Am Anfang musste alles ganz schnell gehen. Kaum war Andrea Nahles Bundesarbeitsministerin geworden, sollte die frühere SPD-Generalsekretärin schon liefern. Damit das Rentenpaket der großen Koalition wie angekündigt bereits zum 1.Juli 2014 in Kraft treten kann, war ein Kraftakt nötig: Nahles brauchte binnen weniger Wochen einen Entwurf, seit einer Woche liegt er auf dem Tisch. Schon in den Weihnachtsferien hatte sie sich deshalb mit den Fachleuten ihres Ministeriums „intensiv dahintergeklemmt“. Die Rentenbeschlüsse so schnell in Paragrafen zu gießen, sei, „offen gesagt, für unser Haus ein Husarenritt“, sagte die SPD-Politikerin im SZ-Interview.
Nun scheint Nahles dabei erstmals ins Stolpern zu geraten. Bei der kurzfristig einberufenen Verbände-Anhörung an diesem Montag kam heraus, dass sich die geplante abschlagsfreie Rente mit 63 für langjährig Versicherte – zumindest so wie im Entwurf des Arbeitsministeriums vorgesehen – nicht umsetzen lässt. Dies ergibt sich aus einer Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Andrea Nahles, die neue Bundesarbeitsministerin, ist sich ihrer schwierigen Lage bewusst: Rentenbeschlüsse der großen Koalition so schnell in Paragrafen zu gießen, sei "ein Husarenritt".
Die Tücke steckt dabei wieder einmal im Detail: Von der Rente mit 63 sollen Versicherte mit 45 Beitragsjahren profitieren. Können Arbeitnehmer diese sogenannte Wartezeit vorweisen, dürfen sie mit 63 Jahren ohne die in diesem Alter sonst fälligen Abschläge aufs Altersgeld in den Ruhestand gehen. Mitgezählt bei den 45 Jahren sollen nach den Plänen auch Zeiten der kurzfristigen Arbeitslosigkeit werden, in denen Arbeitslosengeld I bezogen wurde. Langzeitarbeitslose hätten demzufolge von der Rente mit 63 nichts, da das Ministerium den Bezug der früheren Arbeitslosenhilfe oder von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) nicht berücksichtigen will. Nur: Wer weiß überhaupt, welcher Versicherte wann welche Form von Arbeitslosengeld erhalten hat? Die zuständige Rentenversicherung jedenfalls schon mal nicht.
Die Rentenversicherung hält eine vollmaschinelle Prüfung der 45 Jahre für "nicht möglich"
In deren Stellungnahme heißt es eindeutig: Eine vollmaschinelle Prüfung der 45 Jahre Wartezeit sei „nicht möglich. Auf der Grundlage der Daten, die bei den Rentenversicherungsträgern in den Versicherungskonten gespeichert sind, kann zwischen Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe nicht differenziert werden“. Dieses Problem bestehe zwischen Juli 1978 und Januar 2001 – also Zeiten, die für die Berechnung der Rente mit 63 relevant wären. Das wäre nicht so schlimm, könnte die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Datenlücke füllen. Doch die kann auch nicht.
Die BA hat Daten – hebt sie aber nicht so lange auf. „Wir löschen alle elektronisch gespeicherten Angaben über Zeiten der Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren, weil sie für uns nicht mehr erforderlich sind“, sagt eine Sprecherin der Nürnberger Behörde.
Bleiben nur die Versicherten selbst. Doch auch da warnt die Rentenversicherung: Häufig werde es der Fall sein, dass die Arbeitnehmer über einen so langen Zeitraum nicht mehr über die erforderlichen Unterlagen verfügen. Im Arbeitsministerium wird deshalb bereits diskutiert, ob die Versicherten nicht durch eine „Glaubhaftmachung“ oder eidesstattliche Versicherung zurechnungsfähige Zeiten der Arbeitslosigkeit nachweisen könnten, wenn keine schriftlichen Unterlagen mehr vorliegen. Das allerdings ist ebenfalls heikel. Es könnte dem Missbrauch Tür und Tor öffnen, die Rentenversicherung hätte eine Menge Papiere zu prüfen.
Hinzu kommen verfassungsrechtliche Bedenken: Laut Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht sind alle Menschen gleich zu behandeln, sofern es nicht gewichtige Gründe für eine Ungleichbehandlung gibt. Der Rentenversicherung erscheint es daher „zweifelhaft“, ob die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit „sachlich zu rechtfertigen ist“.
Neu-Ministerin Nahles hat deshalb ein Problem: Sie muss nachjustieren oder alle Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigen, dann aber nur für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel so wie zunächst angedacht für fünf Jahre. Das ist auch eine Kostenfrage. Schon jetzt sind für die Rente mit 63, von der vor allem männliche Facharbeiter profitieren dürften, in der Endphase 3,1 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Der Rentenexperte der CDU, Peter Weiß, sagt: „Das Problem der Abgrenzung bei den Zeiten der Arbeitslosigkeit lässt sich nicht so einfach lösen, wie es so locker im Referentenentwurf steht.“ Auch müsse eine Abgrenzung zwischen den Zeiten der Kurz- und Langzeitarbeitslosigkeit „gerichtsfest sein“. Er hofft dabei auf juristische Hilfe vom Justiz- und vom Innenministerium. „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass uns die Sozialgerichte das Gesetz wieder auseinandernehmen.“
Nun scheint Nahles dabei erstmals ins Stolpern zu geraten. Bei der kurzfristig einberufenen Verbände-Anhörung an diesem Montag kam heraus, dass sich die geplante abschlagsfreie Rente mit 63 für langjährig Versicherte – zumindest so wie im Entwurf des Arbeitsministeriums vorgesehen – nicht umsetzen lässt. Dies ergibt sich aus einer Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Andrea Nahles, die neue Bundesarbeitsministerin, ist sich ihrer schwierigen Lage bewusst: Rentenbeschlüsse der großen Koalition so schnell in Paragrafen zu gießen, sei "ein Husarenritt".
Die Tücke steckt dabei wieder einmal im Detail: Von der Rente mit 63 sollen Versicherte mit 45 Beitragsjahren profitieren. Können Arbeitnehmer diese sogenannte Wartezeit vorweisen, dürfen sie mit 63 Jahren ohne die in diesem Alter sonst fälligen Abschläge aufs Altersgeld in den Ruhestand gehen. Mitgezählt bei den 45 Jahren sollen nach den Plänen auch Zeiten der kurzfristigen Arbeitslosigkeit werden, in denen Arbeitslosengeld I bezogen wurde. Langzeitarbeitslose hätten demzufolge von der Rente mit 63 nichts, da das Ministerium den Bezug der früheren Arbeitslosenhilfe oder von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) nicht berücksichtigen will. Nur: Wer weiß überhaupt, welcher Versicherte wann welche Form von Arbeitslosengeld erhalten hat? Die zuständige Rentenversicherung jedenfalls schon mal nicht.
Die Rentenversicherung hält eine vollmaschinelle Prüfung der 45 Jahre für "nicht möglich"
In deren Stellungnahme heißt es eindeutig: Eine vollmaschinelle Prüfung der 45 Jahre Wartezeit sei „nicht möglich. Auf der Grundlage der Daten, die bei den Rentenversicherungsträgern in den Versicherungskonten gespeichert sind, kann zwischen Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe nicht differenziert werden“. Dieses Problem bestehe zwischen Juli 1978 und Januar 2001 – also Zeiten, die für die Berechnung der Rente mit 63 relevant wären. Das wäre nicht so schlimm, könnte die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Datenlücke füllen. Doch die kann auch nicht.
Die BA hat Daten – hebt sie aber nicht so lange auf. „Wir löschen alle elektronisch gespeicherten Angaben über Zeiten der Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren, weil sie für uns nicht mehr erforderlich sind“, sagt eine Sprecherin der Nürnberger Behörde.
Bleiben nur die Versicherten selbst. Doch auch da warnt die Rentenversicherung: Häufig werde es der Fall sein, dass die Arbeitnehmer über einen so langen Zeitraum nicht mehr über die erforderlichen Unterlagen verfügen. Im Arbeitsministerium wird deshalb bereits diskutiert, ob die Versicherten nicht durch eine „Glaubhaftmachung“ oder eidesstattliche Versicherung zurechnungsfähige Zeiten der Arbeitslosigkeit nachweisen könnten, wenn keine schriftlichen Unterlagen mehr vorliegen. Das allerdings ist ebenfalls heikel. Es könnte dem Missbrauch Tür und Tor öffnen, die Rentenversicherung hätte eine Menge Papiere zu prüfen.
Hinzu kommen verfassungsrechtliche Bedenken: Laut Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht sind alle Menschen gleich zu behandeln, sofern es nicht gewichtige Gründe für eine Ungleichbehandlung gibt. Der Rentenversicherung erscheint es daher „zweifelhaft“, ob die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit „sachlich zu rechtfertigen ist“.
Neu-Ministerin Nahles hat deshalb ein Problem: Sie muss nachjustieren oder alle Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigen, dann aber nur für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel so wie zunächst angedacht für fünf Jahre. Das ist auch eine Kostenfrage. Schon jetzt sind für die Rente mit 63, von der vor allem männliche Facharbeiter profitieren dürften, in der Endphase 3,1 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Der Rentenexperte der CDU, Peter Weiß, sagt: „Das Problem der Abgrenzung bei den Zeiten der Arbeitslosigkeit lässt sich nicht so einfach lösen, wie es so locker im Referentenentwurf steht.“ Auch müsse eine Abgrenzung zwischen den Zeiten der Kurz- und Langzeitarbeitslosigkeit „gerichtsfest sein“. Er hofft dabei auf juristische Hilfe vom Justiz- und vom Innenministerium. „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass uns die Sozialgerichte das Gesetz wieder auseinandernehmen.“