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Singen für ein neues Leben

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„Ich wünsche mir die Freiheit, mein Leben selbst zu regeln“, rappt der 25-jährige Pascal. Der Wunsch des in München geborenen Deutsch-Franzosen wirkt bescheiden. Doch viele der zwanzig Sänger und Sängerinnen, mit denen Pascal bei den Poetricks musiziert, kennen ein anderes, ein fremdbestimmtes Leben.



Musik hat integrative Kraft.

Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kamen sie nach München. Einige von ihnen lernte die Musiktherapeutin Doris Kohlenberger in einer Kunstwerkstatt kennen, die Refugio, ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer, in Flüchtlingsheimen anbietet. Weil sie schon immer den Traum hatte, „München mit kleinen Tina Turners zuzupflastern“, wie Kohlenberger sagt, förderte sie in jenen Heimen junge Sängerinnen, die bald schon, als Shining Sisters formiert, Freundinnen zu den Proben mitbrachten, die sie außerhalb der Flüchtlingsheime kennengelernt hatten. Damit unterstützte das Projekt den Schritt der Flüchtlinge heraus aus ihrer Isolation. Zur selben Zeit arbeiteten andere junge Flüchtlinge, ebenfalls von Refugio unterstützt, mit dem Komponisten und Produzenten Patrick Maresh vom Westendstudio zusammen. Daraus entstand die Hip-Hop-Formation Cross De Borders, die die Shining Sisters auf einem gemeinsamen Konzert kennenlernten, wo die Schwestern die Hip-Hopper zudem als Background-Sängerinnen unterstützten.

Statt in Konkurrenz zu treten, wollten die jungen Menschen von Anfang an gemeinsam musizieren. Also gründeten sie das ebenfalls von Kohlenberger und Maresh unterstützte Gemeinschaftsprojekt Poetricks, das sich bewusst nicht als eine Band sieht, sondern als ein Kollektiv von Musikern, die hier in wechselnden Formationen zusammen musizieren. „Tatsächlich scheint niemand auf den Erfolg der anderen neidisch zu sein. Die Lieder schreiben sie oft zusammen, oder jeder steuert eine Strophe bei“, freut sich Kohlenberger über die Zusammenarbeit ihrer Gesangstruppe, die mittlerweile immerhin zwanzig Mitwirkende aus achtzehn Nationen vereint. Die Themen ihrer Songs bespricht die Gruppe gemeinsam. Weil die Texte oft mehrsprachig ausfallen, werden sie für die interne Besprechung stets übersetzt.

Zweimal hintereinander gewannen die Poetricks den Münchner Street Art Contest von Bunt Kickt Gut. Doch auch jenseits eines auf Hip-Hop spezialisierten Publikums überzeugen die Sänger und Sängerinnen mit ihrer Spielfreude, der sich kein Zuschauer entziehen kann. „Bühne frei! Die Welt wartet auf viele Hauptdarsteller“, singen die Poetricks mit einer Zuversicht, die der Hoffnung auf ein neues Leben entspringt und ihnen die Augen geöffnet hat. „Zweifel macht blind!“ ermahnen sie diejenigen, die die Möglichkeiten aus Angst zu scheitern, ungenutzt lassen. Letztes Jahr erhielten die Poetricks immerhin auch den Integrationspreis 2012 der Regierung von Oberbayern.

Am Donnerstag, 19. Dezember, präsentieren Cross De Borders, Shining Sisters und Poetricks eine gemeinsame CD im Rahmen einer Fotoausstellung von Refugio in der Black Box im Gasteig. Konzertbeginn ist um 20 Uhr. Die Ausstellung, die Fotos von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zum Thema „Status“ zeigt, ist bereits von 19.30 Uhr an zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

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