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Still sitzen ist nicht

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Zu Besuch bei einem, der stets alles erklären will: Ranga Yogeshwar macht seit 20 Jahren "Quarks & Co"

Ranga Yogeshwar ist ein eitler Fatzke, ein unerträglicher Besserwisser, und außerdem sollte er doch einfach mal die Klappe halten. Man bekommt so einiges an deftigem Urteil mit auf den Weg, wenn man ankündigt, dem berühmten Wissenschaftsjournalisten einen Besuch abzustatten. Eindeutig hat der Mann das Zeug, Menschen zu nerven. Er weiß alles, kann das meiste klug erklären und sieht für einen 54-Jährigen auch noch ziemlich gut aus.



Fernseh-Physiker Ranga Yogeshwar

In der Tat kann man Yogeshwar einen Besserwisser nennen. Das lässt sich ja durchaus auch positiv lesen. Er weiß halt viel. Mit der Forderung, er solle doch mal eine Weile die Klappe halten, stößt man indes auf Granit. Dieser Mann kann nicht die Klappe halten. Von dem Moment, da er die Tür seines Hauses in Hennef öffnet, redet er, erklärt und klickt auf seinem Computer irgendetwas herbei, das der Besucher unbedingt sehen muss. Immer aktiv, obwohl ihn gerade ein Grippeanflug plagt. Still sitzen ist nicht. Absurd die Vorstellung, mit einem wie Yogeshwar den Abend vor dem Fernseher zu verdaddeln. Flasche Bier und Beine hoch - undenkbar. Am besten kriegt man so einen mit der umgedrehten Hundehalterlogik beschrieben: Der will nicht spielen, der tut was.

Der muss was tun. Das haben ihm die Eltern - der Vater ein indischer Ingenieur, die Mutter eine luxemburgische Künstlerin - vorgelebt damals in Luxemburg, das hat er verinnerlicht. "Wenn du das Gefühl hast, du kannst etwas für die Entwicklung der Gesellschaft beitragen, dann stiehl dich nicht davon und sage: Es bringt sowieso nichts", fordert er. Immer alert, immer auf dem Sprung für das nächste Projekt, das interessant wirkt oder abgehakt werden muss. Gestern die Goldene Henne entgegennehmen, aber im Gepäck schon das Interview mit dem Physiker Peter Higgs, das im Oktober auf den Bildschirm kommt. Und dann sind da die Vorbereitungen fürs Jubiläum. Am Montag feiert die Wissenssendung Quarks & Co ihren 20.Geburtstag. Sogar Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat sich angekündigt.

Wer es im Fernsehen auf 20 Jahre bringt, gehört zu jenen, die für Tradition stehen. In der schnelllebigen Branche ist alles jenseits der sechs Monate schon ein Langläufer. Da katapultiert einen die Tatsache, dass man seit 20 Jahren das Gleiche tut, schon in biblische Altersränge. Vor 20 Jahren gab es im deutschen Fernsehen noch kaum ansehnliche Wissenssendungen und beim WDR noch keine Quotenmessung. Damals machte man Programm, weil man es für sinnvoll erachtete. Später kam ein Programmchef und führte Quote und Farben ein: Grün für Erfolg, Rot für das Gegenteil. Bei Quarks & Co stand wider Erwarten ganz viel Grün. "Auf einmal sah man, dass Wissenschaft viel besser funktionierte, als man bis dahin geglaubt hatte", sagt Yogeshwar.

Auf acht Redakteure und 50 freie Mitarbeiter kann sich Yogeshwar stützen. Fragt man, was er denn für Quarks & Co ist, bekommt man eine Verwunderung auslösende Antwort. "Ich bin freier Journalist", sagt er. Seit 2008 ist er raus aus dem festen WDR-Dienst. Trotzdem mischt er bei vielem mit. Er muss das, er kann nicht anders.

Manchmal würde Yogeshwar gerne weniger machen, nicht überall auftauchen, wo es etwas zu erklären gibt. Sagt er. Muss man nicht glauben, denn da ist diese ewige Verführung, der Gedanke, doch etwas bewirken zu können. Auch wenn er dafür bunte Jacketts anziehen und auf die ARD-Showbühne muss. Gemeinsam mit Frank Elstner bestreitet er regelmäßig Die große Show der Naturwunder, die natürlich auch Missionsgebiet ist. Fragt man Yogeshwar, ob er so einen Primetime-Klimbim denn wirklich braucht, klickt er sich in seinen Computer und präsentiert Grafiken und Tabellen. "Wenn man die Zuschaueranalysen anschaut, merkt man, dass die Leute Inhalt lieben", sagt er. "Die Leute wollen Erklärungen. Kandidatengespräche und Moderatorenleistungen sind da weit weniger wichtig."

Ähnliche Erkenntnisse gibt es bei Quarks & Co. Um die 440 Ausgaben stehen dort in der Bilanz. Nahe an die Millionengrenze kommt die Zuschauerzahl der Sendung, die in NRW mit 8,2 Prozent Marktanteil über dem Senderschnitt des WDR Fernsehens liegt. "Quarks ist der Beleg, dass der Zuschauer mündigeres Programm will, als es viele Macher glauben", sagt Yogeshwar. Seine Botschaft an alle Kollegen: Traut euch. Er hat sich für Quarks gezielt betrunken, hat große Experimente mitinszeniert, ist um die halbe Welt gereist. Natürlich eckt so einer immer wieder mal an.

Bei Wissen vor 8, dem Aufklärungsclip im Vorabendprogramm wollte er Umwälzung. "Ich habe gesagt: Lasst uns breit die Farbe des Verstehens auftragen", erinnert er sich. Bei Verantwortlichen allerorten ist er vorstellig geworden, hat den Vorschlag gemacht, die in Zeiten des Internets unsinnigen Börsenberichte und das Wetter zu kippen, stattdessen eine halbe Stunde zu senden. Aber die Verantwortlichen seien nicht wirklich interessiert gewesen. "Ich bin gescheitert, weil ich immer etwas ändern wollte", sagt nun der Mann, der das Format anfangs auf den Schirm gebracht hat und mitansehen musste, wie eine Weiterentwicklung an Machtfragen und Desinteresse der Apparatschiks scheiterte. Also schied er vor ein paar Jahren bei Wissen vor 8 aus und schaut nun mit Grausen auf das, was aus seinem Kind wurde. Er sagt das mit dem Grausen nicht - man sieht es ihm an.

Besser geht es ihm da mit dem aktuellen Jubilar. "Quarks ist in guten Händen", sagt Yogeshwar. "Ich bin jetzt in dem Alter, in dem meine Kinder das Haus verlassen. Eltern müssen ihren Kindern vertrauen." Währenddessen sind aus einem Nachbarzimmer anspruchsvolle Klaviertöne zu hören. Die Tochter übt. Am Montag soll sie bei der Feier vorspielen.

Zum Abschied will er noch ein Glas Marmelade aushändigen. Selbst gemacht aus frisch gepflückten Brombeeren, versehen mit den GPS-Koordinaten des Brombeerstrauchs. "Größtmögliche Transparenz", sagt Yogeshwar und grinst. Und dann erklärt er noch etwas und noch etwas. Und dann will er noch etwas zeigen. Am Ende bleibt die Marmelade unüberreicht, aber der Kopf des Besuchers schwirrt vor lauter Erkenntniskonfitüre und der Überzeugung, dass dieser Mann nie genug erklärt haben wird. Man muss das nicht mögen, aber ein Erlebnis ist es schon.

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