belegten Kontakte bis nach Mesopotamien und ins Hindustal, wichtige Zivilisationen hätten auf der arabischen Halbinsel Spuren hinterlassen.
Doch weil man mit dem Hinweis auf das Lokale nicht allzu weit kommt, schwenkt der Fokus aufs Universale: Das Konzept springt einem schon im ersten Saal überdeutlich in die Augen: Yves Kleins 1960 entstandene 'Anthropometrie (ANT 110)' steht dort der 4000 Jahre alten 'Baktischen Prinzessin' gegenüber und einer Terrakotta-Figur aus Zypern. Gesucht wird nach Motiven, die sich durch die gesamte Geschichte künstlerischen Ausdrucks ziehen, nach Topoi und Formen, die in unterschiedlichsten Kulturen anzutreffen sind. Der Faltenwurf des marmornen römischen Redners ähnelt tatsächlich dem der Bodhisattva aus Pakistan.
Hissa al Dhaheri, die junge Projektleiterin - schwarzer Hidschab, goldene Rolex - fasst es zusammen: 'Alle großen enzyklopädischen Museen haben diesen universellen Anspruch. Wir wollen ihn wirklich erfüllen und zeigen wie sich die Zivilisationen gegenseitig beeinflusst haben, wo die Ähnlichkeiten liegen. Wir sind alle Menschen!' Deshalb liegt in einer Vitrine auch eine wertvolle syrische Koranausgabe und eine Tora aus Jemen nebeneinander. 'Eine Bibel wollen wir auch noch kaufen.'
Ist es für Moslems nicht problematisch, die heiligen Schriften der drei Religionen hier nebeneinander ausgestellt zu sehen? 'Überhaupt nicht', versichert sie lächelnd und paraphrasiert, so sagt sie, einen Satz aus dem Koran: 'Ihr seid unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, damit ihr euch gegenseitig kennenlernt.'
Anfangs mag der Versuch, östliche und westliche Kunst zu verflechten, pragmatische Gründe gehabt haben. Je allgemeiner die Ausstellungen, desto kompatibler sind sie mit dem heterogenen Publikum. Mittlerweile jedoch dient der aus der Not der kulturellen Wüste geborene Universalismusanspruch auch dazu, das Land in ein liberaleres Licht zu rücken. Hissa al Dhaheri schwärmt vom multikulturellen Leben hier, von den 200 Nationalitäten - ohne aber darauf hinzuweisen, dass die Ausländer entweder in Knochenjobs auf Baustellen wie die des Louvre arbeiten oder als verwöhnte Expats mit Auslandszulage und Personal.
Sie rühmt die Offenheit und Anpassungsfähigkeit, die schon immer Bestandteil der emiratischen Identität gewesen sei - eine rührende Behauptung angesichts einer Monarchie, die keine Wahlen, keine Kritik am Herrscher, keine Meinungsfreiheit erlaubt, in der Drogenkonsum und Homosexualität scharf geahndet werden.
Louvre und Guggenheim werden es jedenfalls nicht leicht haben, westliche Kunst zu zeigen, ohne dabei laufend anzuecken. Der Pop-Art-Künstler James Rosenquist plauderte in der 'Talking Arts Series', zu der man regelmäßig bekannte Künstler einlädt, zwar von den wilden Sechzigern in New York, doch was er erzählte von Schwulen, Drogen, Alkohol, wurde vom Publikum mit beredtem Schweigen aufgenommen. Beim anschließenden Empfang musste auch er Apfelsaft trinken. 'Wir müssen unser Publikum respektieren', meint die Guggenheim-Kuratorin Valerie Hillings. 'Es ist unglaublich wichtig, die Besucher nicht um der Provokation willen zu provozieren.'
Die Front verläuft hier nicht zwischen Museum und Künstlern auf der einen und Obrigkeit auf der anderen Seite, eher zwischen Institution und Publikum. Gefragt, ob die Regierung die Ausstellungen jeweils vor der Eröffnung absegnen werde, antwortet Faisal al Dhaheri, der Pressemann der Tourismusbehörde, denn auch trocken: 'Wir sind die Regierung'.
Diese Sorgen erlauben dem westlichen Besucher ein wohliges Gefühl der Überlegenheit. Das allerdings täuscht darüber hinweg, dass hier in der Wüste auch unsere eigene Beschränktheit vorgeführt und für überholt erklärt wird. Der kürzlich abgelöste Louvre-Direktor Henri Loyrette sprach das unmissverständlich an, als er über das Haupthaus sagte: 'In Wahrheit ist unser Museum kein wirklich universelles, enzyklopädisches Museum.' Hillings spricht von 'Fehlern der Vergangenheit', die man hier überwinden könne. Es gehe nicht nur um die Herausforderung, als westliche Institution ein nicht mehr westlich dominiertes Museum zu gründen, sondern darum, 'die Kunstgeschichte neu zu schreiben' .
Das wiederum wird früher oder später auf die Museen im Westen zurückstrahlen. Ob sich der 'globalistische Anspruch' einer Weltkunst der Ähnlichkeiten 'bewährt oder als Quatsch erweist', werde die Zukunft zeigen, so Schindhelm. Doch den Versuch, die westliche Deutungshoheit über die Kultur zu überwinden, hält er für durchaus ernsthaft. 'Diese Institutionen wissen, dass sie so wie bisher nicht weitermachen können.'