Einigen Briten ist die Lust auf Starbucks vergangen. Sie wollen den Kaffee der Kette boykottieren. Der Grund: Das Unternehmen hat sich um Steuerzahlungen herumgetrickst. Ganz legal. Denn das eigentliche Problem ist die Gesetzgebung der Regierung
London - Britische Starbucks-Fans sind sauer. 'Es ist eine Schande. Das Unternehmen, das ansonsten so viel von fairem Handel und ethischen Grundsätzen spricht, betrügt die Gesellschaft', schimpft Matt Rosney. Der 22-jährige Student sitzt im Starbucks-Café der Londoner Northcote Road und schlürft einen Grande Cappuccino. Es könnte der letzte Kaffee sein, den er hier trinken wird. Denn Rosney überlegt, ob er nicht künftig einen Bogen um die Kaffeehauskette machen soll. Er steht nicht allein da. Internet-Aktivisten rufen schon zum landesweiten Boykott auf.
Hintergrund sind Vorwürfe, dass das Unternehmen Tricks anwendet, um sich vor Steuerzahlungen in Großbritannien zu drücken. Ein von der Agentur Reuters veröffentlichter Bericht zeigt, dass das Unternehmen seit 1998 insgesamt mehr als drei Milliarden Pfund (3,7 Milliarden Euro) Umsatz auf der Insel erzielte, aber nur 8,6 Millionen Pfund Steuern gezahlt hat. 750 Filialen hat Starbucks auf der Insel.
Nun sah sich Firmengründer und Konzernchef Howard Schultz bemüßigt, auf der britischen Internetseite eine Erklärung zu veröffentlichen: 'Starbucks hat niemals vermieden, Steuern in Großbritannien zu zahlen', so Schultz. Er habe im Übrigen den tiefsten Respekt für alle Menschen, denen das Unternehmen diene, umwarb Schultz die Starbucks-Gemeinde. Das kann den 'shitstorm' in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter allerdings nicht bremsen.
'Die Enthüllungen über Starbucks sind empörend. Aber noch schlimmer ist, dass die Regierung keinen Finger rührt, um die Steuergesetze zu verschärfen', kritisiert Anna Walter von der Organisation UK Uncut. Es sind Aktivisten, die sich auch aus der Occupy-Bewegung gegen die Banken rekrutieren, und für größere soziale Gerechtigkeit eintreten.
So hatte Uncut eine spektakuläre Besetzungsaktion gegen Modehauskette Topshop organisiert. Die Aktivisten protestierten gegen den Topshop-Eigner und mehrfachen Milliardär Sir Philip Green, der sich ihrer Meinung nach durch ein Firmengeflecht in Steueroasen wie der Kanalinsel Jersey erfolgreich vor dem Fiskus drücke.
Das Problem ist allerdings, dass die ausgeklügelten Steuervermeidungsmodelle - für Unternehmen, aber auch für Privatleute - nicht illegal sind. Der britische Staat kämpft wie im Hase-und-Igel-Spiel und muss dabei die Erfahrung machen, dass die trickreichen Steuersparer immer eine Nasenlänge voraus sind und neue Gesetzeslücken entdecken. Ganze Heerscharen von Anwälten und Steuerberatern, die ihre Firmen insbesondere auch in der Finanzhochburg London haben, sind damit beschäftigt, nach Schlupflöchern in den neuen Steuergesetzen zu suchen.
Für die konservativ-liberale Regierungskoalition geht es um eine brisante politische Frage: Ohnehin wächst die Kritik an der von Schatzkanzler George Osborne vor kurzem verkündeten Senkung des Spitzensteuersatzes für Jahreseinkommen von mehr als 150000 Pfund von 50 auf 45 Prozent vor. Zur Begründung sagte Osborne, der im internationalen Vergleich hohe Steuersatz schade der britischen Wirtschaft. Doch viele Briten sehen in der Maßnahme ein Geschenk an die Reichen. So wächst die Wut gegen 'fat cats' (auf Deutsch: fette Katzen) - gegen die Reichen und Wohlhabenden im Lande.
Die Organisation Uncut prangert eine ganze Reihe von Firmen an, die ihren Steuerpflichten nicht nachkommen. Genannt werden unter anderem der Mobilfunkkonzern Vodafone, der Supermarktkonzern Tesco, das soziale Netzwerk Facebook, Amazon und der Internetkonzern Google. Das Steuervermeidungsmodell folgt dabei meistens einem Grundmuster: Die Firmen verbuchen einen erheblichen Teil ihrer Umsätze nicht dort, wo sie entstehen. Stattdessen setzen sie so genannte Europa-Zentralen in steuerbegünstigten Ländern wie Irland, Luxemburg und Niederlande ein. Ein beliebter Trick ist auch, den einzelnen Ländergesellschaften hohe Lizenzgebühren in Rechnung zu stellen, die die steuerpflichtigen Gewinne mindern.
Im Falle Starbucks erbost die Steuer-Kritiker, dass das Unternehmen gegenüber Analysten erklärte, seine britischen Aktivitäten seien profitabel. Das hat das Unternehmen aber dennoch nicht davon abgehalten, Verluste bei den britischen Finanzämtern geltend zu machen. Starbucks verweist indes auf unterschiedliche Steuer- und Bilanzierungsregeln: Während in den USA nach den Grundsätzen der Börsenaufsicht SEC Lizenzgebühren und Zinszahlungen in die Profitabilitätsberechnung nicht einbezogen werden, ist für britische Steuerbehörden der Gewinn nach Zinsen und Lizenzgebühren ausschlaggebend. Starbucks halte sich exakt an die Gesetze, erklärt Schultz. Und das ist nicht falsch. Doch die Anti-Starbucks-Aktivisten wollen weiter machen.
Autor: Andreas Oldag
London - Britische Starbucks-Fans sind sauer. 'Es ist eine Schande. Das Unternehmen, das ansonsten so viel von fairem Handel und ethischen Grundsätzen spricht, betrügt die Gesellschaft', schimpft Matt Rosney. Der 22-jährige Student sitzt im Starbucks-Café der Londoner Northcote Road und schlürft einen Grande Cappuccino. Es könnte der letzte Kaffee sein, den er hier trinken wird. Denn Rosney überlegt, ob er nicht künftig einen Bogen um die Kaffeehauskette machen soll. Er steht nicht allein da. Internet-Aktivisten rufen schon zum landesweiten Boykott auf.
Hintergrund sind Vorwürfe, dass das Unternehmen Tricks anwendet, um sich vor Steuerzahlungen in Großbritannien zu drücken. Ein von der Agentur Reuters veröffentlichter Bericht zeigt, dass das Unternehmen seit 1998 insgesamt mehr als drei Milliarden Pfund (3,7 Milliarden Euro) Umsatz auf der Insel erzielte, aber nur 8,6 Millionen Pfund Steuern gezahlt hat. 750 Filialen hat Starbucks auf der Insel.
Nun sah sich Firmengründer und Konzernchef Howard Schultz bemüßigt, auf der britischen Internetseite eine Erklärung zu veröffentlichen: 'Starbucks hat niemals vermieden, Steuern in Großbritannien zu zahlen', so Schultz. Er habe im Übrigen den tiefsten Respekt für alle Menschen, denen das Unternehmen diene, umwarb Schultz die Starbucks-Gemeinde. Das kann den 'shitstorm' in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter allerdings nicht bremsen.
'Die Enthüllungen über Starbucks sind empörend. Aber noch schlimmer ist, dass die Regierung keinen Finger rührt, um die Steuergesetze zu verschärfen', kritisiert Anna Walter von der Organisation UK Uncut. Es sind Aktivisten, die sich auch aus der Occupy-Bewegung gegen die Banken rekrutieren, und für größere soziale Gerechtigkeit eintreten.
So hatte Uncut eine spektakuläre Besetzungsaktion gegen Modehauskette Topshop organisiert. Die Aktivisten protestierten gegen den Topshop-Eigner und mehrfachen Milliardär Sir Philip Green, der sich ihrer Meinung nach durch ein Firmengeflecht in Steueroasen wie der Kanalinsel Jersey erfolgreich vor dem Fiskus drücke.
Das Problem ist allerdings, dass die ausgeklügelten Steuervermeidungsmodelle - für Unternehmen, aber auch für Privatleute - nicht illegal sind. Der britische Staat kämpft wie im Hase-und-Igel-Spiel und muss dabei die Erfahrung machen, dass die trickreichen Steuersparer immer eine Nasenlänge voraus sind und neue Gesetzeslücken entdecken. Ganze Heerscharen von Anwälten und Steuerberatern, die ihre Firmen insbesondere auch in der Finanzhochburg London haben, sind damit beschäftigt, nach Schlupflöchern in den neuen Steuergesetzen zu suchen.
Für die konservativ-liberale Regierungskoalition geht es um eine brisante politische Frage: Ohnehin wächst die Kritik an der von Schatzkanzler George Osborne vor kurzem verkündeten Senkung des Spitzensteuersatzes für Jahreseinkommen von mehr als 150000 Pfund von 50 auf 45 Prozent vor. Zur Begründung sagte Osborne, der im internationalen Vergleich hohe Steuersatz schade der britischen Wirtschaft. Doch viele Briten sehen in der Maßnahme ein Geschenk an die Reichen. So wächst die Wut gegen 'fat cats' (auf Deutsch: fette Katzen) - gegen die Reichen und Wohlhabenden im Lande.
Die Organisation Uncut prangert eine ganze Reihe von Firmen an, die ihren Steuerpflichten nicht nachkommen. Genannt werden unter anderem der Mobilfunkkonzern Vodafone, der Supermarktkonzern Tesco, das soziale Netzwerk Facebook, Amazon und der Internetkonzern Google. Das Steuervermeidungsmodell folgt dabei meistens einem Grundmuster: Die Firmen verbuchen einen erheblichen Teil ihrer Umsätze nicht dort, wo sie entstehen. Stattdessen setzen sie so genannte Europa-Zentralen in steuerbegünstigten Ländern wie Irland, Luxemburg und Niederlande ein. Ein beliebter Trick ist auch, den einzelnen Ländergesellschaften hohe Lizenzgebühren in Rechnung zu stellen, die die steuerpflichtigen Gewinne mindern.
Im Falle Starbucks erbost die Steuer-Kritiker, dass das Unternehmen gegenüber Analysten erklärte, seine britischen Aktivitäten seien profitabel. Das hat das Unternehmen aber dennoch nicht davon abgehalten, Verluste bei den britischen Finanzämtern geltend zu machen. Starbucks verweist indes auf unterschiedliche Steuer- und Bilanzierungsregeln: Während in den USA nach den Grundsätzen der Börsenaufsicht SEC Lizenzgebühren und Zinszahlungen in die Profitabilitätsberechnung nicht einbezogen werden, ist für britische Steuerbehörden der Gewinn nach Zinsen und Lizenzgebühren ausschlaggebend. Starbucks halte sich exakt an die Gesetze, erklärt Schultz. Und das ist nicht falsch. Doch die Anti-Starbucks-Aktivisten wollen weiter machen.
Autor: Andreas Oldag