Das also ist die Welt: Das Grüne unter den Beinen, das muss dieses Gras sein, oben das Blaue der Himmel, und das große Weiße, das ist Mama, die kennen wir schon. Rundherum stehen komische Wesen auf zwei Beinen, halten schwarze Kästen vors Gesicht und machen Klickklickklick. Gut, dass so etwas Durchsichtiges, Hartes zwischen denen und uns ist, sonst würden sie womöglich noch näher rücken, und wer weiß, vielleicht sind sie ja gefährlich.
Die kleinen Eisbären an ihrem ersten Tag im Freigehege
Der große Moment, auf den mindestens ganz München seit Wochen gewartet hat: Ein Schieber öffnet sich und herausspaziert Giovanna, gefolgt von zwei weißen Schneebällen auf vier Beinen. Na ja, weiß: Jede Mutter weiß, dass kaum etwas schwerer sauber zu halten ist als Kinder, und deshalb sind auch Giovannas durchaus etwas schmutzig, das kleinere ein bisschen mehr, aber das ist ja auch der Junge. Die beiden Eisbären-Babys schlurfen ins Freie und schauen sich erst mal um.
Am 9. Dezember hat Giovanna die beiden Bärchen zur Welt gebracht, seitdem blieben die drei im so genannten Mutter-Kind-Haus, eine leicht euphemistische Bezeichnung für eine Beton-Höhle, die durch ein paar Schaufeln Hackschnitzel etwas Wohnlichkeit bekam. Die Jungen, bei der Geburt von der Größe eines Meerschweinchens, taten während dieser Zeit nicht sehr viel mehr als zu trinken, zu schlafen – und zu wachsen. Giovanna ließ sie keinen Augenblick allein, denn in freier Wildbahn würde das Lebensgefahr für die Kleinen bedeuten. Für die Mutter hieß das aber auch, dass sie seit 14 Wochen praktisch nichts gefressen hat – eine Tortur ohne Frage, aber welche Frau hätte nicht gerne nach der Geburt schnell wieder ihr Idealgewicht?
60 Kilogramm hat Giovanna abgenommen, perfekt für den „ersten Pressetermin“, wie es in der Zoo-Mitteilung heißt, als würden Verlautbarungen verlesen werden. Um Ausschreitungen zu verhindern, ist am Boden vor der gläsernen Trennwand vermerkt, wer seine Kamera wo aufstellen darf. Zu größerem Gerangel kommt es aber nicht, die Eisbären wurden offenbar gut gebrieft und halten sich genau dort auf, wo alle Kameraleute freie Sicht haben.
Die beiden Kleinen haben sichtlich Spaß, sie tollen herum, klettern auf einen umgefallenen Baumstamm, balgen sich und kuscheln zwischendurch doch ganz gerne wieder in Mutters Fell. Andreas Knieriem, der Zoodirektor, sagt, für Giovanna seien zwei Kinder besser als eines, denn die könnten auch mal miteinander spielen und würden nicht immer an der Mutter hängen, eine Erfahrung, die menschliche Eltern durchaus bestätigen dürften.
Nicht so typisch menschlich ist, dass sich der Vater aus dem Staub gemacht hat: Yoghi wurde nach Stuttgart deportiert, weil dort erstens ein Eisbären-Mann fehlte und weil er in München wohl gelitten hätte – und eine Gefahr darstellte. „Yoghi ist wahnsinnig verliebt in Giovanna“, sagt Andreas Knieriem. Er hätte aber von ihr und den Babys getrennt werden müssen, weil Eisbären-Väter gelegentlich die unangenehme Angewohnheit haben, ihre Jungen aufzufressen. So vergnügt sich Yoghi jetzt in Stuttgart mit einer gewissen Corinna und hat, Liebe hin, Liebe her, Giovanna alleinerziehend zurückgelassen.
Was das bedeutet, hat die Bärin gleich am Montag erfahren, als sich die Gebärhöhle zum ersten Mal öffnete, noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Giovanna kam heraus und entdeckte in dem kleinen Tümpel am Rande des Freigeländes einen! neuen! Ball! Sie stürzte sich darauf wie ein Fußballspieler nach ausgeheiltem Muskelfaserriss. Ihre Kinder, natürlich, folgten ihr – und standen plötzlich einigermaßen ratlos und erstaunt dem ihnen bis dahin unbekannten Konzept „Wasser“ gegenüber. Beziehungsweise drin, im Nassen. Da musste Giovanna erkennen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen sie tun und lassen und spielen konnte, was und wann sie wollte. Eltern-Schock also auch bei Eisbären.
Am Mittwochvormittag werden jetzt doch schon die Absperrungen abgebaut, obwohl Besucher eigentlich erst um 15 Uhr ans Gehege gelassen werden sollten: Die Radio-Leute brauchen O-Töne, und die sind von den Eisbären selbst eher schwer zu bekommen. So werden nun dutzendweise Kleinkinder, menschliche diesmal, Unterart „Dreckspatzen“, nach vorne getragen, die ihre Schmutzfinger ausstrecken und „Bärli“ ins Mikrofon stammeln.
Natürlich sind die beiden Bärlis über die Maßen süß und knuddelig, um nicht zu sagen knutelig. Darüber könnte man aber schnell vergessen, dass Eisbären keine Schmuse-, sondern Raubtiere sind, von der Natur so angelegt, dass sie später einmal noch süßere Robben-Babys erlegen und, zumindest im Fall des männlichen Jungen, ihren eigenen Nachwuchs auffressen. Das weiß auch Beatrix Köhler, die in Hellabrunn den schönen Beruf der Eisbären-Kuratorin ausübt. Alle Professionalität hindert sie aber nicht daran, „voller Freude, dass es geklappt hat“, auf Groß und Klein im Freigelände zu blicken. Auf ihrem Handy hat Köhler Links zu den Überwachungskameras in der Gebärhöhle gespeichert, so dass sie also tatsächlich Giovanna und ihre Kinder seit 14 Wochen am Herzen trägt.
Am Nachmittag, kurz vor 15 Uhr, könnte sie darauf sehen, dass jetzt Schlafenszeit ist. Trotzdem interessiert jetzt keines der anderen Hellabrunner Tiere mehr: Die Seelöwen können noch so cool wie die Surfer in ihrer Heimat Kalifornien durch die Wellen gleiten, die Königspinguine sehen endlich einmal, was sie davon haben, dass sie immer nur so tun, als würden sie gleich ins Wasser springen – alles drängt an ihnen vorbei, die meisten Besucher hatten die Ankündigung des Tierparks, um 15 Uhr werde die Absperrung geöffnet, so missverstanden, als fände zu diesem Zeitpunkt eine Art Vorführung statt. „Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit. Gehen wir noch zu den Meerschweinchen“, sagt ein Vater zu seinen Kindern, trifft aber mit diesem Vorschlag nur auf gebremste Begeisterung.
In fünf, sechs Reihen stehen die Besucher ums Gehege rum und heben Kinder oder Kameras über die Köpfe. Indes, nichts ist zu sehen. Endlich, um 15.07 Uhr, kommt Giovanna aus der Höhle – dreht aber stante pede wieder um, als sei sie erschrocken über die Besucherschar. Tatsächlich aber holt sie nun die Kleinen raus und klettert mit ihnen auf einen Felsen, so dass auch gewiss alle Leute gut hinsehen können. Die Jungen tapsen zwischen den Beinen der Mutter her, was aber völlig ausreichend ist, um eine Vielzahl von Entzückensrufen auszulösen. Eine Dame stellt unwidersprochen fest, dass die Kleinen „ja noch ganz klein“ sind.
So, jetzt ist’s aber gut – die Ausflüge ins Freie, die Überflutung mit unbekannten Reizen sind anstrengend für die kleinen Eisbären, die Aufenthalte draußen werden sich erst mit der Zeit verlängern. Nach wenigen Minuten nur gibt Giovanna das Zeichen zur Heimkehr, und, erstaunlich, die Jungen folgen sofort, was vielleicht bei mancher Mutter auf dieser Seite der Trennwand den Wunsch entstehen lässt, sich mit der Bärin über Erziehungstipps auszutauschen. Das Freigelände ist leer, die Menschen drängen zu den Imbiss-Ständen, nur der nagelneue Ball schaukelt im Tümpel. Wird noch etwas dauern, bis Giovanna ungestört damit spielen kann.
Die kleinen Eisbären an ihrem ersten Tag im Freigehege
Der große Moment, auf den mindestens ganz München seit Wochen gewartet hat: Ein Schieber öffnet sich und herausspaziert Giovanna, gefolgt von zwei weißen Schneebällen auf vier Beinen. Na ja, weiß: Jede Mutter weiß, dass kaum etwas schwerer sauber zu halten ist als Kinder, und deshalb sind auch Giovannas durchaus etwas schmutzig, das kleinere ein bisschen mehr, aber das ist ja auch der Junge. Die beiden Eisbären-Babys schlurfen ins Freie und schauen sich erst mal um.
Am 9. Dezember hat Giovanna die beiden Bärchen zur Welt gebracht, seitdem blieben die drei im so genannten Mutter-Kind-Haus, eine leicht euphemistische Bezeichnung für eine Beton-Höhle, die durch ein paar Schaufeln Hackschnitzel etwas Wohnlichkeit bekam. Die Jungen, bei der Geburt von der Größe eines Meerschweinchens, taten während dieser Zeit nicht sehr viel mehr als zu trinken, zu schlafen – und zu wachsen. Giovanna ließ sie keinen Augenblick allein, denn in freier Wildbahn würde das Lebensgefahr für die Kleinen bedeuten. Für die Mutter hieß das aber auch, dass sie seit 14 Wochen praktisch nichts gefressen hat – eine Tortur ohne Frage, aber welche Frau hätte nicht gerne nach der Geburt schnell wieder ihr Idealgewicht?
60 Kilogramm hat Giovanna abgenommen, perfekt für den „ersten Pressetermin“, wie es in der Zoo-Mitteilung heißt, als würden Verlautbarungen verlesen werden. Um Ausschreitungen zu verhindern, ist am Boden vor der gläsernen Trennwand vermerkt, wer seine Kamera wo aufstellen darf. Zu größerem Gerangel kommt es aber nicht, die Eisbären wurden offenbar gut gebrieft und halten sich genau dort auf, wo alle Kameraleute freie Sicht haben.
Die beiden Kleinen haben sichtlich Spaß, sie tollen herum, klettern auf einen umgefallenen Baumstamm, balgen sich und kuscheln zwischendurch doch ganz gerne wieder in Mutters Fell. Andreas Knieriem, der Zoodirektor, sagt, für Giovanna seien zwei Kinder besser als eines, denn die könnten auch mal miteinander spielen und würden nicht immer an der Mutter hängen, eine Erfahrung, die menschliche Eltern durchaus bestätigen dürften.
Nicht so typisch menschlich ist, dass sich der Vater aus dem Staub gemacht hat: Yoghi wurde nach Stuttgart deportiert, weil dort erstens ein Eisbären-Mann fehlte und weil er in München wohl gelitten hätte – und eine Gefahr darstellte. „Yoghi ist wahnsinnig verliebt in Giovanna“, sagt Andreas Knieriem. Er hätte aber von ihr und den Babys getrennt werden müssen, weil Eisbären-Väter gelegentlich die unangenehme Angewohnheit haben, ihre Jungen aufzufressen. So vergnügt sich Yoghi jetzt in Stuttgart mit einer gewissen Corinna und hat, Liebe hin, Liebe her, Giovanna alleinerziehend zurückgelassen.
Was das bedeutet, hat die Bärin gleich am Montag erfahren, als sich die Gebärhöhle zum ersten Mal öffnete, noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Giovanna kam heraus und entdeckte in dem kleinen Tümpel am Rande des Freigeländes einen! neuen! Ball! Sie stürzte sich darauf wie ein Fußballspieler nach ausgeheiltem Muskelfaserriss. Ihre Kinder, natürlich, folgten ihr – und standen plötzlich einigermaßen ratlos und erstaunt dem ihnen bis dahin unbekannten Konzept „Wasser“ gegenüber. Beziehungsweise drin, im Nassen. Da musste Giovanna erkennen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen sie tun und lassen und spielen konnte, was und wann sie wollte. Eltern-Schock also auch bei Eisbären.
Am Mittwochvormittag werden jetzt doch schon die Absperrungen abgebaut, obwohl Besucher eigentlich erst um 15 Uhr ans Gehege gelassen werden sollten: Die Radio-Leute brauchen O-Töne, und die sind von den Eisbären selbst eher schwer zu bekommen. So werden nun dutzendweise Kleinkinder, menschliche diesmal, Unterart „Dreckspatzen“, nach vorne getragen, die ihre Schmutzfinger ausstrecken und „Bärli“ ins Mikrofon stammeln.
Natürlich sind die beiden Bärlis über die Maßen süß und knuddelig, um nicht zu sagen knutelig. Darüber könnte man aber schnell vergessen, dass Eisbären keine Schmuse-, sondern Raubtiere sind, von der Natur so angelegt, dass sie später einmal noch süßere Robben-Babys erlegen und, zumindest im Fall des männlichen Jungen, ihren eigenen Nachwuchs auffressen. Das weiß auch Beatrix Köhler, die in Hellabrunn den schönen Beruf der Eisbären-Kuratorin ausübt. Alle Professionalität hindert sie aber nicht daran, „voller Freude, dass es geklappt hat“, auf Groß und Klein im Freigelände zu blicken. Auf ihrem Handy hat Köhler Links zu den Überwachungskameras in der Gebärhöhle gespeichert, so dass sie also tatsächlich Giovanna und ihre Kinder seit 14 Wochen am Herzen trägt.
Am Nachmittag, kurz vor 15 Uhr, könnte sie darauf sehen, dass jetzt Schlafenszeit ist. Trotzdem interessiert jetzt keines der anderen Hellabrunner Tiere mehr: Die Seelöwen können noch so cool wie die Surfer in ihrer Heimat Kalifornien durch die Wellen gleiten, die Königspinguine sehen endlich einmal, was sie davon haben, dass sie immer nur so tun, als würden sie gleich ins Wasser springen – alles drängt an ihnen vorbei, die meisten Besucher hatten die Ankündigung des Tierparks, um 15 Uhr werde die Absperrung geöffnet, so missverstanden, als fände zu diesem Zeitpunkt eine Art Vorführung statt. „Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit. Gehen wir noch zu den Meerschweinchen“, sagt ein Vater zu seinen Kindern, trifft aber mit diesem Vorschlag nur auf gebremste Begeisterung.
In fünf, sechs Reihen stehen die Besucher ums Gehege rum und heben Kinder oder Kameras über die Köpfe. Indes, nichts ist zu sehen. Endlich, um 15.07 Uhr, kommt Giovanna aus der Höhle – dreht aber stante pede wieder um, als sei sie erschrocken über die Besucherschar. Tatsächlich aber holt sie nun die Kleinen raus und klettert mit ihnen auf einen Felsen, so dass auch gewiss alle Leute gut hinsehen können. Die Jungen tapsen zwischen den Beinen der Mutter her, was aber völlig ausreichend ist, um eine Vielzahl von Entzückensrufen auszulösen. Eine Dame stellt unwidersprochen fest, dass die Kleinen „ja noch ganz klein“ sind.
So, jetzt ist’s aber gut – die Ausflüge ins Freie, die Überflutung mit unbekannten Reizen sind anstrengend für die kleinen Eisbären, die Aufenthalte draußen werden sich erst mit der Zeit verlängern. Nach wenigen Minuten nur gibt Giovanna das Zeichen zur Heimkehr, und, erstaunlich, die Jungen folgen sofort, was vielleicht bei mancher Mutter auf dieser Seite der Trennwand den Wunsch entstehen lässt, sich mit der Bärin über Erziehungstipps auszutauschen. Das Freigelände ist leer, die Menschen drängen zu den Imbiss-Ständen, nur der nagelneue Ball schaukelt im Tümpel. Wird noch etwas dauern, bis Giovanna ungestört damit spielen kann.