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Problem ohne Priorität

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Europas Bürger sorgen sich mehr um ihre wirtschaftliche Situation als um langfristige Klimaveränderungen. Im Vergleich der weltweit am dringendsten zu lösenden Probleme ist der Kampf gegen den Klimawandel auf Rang drei abgerutscht, hinter den Kampf gegen Armut, Hunger und für sauberes Trinkwasser sowie für eine bessere wirtschaftliche Lage. 2011 lag das Klima noch vor wirtschaftlichen Erwägungen. Das ergab eine Umfrage der Meinungsforscher von TNS im Auftrag der Europäischen Kommission, die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard an diesem Montag in Brüssel vorstellen will. Die Spezialausgabe des „Eurobarometer Klima“ liegt der Süddeutschen Zeitung vor.



Das schmelzende Eis in der Antarktis nimmt keine Rücksicht auf die Eurokrise

Vier von fünf Bürgern seien zugleich überzeugt, dass umweltfreundliches Wirtschaften und die effizientere Verwendung von Energie zu einem Boom an Arbeitsplätzen führen könne, heißt es weiter. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) finde, dass ihre nationale Regierung verantwortlich dafür sei, den Klimawandel zu stoppen. Deutlich weniger, nämlich 39Prozent, siedeln diese Verantwortung bei der Europäischen Union an. Nur jeder zweite Bürger gibt an, selbst etwas gegen den Klimawandel zu tun, etwa Müll zu reduzieren und zu trennen. Vor zwei Jahren waren es noch 53 Prozent der Befragten.

Langfristig, so die Forscher, hielten neun von zehn Europäern den Klimawandel für ein sehr ernstes (69 Prozent) oder ziemlich ernstes Problem (21 Prozent). Die dramatische Krise der vergangenen Jahre habe jedoch dazu geführt, dass Armut und Arbeitslosigkeit als kurzfristig drängende Probleme häufiger genannt würden als bei der letzten Umfrage 2011. Vor allem Bürger in den am meisten von der Krise getroffenen Ländern wie Griechenland, Zypern, Malta, Spanien oder Irland plädierten für strengere Klima- und Effizienzziele.

Dass viele Bürger neue Jobs als dringlicher einstufen als den Kampf gegen Klimawandel, spielt jenen nationalen Regierungen in die Hände, die sich ohnehin gegen weitere Klimaziele sperren. Diesen Montag und Dienstag werden sich in Brüssel die für Umwelt und die für Energie zuständigen Minister aus den 28 EU-Ländern treffen, um über die Klimaziele für 2030 zu beraten. Die Lage ist heikel. Eine Gruppe von ost- und südosteuropäischen Ländern, angeführt von Polen, würde gern keine weiteren Verpflichtungen eingehen. „Es werden schwierige Tage“, sagte ein hoher Diplomat eines großen EU-Landes am Sonntag.

Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission, wonach sich die 28 Länder verpflichten sollen, bis 2030 etwa 40 Prozent weniger klimaschädliches Kohlendioxid auszustoßen als 1990. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und weitere Staaten unterstützen die Idee grundsätzlich. Heftig umstritten ist aber, wie eine europäische 40-Prozent-Marke in 28 nationale Ziele umgerechnet wird.

Weigern sich die Osteuropäer, an der Verteilung der Lasten teilzunehmen, müssten andere Länder zwangsläufig zusätzliche Verpflichtungen eingehen, um die 40Prozent europaweit zu erreichen. Strittig ist auch, ob es weitere Ziele geben soll. Laut Eurobarometer finden es 92 beziehungsweise 90 Prozent der Bürger „wichtig“, dass sich die Regierungen um mehr Energieeffizienz kümmern und nationale Ziele zum Ausbau der Ökoenergien bis 2030 setzen, was bisher nicht geplant ist.

Die Zeit drängt. Am 20.März wollen die Staats- und Regierungschefs auf ihrem EU-Gipfel in Brüssel über die 40-Prozent-Marke nebst nationaler Lastenteilung beraten, ein weiteres Gipfeltreffen ist im Juni geplant. Im Herbst beginnen die Vorbereitungen für die internationale Klimakonferenz, die Ende 2015 in Paris stattfindet und auf der gelingen soll, was 2009 in Kopenhagen scheiterte: ein völkerrechtlich verbindliches Klimaschutzabkommen zu unterschreiben. Die Eurobarometer-Umfrage wurde Ende 2013 in allen 28 EU-Ländern durchgeführt.

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