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Willkommen in der Echokammer

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Der Kurznachrichtendienst Twitter dient oft als Gradmesser für politische Stimmungen - doch ist er das?

Es gibt auf den ersten Blick nur wenig, was dem Bild vom Internet als einem Refugium der demokratischen Meinungsvielfalt widerspricht. Die technischen, finanziellen und sozialen Einstiegshürden sind (zumindest in den Wohlstandsdemokratien des Westens) niedrig. Wer mit seiner Meinung weitgehend innerhalb der Grenzen des demokratischen Diskurses bleibt, braucht trotz massiver staatlicher Überwachung kaum Repressionen zu fürchten.



Lässt sich die Stimmung im Netz einfangen? Und wenn ja, wie repräsentativ ist sie wirklich?

Dass es mit der Partizipation der Massen im Internet aber bei weitem nicht so weit her ist, darauf weist nun ausgerechnet das Ereignis im laufenden Bundestagswahlkampf hin, dem schon in seiner grundsätzlichen Struktur jegliche Beteiligungsmöglichkeit des Souveräns abgeht: das Fernsehduell zwischen der Bundeskanzlerin und ihrem Herausforderer.

Weil Fernsehender und Nachrichtenseiten in ihrem Begleitprogramm zum Rededuell die Frage nach der "Stimmung im Netz" öfter mal mit dem Vorlesen von zwei, drei Tweets beantworteten, griff der Hamburger Journalist und Redakteur im Netzwelt-Ressort von Spiegel Online Ole Reißmann mit deutlichen Zahlen in den Diskurs ein: "Nur mal angenommen, ein paar eifrige Nutzer haben das #tvduell kommentiert und alle paar Minuten einen Tweet geschrieben. Vielleicht 25 in 90 Minuten. Dann reichen schon rund 7000 Twitter-Nutzer aus, um auf 173 000 Tweets zu kommen. Das wären dann 0,01 Prozent der Wahlberechtigten", schrieb er und löste damit eine Debatte aus, die nun ausgerechnet von jenen geführt wird, die sich sowieso zur meinungsstarken, deutschsprachigen Internetöffentlichkeit zählen. Und die auch in den USA schon Fragen aufwirft.

Dabei geht es vor allem um die Frage, wer eigentlich all jene sind, die sich auf Twitter äußern und von Massenmedien inzwischen leichtfertig als "das Netz" bezeichnet werden. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Twitter veröffentlicht keine Informationen zu den soziokulturellen Merkmalen seiner Nutzerschaft. Nur ein paar vage Eckdaten gibt es, die Hinweise auf die Größe dieses ausgewählten Teil der deutschsprachigen Internetnutzer zulassen.

250 000 Tweets seien zum Fernsehduell am vergangenen Sonntag verschickt worden, 173 000 davon während das Duell im TV lief, sagt das Unternehmen. Doch von wie vielen Nutzern diese Wortmeldungen stammen, dazu gibt es keine offiziellen Informationen. Eine Auswertung einer unabhängigen Analysefirma kommt auf 36 000 unterschiedliche Nutzer. Das sind zwar deutlich mehr, als die von Reißmann geschätzten 7000 Beteiligten, ändert aber nichts an dem Eindruck, dass die "Stimmung im Netz" in Wahrheit die Stimmung von wenigen gut vernetzten Journalisten, Politikern und solchen, die das noch werden wollen, widerspiegelt. Multiplikatoren zwar, aber ganz und gar kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung, noch nicht einmal der Internetnutzer. "Es sind Menschen, die dieselben Tools nutzen, eine gemeinsame Sprache sprechen, bestimmte Witze verstehen. Jedenfalls sind sie nicht "das Netz", schreibt Reißmann.

Dass in der Öffentlichkeit dennoch immer wieder der Eindruck entsteht, Twitter sei das Internet und umgekehrt, ist wohl auf die äußerliche Offenheit zurückzuführen, die sich Twitter verordnet hat. Twitter, das war lange Zeit ein radikaler Gegenentwurf, zum nach außen abgeschlossenen Facebook. Twitter ist ein einfacher Weg, um als Journalist einen Beleg für eine politische Haltung zu finden. Twitter weckt die Illusion, dass man das Dickicht Internet mit ein paar Mausklicks durchschauen könnte.

Das Gegenteil ist der Fall. Nun da das Internet immer weiter wächst, die Algorithmen es immer passgenauer auf den einzelnen Nutzer zuschneiden, wird es zugleich unübersichtlicher. Es sei langsam an der Zeit sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass das Internet mehr als alles andere in der Lage ist, unsere Augen für neue Perspektiven und Erfahrungen zu öffnen, schrieb das Hausblatt der Technikgeeks Wired kürzlich in einem erstaunlichen Anfall von Selbstzweifel. Und auch der CNN-Journalist Peter Hamby kommt in einer Studie, die nun in der New York Times rezipiert wurde, zu dem Ergebnis, dass die amerikanischen Medienöffentlichkeit zu "einem gigantischen twitternden Klümpchen" verkommen sei.

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