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Zwei Euro für jede Eins

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Gute Bildung ist Geld wert, das würden Ökonomen und Sonntagsredner sofort unterschreiben. Aber wie viel? Media Markt lieferte im Juli 2011 mit einer Werbeaktion eine überraschende Antwort: Für jede Eins im Schulzeugnis gebe es zwei Euro Rabatt, warb der Elektronik-Fachmarkt in einem Passauer Wochenblatt – und lockte damit viele junge Kunden an.

Der Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV) fand die Aktion alles andere als originell. Er hat den Elektronikkonzern bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gezerrt. Dort wollten die Verbraucherschützer derartige Werbung für unlauter erklären lassen. Vergebens: Der BGH hat die Klage am Donnerstag abgewiesen.



Kaufen die Einser-Schüler etwas, das sie von sich aus nicht gekauft hätten?

Dabei liegt hier aus Sicht der Verbraucherschützer ein Missstand vor: „Die Schüler werden dazu aufgefordert, etwas zu kaufen, was sie womöglich gar nicht wollen“, sagt die VZBV-Juristin Susanne Einsiedler. Daneben erzeuge die Aktion, die in Passau nur zwei Tage lief, Druck auf die Kinder. Als Anreiz, sich mehr in der Schule anzustrengen, gehe die Werbung auch nur bedingt durch – schließlich wurde die Anzeige am Ende des Schuljahrs gedruckt.

Wie häufig in den vergangenen Jahren Media Markt Schülern für gute Noten Rabatte gab, ist unklar. Zeugnisaktionen „werden und wurden durchgeführt“, sagt eine Media-Markt-Sprecherin. Die Details seien von Aktion zu Aktion verschieden, mal werden beispielsweise Zweier mit einem Euro entlohnt. Die Werbeaktionen seien stets Sache der jeweiligen Filialen, so die Media-Markt-Sprecherin. Die Aktionen würden sehr gerne angenommen, betont sie, in der Regel kämen die jüngeren Schüler zusammen mit ihren Eltern. „Wir gehen nicht davon aus, dass wir die Unerfahrenheit der Kinder ausnutzen.“

Tatsächlich haben Verbraucherschützer beim VZBV nur eine einzige Beschwerde erhalten. Und bei der ging es nicht mal darum, dass die Aktion womöglich falsche Lernanreize setze oder die Unmündigkeit von Kindern ausnutze. Eine Mutter aus Passau hatte im Juli 2011 die Werbeanzeige gesehen und war mit ihrem Kind in einen Media Markt gerannt, da gab es ja schließlich etwas umsonst. Die Mitarbeiter im Media Markt wollten dann aber das Zeugnis des Kindes kopieren, was nicht aus der Anzeige hervorging. Die Mutter weigerte sich und beschwerte sich beim VZBV.

Einmal angestachelt, ging es den Verbraucherschützern zuletzt um mehr als Datenschutz: Bereits vor dem Landgericht Passau konnten sie 2012 erstreiten, dass Media Markt in der Anzeige hätte erwähnen müssen, dass Zeugnisse im Rahmen der Rabattaktion kopiert werden. Allerdings bekamen die Verbraucherschützer nur teilweise recht: Sie wollten die Zeugniswerbung und vergleichbare Kampagnen als unlauter erklären und damit verbieten lassen. Damit waren sie erst vor dem Landgericht Passau und dann vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Für das BGH-Urteil war nun ausschlaggebend, dass sich die Werbekampagne von Media Markt auf kein konkretes Produkt bezog. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Schulkinder aus, so das Gericht.

Beim VZBV löst das Urteil Enttäuschung aus: „Im Wettbewerbsrecht kommt der Schutz von Kindern möglicherweise noch nicht ausreichend zum Ausdruck“, sagt Susanne Einsiedler. Andere dürften sich über das Urteil freuen: „Bei mir würde das bei fünf Einsern und sieben Zweiern dann 17Euro machen“, schrieb ein Schüler namens MacMiniG4 bereits 2010 in einem Online-Forum . 17 Euro – dafür kann man sich schon so manches Computerspiel kaufen.

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