Bundesinnenminister Friedrich beehrt den Sportausschuss mit einem Besuch. Bei der Debatte zur Dopingstudie spielt Doping aber nur eine Nebenrolle
Hans-Peter Friedrich, der Bundesinnenminister von der CSU kommt auch nicht alle Tage im Sportausschuss des Bundestages vorbei. Zur mit Spannung erwarteten Debatte über die Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" hält er es aber doch für angebracht, sich persönlich um sein sonst eher stiefmütterlich behandeltes Unterressort "Sportpolitik" zu kümmern. Schließlich sieht sich sein Ministerium mit einem zentralen Vorwurf der Wissenschaftler konfrontiert, wonach die Bundesrepublik, erstens, über Jahrzehnte hinweg "anwendungsorientierte Dopingforschung" gefördert habe und, zweitens, bis heute einer ernsthaften Aufarbeitung dieser Geschichte im Wege stehe. Die Parlamentarier, jedenfalls ein Teil von ihnen, wünschen sich diesbezüglich dringend Aufklärung aus dem Hause Friedrich. Um es vorweg zu nehmen: Dieser Wunsch wurde am Montag enttäuscht.
Die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag (l, SPD) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unterhalten sich vor Beginn der Sportausschuss-Sitzung.
Die öffentliche Sitzung beginnt um 9 Uhr. Friedrich erklärt, er müsse um 10.30 Uhr wieder los. Es wird dann erst einmal eine Weile um die kostbare Zeit des Innenministers gestritten. Als Friedrich sein Mikro anstellt, hat er noch 75 Minuten übrig, um Licht in die dunkle deutschen Dopingvergangenheit zu bringen. Dann mal los! Der Minister beginnt mit dem Satz: "Ich möchte zunächst einmal im Namen der Bundesregierung erklären, dass wir Thomas Bach alles Gute wünschen." Damit sind dann auch schon die Prioritäten für den Rest der Veranstaltung gesetzt.
Thomas Bach war natürlich auch eingeladen. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) lässt sich aber entschuldigen. Er ist bereits in Buenos Aires, wo er um sein Lebenswerk, den IOC-Thron, kämpft. Erstaunlich ist dabei, dass der ursprünglich diskutierte Sitzungstermin am 29. August auf Antrag der Regierungskoalition genau so weit nach hinten verlegt wurde, dass Bach nicht mehr teilnehmen konnte. Leider. Klaus Riegert, der scheidende Sportsprecher der CDU wird später in erstaunlicher Offenheit einräumen: "Wir haben in den nächsten Tagen ja ein wichtiges Datum, deshalb sind wir nicht so ganz unvoreingenommen, wie das vielleicht angezeigt wäre." Es bleibt offen, ob mit dem Wort "wir" wir Deutsche, wir Patrioten oder wir Unterstützer von Thomas Bach gemeint sind.
Zurück zum Innenminister. Dessen Redezeit wird nun auf Antrag der Union in Zeitkontingente zerstückelt. Die Grünen dürfen den Sportminister demnach exakt acht Minuten lang befragen. Die Linke bekommt neun Minuten, die FDP elf, die SPD 18, die CDU 29. Ein Kanzlerduell ist dagegen ein lebendiger Gesprächskreis.
Die Union braucht von ihren 29 Minuten nur 15, Fragen zur Dopingstudie stellt sie nicht, der Rest der Zeit verfällt.
Die Linke nennt dieses Verfahren "eine Farce". Die Grünen sprechen von einem "Geschäftsführungstrick", um die Redezeit der Opposition zu begrenzen. Der SPD-Sportsprecher Martin Gerster sagt: "Mir scheint, dass Schwarz-Gelb Angst vor der Debatte über diese Studie hat." Friedrich scheint vergnügt seine Zeit abzusitzen.
Zur Erinnerung: Es soll hier eigentlich eine Sondersitzung zur einem der größten sportpolitischen Forschungsprojekte in der Geschichte Deutschlands abgehalten werden. Es könnte um die Frage gehen, weshalb diese mit Bundesmitteln geförderte Studie nicht zu Ende geführt wurde, weshalb der Abschlussbericht im Jahr 1990 abbricht, weshalb die ganze Zeit um Formalitäten gestritten wird und nicht um Inhalte, weshalb keine politischen Konsequenzen gezogen werden. Stattdessen wird nach dem Urteil zahlreicher geladener Experten ein "politisches Kabarett" aufgeführt. Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins spricht von einer "Verwaltung des Desasters".
Vor allem der CDU-Mann Riegert tritt dabei nach allgemeinem Eindruck wie ein Pressesprecher von BMI und DOSB auf. Zur Idee der Redezeit-Vergabe nach Fraktionsstärke erklärt er: "Wir haben uns heute erlaubt, die richtigen Proportionen herzustellen." Riegert sagt auch: "Meine Kollegen meckern, dass wir in fast jeder Sitzung über Doping reden." Die Sitzung von Montag können die Kollegen kaum gemeint haben, denn da wird allenfalls darüber gestritten, wie man über Doping reden sollte. Innenminister Friedrich verlässt den Saal um 10.56 Uhr. Auf inhaltliche Details der Studie ist er bis dahin nicht eingegangen, wobei er bezüglich der Dopingforschung einräumt, "dass offenkundig aus heutiger Sicht von Staatswegen nicht so gegengehalten wurde, wie man das heute machen würde". Er könne allerdings keine abschließende Bewertung abgeben, ob es ein systemisches oder systematisches Doping in Westdeutschland gegeben habe. Das und noch vieles andere will Friedrich in einem Expertengespräch klären lassen, nach der Wahl. Im Übrigen verweist er darauf, stets den historischen Kontext zu betrachten. Kalter Krieg und so. Zumal Anabolika in den Siebzigern in keinem Sportverband verboten gewesen seien. Die Autoren der Studie um den Berliner Historiker Giselher Spitzer verweisen in diesem Zusammenhang auf ihre Studie.
Ein paar Inhalte werden nach Friedrichs Abschied dann doch noch behandelt: Erstens: Die Nationale Anti-Doping-Agentur geht rechtlich gegen die Behauptung der Berliner Forschungsgruppe vor, sie, die Nada, habe wissenschaftlich relevante Akten zurückgehalten. Spitzer sagt: "Vor dem Prozess habe ich keine Angst." Zweitens: Ein Antrag der Grünen, der unter anderem die Forderung enthält, einen neuen Forschungsauftrag für den Zeitraum nach 1990 zu vergeben, wird mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Drittens: Die FDP wehrt sich gegen den Verdacht, ihr Ehrenvorsitzender Hans-Dietrich Genscher habe in seiner Zeit als Innenminister Doping eher geduldet als bekämpft. Und zwar wehrt sich der FDP-Sportsprecher Joachim Günther so: "Damals ging es um den Sieg um jeden Preis. Alle waren begeistert, wenn Athleten mit Medaillen nach Hause kamen. Das wollte keiner stoppen. Damals wusste man gar nicht, was Doping ist."
Es sind, wie gesagt, auch ein paar Experten da, darunter die Studien-Autoren der HU-Berlin und der Uni Münster. Die aber sitzen zunächst stundenlang herum und bekommen am Ende fünf Minuten, um ein Statement runterzurattern.Das Schlusswort hat dann natürlich Klaus Riegert für die CDU: "Kein weiteren Fragen, obwohl ich eigentlich noch 8:30 Minuten im Kässchen hätte."
Hans-Peter Friedrich, der Bundesinnenminister von der CSU kommt auch nicht alle Tage im Sportausschuss des Bundestages vorbei. Zur mit Spannung erwarteten Debatte über die Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" hält er es aber doch für angebracht, sich persönlich um sein sonst eher stiefmütterlich behandeltes Unterressort "Sportpolitik" zu kümmern. Schließlich sieht sich sein Ministerium mit einem zentralen Vorwurf der Wissenschaftler konfrontiert, wonach die Bundesrepublik, erstens, über Jahrzehnte hinweg "anwendungsorientierte Dopingforschung" gefördert habe und, zweitens, bis heute einer ernsthaften Aufarbeitung dieser Geschichte im Wege stehe. Die Parlamentarier, jedenfalls ein Teil von ihnen, wünschen sich diesbezüglich dringend Aufklärung aus dem Hause Friedrich. Um es vorweg zu nehmen: Dieser Wunsch wurde am Montag enttäuscht.
Die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag (l, SPD) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unterhalten sich vor Beginn der Sportausschuss-Sitzung.
Die öffentliche Sitzung beginnt um 9 Uhr. Friedrich erklärt, er müsse um 10.30 Uhr wieder los. Es wird dann erst einmal eine Weile um die kostbare Zeit des Innenministers gestritten. Als Friedrich sein Mikro anstellt, hat er noch 75 Minuten übrig, um Licht in die dunkle deutschen Dopingvergangenheit zu bringen. Dann mal los! Der Minister beginnt mit dem Satz: "Ich möchte zunächst einmal im Namen der Bundesregierung erklären, dass wir Thomas Bach alles Gute wünschen." Damit sind dann auch schon die Prioritäten für den Rest der Veranstaltung gesetzt.
Thomas Bach war natürlich auch eingeladen. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) lässt sich aber entschuldigen. Er ist bereits in Buenos Aires, wo er um sein Lebenswerk, den IOC-Thron, kämpft. Erstaunlich ist dabei, dass der ursprünglich diskutierte Sitzungstermin am 29. August auf Antrag der Regierungskoalition genau so weit nach hinten verlegt wurde, dass Bach nicht mehr teilnehmen konnte. Leider. Klaus Riegert, der scheidende Sportsprecher der CDU wird später in erstaunlicher Offenheit einräumen: "Wir haben in den nächsten Tagen ja ein wichtiges Datum, deshalb sind wir nicht so ganz unvoreingenommen, wie das vielleicht angezeigt wäre." Es bleibt offen, ob mit dem Wort "wir" wir Deutsche, wir Patrioten oder wir Unterstützer von Thomas Bach gemeint sind.
Zurück zum Innenminister. Dessen Redezeit wird nun auf Antrag der Union in Zeitkontingente zerstückelt. Die Grünen dürfen den Sportminister demnach exakt acht Minuten lang befragen. Die Linke bekommt neun Minuten, die FDP elf, die SPD 18, die CDU 29. Ein Kanzlerduell ist dagegen ein lebendiger Gesprächskreis.
Die Union braucht von ihren 29 Minuten nur 15, Fragen zur Dopingstudie stellt sie nicht, der Rest der Zeit verfällt.
Die Linke nennt dieses Verfahren "eine Farce". Die Grünen sprechen von einem "Geschäftsführungstrick", um die Redezeit der Opposition zu begrenzen. Der SPD-Sportsprecher Martin Gerster sagt: "Mir scheint, dass Schwarz-Gelb Angst vor der Debatte über diese Studie hat." Friedrich scheint vergnügt seine Zeit abzusitzen.
Zur Erinnerung: Es soll hier eigentlich eine Sondersitzung zur einem der größten sportpolitischen Forschungsprojekte in der Geschichte Deutschlands abgehalten werden. Es könnte um die Frage gehen, weshalb diese mit Bundesmitteln geförderte Studie nicht zu Ende geführt wurde, weshalb der Abschlussbericht im Jahr 1990 abbricht, weshalb die ganze Zeit um Formalitäten gestritten wird und nicht um Inhalte, weshalb keine politischen Konsequenzen gezogen werden. Stattdessen wird nach dem Urteil zahlreicher geladener Experten ein "politisches Kabarett" aufgeführt. Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins spricht von einer "Verwaltung des Desasters".
Vor allem der CDU-Mann Riegert tritt dabei nach allgemeinem Eindruck wie ein Pressesprecher von BMI und DOSB auf. Zur Idee der Redezeit-Vergabe nach Fraktionsstärke erklärt er: "Wir haben uns heute erlaubt, die richtigen Proportionen herzustellen." Riegert sagt auch: "Meine Kollegen meckern, dass wir in fast jeder Sitzung über Doping reden." Die Sitzung von Montag können die Kollegen kaum gemeint haben, denn da wird allenfalls darüber gestritten, wie man über Doping reden sollte. Innenminister Friedrich verlässt den Saal um 10.56 Uhr. Auf inhaltliche Details der Studie ist er bis dahin nicht eingegangen, wobei er bezüglich der Dopingforschung einräumt, "dass offenkundig aus heutiger Sicht von Staatswegen nicht so gegengehalten wurde, wie man das heute machen würde". Er könne allerdings keine abschließende Bewertung abgeben, ob es ein systemisches oder systematisches Doping in Westdeutschland gegeben habe. Das und noch vieles andere will Friedrich in einem Expertengespräch klären lassen, nach der Wahl. Im Übrigen verweist er darauf, stets den historischen Kontext zu betrachten. Kalter Krieg und so. Zumal Anabolika in den Siebzigern in keinem Sportverband verboten gewesen seien. Die Autoren der Studie um den Berliner Historiker Giselher Spitzer verweisen in diesem Zusammenhang auf ihre Studie.
Ein paar Inhalte werden nach Friedrichs Abschied dann doch noch behandelt: Erstens: Die Nationale Anti-Doping-Agentur geht rechtlich gegen die Behauptung der Berliner Forschungsgruppe vor, sie, die Nada, habe wissenschaftlich relevante Akten zurückgehalten. Spitzer sagt: "Vor dem Prozess habe ich keine Angst." Zweitens: Ein Antrag der Grünen, der unter anderem die Forderung enthält, einen neuen Forschungsauftrag für den Zeitraum nach 1990 zu vergeben, wird mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Drittens: Die FDP wehrt sich gegen den Verdacht, ihr Ehrenvorsitzender Hans-Dietrich Genscher habe in seiner Zeit als Innenminister Doping eher geduldet als bekämpft. Und zwar wehrt sich der FDP-Sportsprecher Joachim Günther so: "Damals ging es um den Sieg um jeden Preis. Alle waren begeistert, wenn Athleten mit Medaillen nach Hause kamen. Das wollte keiner stoppen. Damals wusste man gar nicht, was Doping ist."
Es sind, wie gesagt, auch ein paar Experten da, darunter die Studien-Autoren der HU-Berlin und der Uni Münster. Die aber sitzen zunächst stundenlang herum und bekommen am Ende fünf Minuten, um ein Statement runterzurattern.Das Schlusswort hat dann natürlich Klaus Riegert für die CDU: "Kein weiteren Fragen, obwohl ich eigentlich noch 8:30 Minuten im Kässchen hätte."