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Der Präsident profitiert vom Sturm im Wettbewerb mit Romney


Der Präsident ist überall. Auf allen TV-Kanälen ist Barack Obama zu sehen: Er herzt weinende Sturm-Opfer, er verspricht vor der Kulisse zerstörter Häuser Hilfe aus Washington ('Wir sind für Sie da!'). Und er führt vor, da er Arm in Arm mit dem Republikaner Chris Christie, dem hemdsärmeligen Gouverneur des Bundesstaates New Jersey, durch die Trümmer des Inselörtchens Brigantine schreitet, worauf es ankommt in solchen Tagen nationaler Prüfung: 'Dies erinnert uns daran, worum es in Amerika letztlich geht', spricht der Präsident. 'Wir machen harte Zeiten durch, aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Denn wir kümmern uns umeinander, und wir lassen niemanden im Stich.'



Nach dem Sturm zurück zum Wahlkampf: Obama hält eine Rede in Green Bay im Bundesstaat Wisconsin.

Ja, der Präsident ist im Bilde - jede Stunde, in allen Nachrichten. Schon deshalb ist Obama, so zynisch dies klingen mag, ein Katastrophen-Gewinnler: Hurrikan Sandy, der exakt eine Woche vor der Präsidentschaftswahl Amerikas Nordost-Küste heimsuchte, hat dem Demokraten Rückenwind beschert. Mitt Romney, sein Herausforderer, wird derweil ausgeblendet: Vom gleichzeitigen Wahlkampf des Republikaner in den ruhigen Gestaden Floridas nahm niemand Notiz. Nur seine Erklärung, auch unter einer republikanischen Regierung werde 'Fema' - die nun hochaktive Katastrophenschutz- und Nothilfe-Behörde der Bundesregierung - stets 'eine Schlüsselrolle spielen' und 'die nötigen Mittel' haben, sorgte für ein wenig Aufsehen. Noch voriges Jahr hatte Romney verkündet, er wolle Femas Aufgaben an die Bundesstaaten delegieren oder gar privatisieren. Romney, dem eh das Image eines Wendehalses anhängt, sah sich von Sandy zur Selbstkorrektur genötigt.

Noch gibt es keine verlässlichen Umfragen, die den Einfluss des Sturmes auf den Wahlgang prognostizieren. Aber die Washington Post meldet, acht von zehn Befragten hätten ihren Demoskopen am Abend des vergangenen Dienstags geantwortet, Obama leiste entweder einen 'ausgezeichneten' oder doch wenigstens 'einen guten Job' angesichts von Sturm und Flut. Ähnlich positiv fiel das Urteil über die Krisenreaktion der Bundesregierung insgesamt aus. Das ist durchaus von Wert in einem Wahlkampf, in dem beide Lager geradezu fundamentalistisch um die rechte Balance von Staat und Markt streiten. Dass Washington - in den Augen vieler US-Bürger längst ein Synonym für Versagen - diesmal seinen Nutzwert beweist, mag den Demokraten helfen. Unterm Strich jedoch vermeldet die Zeitung ein Patt: Obama wie Romney genießen laut Post den Rückhalt von jeweils 49 Prozent der Wähler.

Das lauteste Lob für sein Krisenmanagement erntet Obama seit Tagen ausgerechnet von einem Republikaner. Chris Christie, der stets vollmundige Gouverneur von New Jersey war bereits am Morgen nach Sandys Verwüstungen vor die Kameras getreten und hatte den 'unermüdlichen Einsatz' des Präsidenten gepriesen. Am Mittwoch zog der Republikaner mit Obama stundenlang durchs Krisengebiet seines Bundesstaates, um anschließend seine 'großartige Arbeitsbeziehung' mit dem Amtsinhaber zu bezeugen. Der Präsident sei, noch ehe Sandys Unheil hereinbrach, 'sofort in Aktion gesprungen', lobte Christie. Solcherlei Beweis überparteilicher Zusammenarbeit kommt an bei einem Wahlvolk, das der giftigen Kampagnen inzwischen müde ist. Fragen, ob er seinem Parteifreund Romney nicht schade, wies Christie empört zurück: 'Wer glaubt, ich würde mich jetzt einen Teufel um die Präsidentschaftswahl scheren, der kennt mich nicht.'

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