Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Die Macht der tausend Sensoren

$
0
0
Was ist bloß los mit diesen Nerds? Irgendwie hat man den Eindruck, die reden seit Jahren dasselbe: Smartphones? Gähn. Fitness-Messgeräte? Gibt es doch schon jede Menge. Internet im Auto? Ja und? Die Reihe ließe sich fortsetzen, weshalb die Frage berechtigt ist: Wann eigentlich kommt das nächste große Ding? Eine Technik, die alles so radikal verändert wie vor gut 20 Jahren das World Wide Web. Ein Gerät, das fast alles besser macht als seine Vorgänger so wie vor sieben Jahren Apples iPhone. Vielleicht kommt es ja auf der Consumer Electronics Show (CES), die am Dienstagabend hiesiger Zeit in Las Vegas eröffnet wurde.

Doch viel wahrscheinlicher ist, dass sich eine Entwicklung vollzieht, die sich nicht so sehr an einzelnen Techniken und Geräten festmachen lässt. Eine Entwicklung, die im Hintergrund geschieht, die längst bestehende Techniken und Gerätekategorien integriert und aus vielen Einzelheiten eine Summe erzeugt, deren Bedeutung die der einzelnen Teile bei weitem übersteigt. Woher man das weiß? Ganz einfach: Diese Entwicklung hat längst begonnen.

Manches ist bereits derart in den Alltag vieler Menschen eingesickert, dass es oft nur noch diejenigen bemerken, die nicht mitmachen: Mittlerweile ist es zum Beispiel ziemlich schwierig, einen jüngeren Menschen in Bus oder Bahn zu finden, der nicht regelmäßig oder sogar ständig auf Smartphone oder Tablet starrt. Doch warum ist das so? Mal abgesehen davon, dass viele froh sind, nicht an ihren großstädtischen Mitbewohnern vorbei gucken zu müssen, liegt es daran, dass Smartphones und Tablets eine integrierende Funktion haben.



Ein Leben ohne Smarthphone? Für viele kaum vorstellbar - Alltag und Technik rücken immer näher zusammen.

Integrierend bedeutet dabei nicht nur, dass man mit den Geräten so viel anstellen kann: Musik hören, Videos gucken, Nachrichten hin- und herschicken, telefonieren, Fotos und Videos machen und eine Menge mehr. Die kleinen Bildschirm-Computer – das ist das Entscheidende – sind auch ein Fenster in eine Welt, die erst durch sie und mit ihnen entstanden oder wenigstens groß geworden ist. Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke laufen schließlich erst dann zu Höchstform auf, wenn man sie nutzen kann, wo immer man auch ist. Ein Taxi-Service ergibt vor allem dann Sinn, wenn man ihn auch und vor allem unterwegs nutzen kann. Längst hat die nahezu hundertprozentige Verbreitung von Smartphones bei jungen Menschen das Sozialverhalten verändert. Sie kommunizieren untereinander über Kanäle, die es bis vor einigen Jahren noch gar nicht gab, sie machen fast nichts mehr fest aus, sondern planen spontan mithilfe ihrer Mobiltelefone. Ob bewusst oder unbewusst: Wer mobile Geräte und Dienstleistungen nutzt, beschäftigt oft eine ganze Armada von Computern im Hintergrund. Ein simpler Eintrag bei Facebook löst in deren Rechenzentrum eine ganze Welle an Datenbank-Operationen aus, ebenso wie eine Google-Abfrage Hunderte Server-Rechner beschäftigen kann.

Ein anderes Beispiel: Karten-Programme stellen mittels GPS-Chip im Handy fest, wo dieses sich befindet, fragen Datenbanken ab, in denen gespeichert ist, wie dicht der Verkehr zu einer bestimmten Tageszeit üblicherweise ist. Während der Fahrt bekommen das Smartphone oder auch das computergestützte Navi im Auto in Echtzeit Daten aus verschiedenen Quellen darüber, ob der Verkehr auf der geplanten Route gerade fließt oder nicht.

Viel Zulauf hat in den vergangenen Jahren eine Bewegung erhalten, die sich dem Quantified Self widmet, der Vermessung des eigenen Körpers also. Sensoren am Armgelenk, in der Hosentasche, im Schuh oder unter der Matratze messen, ob sich der Nutzer genug bewegt, wie gut er schläft. Die Messergebnisse werden an Smartphones übergeben und/oder auf dem PC gespeichert.

Der französische Anbieter Coyote vertreibt ein kleines Kästchen mit Berührungsbildschirm, das der Nutzer aufs Armaturenbrett klebt. Es weiß via GPS, wo es ist, kommuniziert via Mobilfunk mit der Zentrale und kann somit die Informationen anzeigen, die andere Coyote-Besitzer eingegeben haben, zum Beispiel eine Baustelle oder auch einen mobilen Blitzer. Nutzen genügend Leute den Dienst, sind die Anzeigen auch zuverlässig.

Auch Smart Cities wie etwa das spanische Santander machen ihre Bewohner zu freien Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung, die im Gegenzug aus all den Daten, die diese mit ihren Smartphones erfassen, sinnvolle Informationsangebote zur Verfügung stellt. Beispielsweise, wie die Verkehrslage in der Stadt gerade ist und wann die Mülltonnen geleert werden müssen.

Ähnliches könnte sich – in kleinerem Rahmen – auch im Haus abspielen. Vom Smart Home wird zwar schon lange geredet, vielleicht sogar schon zu lange. Allmählich aber reifen die Techniken heran, die eine häusliche Vernetzung tatsächlich nutzbringend machen könnten. Solarzellen auf dem Dach, eine Brennstoffzelle im Keller, dazu Batteriespeicher – noch mag das Zukunftsmusik sein. Klar ist, dass man die Techniken nur im Verbund sinnvoll betreiben kann, und dazu ist eine Vernetzung nötig, die reibungslos und plattformübergreifend funktioniert.

Natürlich bleibt es nicht aus, dass die Hersteller von Kommunikations- und Unterhaltungselektronik auf Messen wie der CES Neuheiten mit einem Pathos präsentieren, das die Vorjahresmodelle ganz bewusst alt aussehen lassen soll. Zu beobachten ist aber, dass mittlerweile nicht mehr die reine Technik – also etwa die Prozessor-Geschwindigkeit – im Vordergrund steht, sondern das, was man damit anfangen kann. Und zusehends wächst auch ein Bewusstsein dafür heran, dass all die neuen Geräte und ihre Vernetzung nicht immer nur Vorteile bringen müssen. Wer sich mit Sensoren behängt, Smartphones und soziale Netzwerke und andere Dienste intensiv nutzt, der macht sich auch in bisher nicht gekanntem Maß gläsern.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345