Ganz am Ende des Flurs liegt ein besonderer Operationssaal. Ein bisschen weg vom Versorgungstrakt, die Chirurgenteams müssen also ihre Geräte weiter schieben, die Materialien weiter tragen als in andere Säle, wenn sie Eingriffe vorbereiten. Normalerweise würde das dazu führen, dass die Auslastung des Raumes sinkt, sagt Erwin Keeve, der für den OP verantwortlich ist. Tatsächlich aber ist der Raum ausgebucht. Neuro-, Kopf- und Handchirurgen wechseln sich ab, andere Mediziner kommen wegen der guten Möglichkeiten zur Schlüsselloch-Chirurgie her. Seiner Hightech-Ausstattung zuliebe nehmen die Ärzte am Virchow-Klinikum der Berliner Charité den erhöhten Aufwand bei der Vorbereitung in Kauf.
Ein Roboter, der für Operationen am Gehirn genutzt wird
Keeve ist darauf erkennbar stolz. Er ist Professor am Hauptstadt-Klinikum, aber kein Mediziner, sondern Ingenieur. Sein Fachgebiet heißt Navigation und Robotik. Der Operationssaal ist so etwas wie ein Labor, das für chirurgische Eingriffe dient. „Was wir hier entwickeln, muss sich sofort im Klinikalltag bewähren“, sagt er. Außerdem soll der Saal zeigen, auf welche Weise die Apparaturen intelligent zusammenarbeiten und einen Zusatznutzen entfalten können. Darum hängt hier zum Beispiel eine innovative OP-Leuchte, die über eine Kamera in der Mitte die Distanz zum Patienten misst und Helligkeit und Fokus automatisch justiert. Dass ihre Bilder auf großen Monitoren auf der Wand oder per Internet auf der anderen Seite der Welt zu sehen sind, ist schon Standard. Um darüber hinaus zu gehen, installiert Keeve in dem Saal lauter robotische Helfer.
Helfer, wohlgemerkt, keine Robo-Chirurgen. Noch vor einigen Jahren schwärmten technikbegeisterte Mediziner und medizinbegeisterte Techniker von Robotern, die als vollwertige Operateure arbeiten, frei von Ermüdung und viel präziser im Umgang mit Skalpell und Bohrer als Menschen. Die Zeiten sind vorbei, sagt Keeve. Es gab bei den Versuchen zu viele unerwartete Nebenwirkungen und Wundinfektionen. In Deutschland zum Beispiel schlossen sich Hunderte Patienten zu einer Initiative zusammen, die eine Maschine namens Robodoc für Komplikationen nach der Implantation eines künstlichen Hüftgelenks verantwortlich machten und deren Hersteller verklagten.
Die Ingenieure, sagt der Ingenieur Kee-ve, mussten erst lernen, dass jeder Mensch verschieden ist und dass sich die Prozesse aus der industriellen Fertigung nicht eins zu eins in die Medizin übertragen lassen. Nasen, Hüftknochen, Herzklappen – lauter Sonderanfertigungen. Ein geübter Chirurg ist da kaum von einer Maschine zu ersetzen, der man schließlich in jedem einzelnen Fall genau sagen muss, was sie tun und vor allem lassen soll. Das Erfahrungswissen des Arztes lässt sich schwer in exakte Regeln pressen. Darum halten in Keeves Operationssaal die Roboter nicht mehr das Skalpell, sondern Endoskop und Lampe. Sie bewegen keine Knochensäge, sondern den Operationstisch oder einen Röntgenscanner. Alles entweder auf gesprochene Kommandos, durch Befehle auf einem iPad oder sanftes Schieben oder Ziehen des Mediziners; die Maschine unterstützt und ergänzt dann die Bewegung des Arztes und bringt den Großteil der nötigen Kraft auf. „Das alles muss für unterschiedliche Teams funktionieren“, sagt der Entwickler. Schließlich haben Chirurgen nicht nur verschiedene Gewohnheiten, sondern auch verschiedene Körpermaße.
Der Roboter, der Keeves Aufmerksamkeit zurzeit am meisten beansprucht, heißt Orbit, ein neuartiges Gerät für dreidimensionale Röntgenaufnahmen. Er ist noch nicht in seinem Operationssaal in der Charité eingebaut, aber die Anschlüsse in der Decke sind für ihn bereits vorgesehen. Einige Kilometer weiter, im Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, wo Keeve den Bereich Medizintechnik leitet, arbeitet Orbit als Prototyp. Er ist montiert auf einen konventionellen Industrieroboter. „Der kann viel mehr als wir brauchen, aber ich wollte mich auf keinen Fall mit den Limitationen der Maschine herumärgern müssen“, sagt der Ingenieur.
Oben auf dem Ausleger sitzt ein Kasten mit einer Röntgenquelle, die sich über dem Operationstisch frei bewegen kann; ein Röntgendetektor fährt unten die Bewegungen gegengleich nach, sodass er das beim Durchleuchten erzeugte Bild optimal auffangen kann. Die Liege muss dafür aus Kohlefaser und metallfrei sein, sonst gibt es Schatten auf den Aufnahmen. Wenn Orbit genügend Bilder aus verschiedenen Winkeln aufgezeichnet hat, kann ein angeschlossener Computer daraus ein räumliches Bild erzeugen.
Der Clou dabei ist: Der Arzt kann dem Roboter seine Bewegungen einfach vormachen. Er packt den zunächst noch ausgeschalteten Röntgenkopf an einem Handgriff und führt ihn zum Beispiel um den Kopf oder Thorax des Patienten herum – überall dorthin, wo er Platz zwischen Lampen, dem Anästhesieturm, Geräten und Wagen mit Operationsbesteck findet. „So ein Operationssaal ist ja voll“, sagt Keeve, „mit Orbit muss das Team nicht erst alle Geräte wegräumen.“ Der Mediziner führe den Roboter durch das Gewimmel, „und das System meldet ihm ständig zurück, ob er schon genügend Winkel gefunden hat“. Erst wenn es grünes Licht gibt, tritt das Operationsteam vom Tisch zurück, und der Roboter fährt mit eingeschalteter Röntgenquelle die gezeigten Punkte ab.
Der Ingenieur verspricht sich davon eine deutliche Verbesserung und Beschleunigung der Bildgebung. Bisher musste das Ärzteteam nämlich seine Arbeit länger unterbrechen, wenn ein sogenanntes C-Bogen-Röntgengerät über dem Patienten positioniert oder dieser in einen Tomografen geschoben wurde. Keeves Röntgenroboter soll stattdessen immer über dem Operationstisch hängen. Und zwar nicht nur in den Sälen, wo geplante Operationen gemacht werden. „Unser Ziel ist der Schockraum“, sagt er. „Hier müssen sich die Ärzte bei einem gerade eingelieferten Patienten, der zum Beispiel einen schweren Autounfall hatte, schnell einen Überblick über die Verletzungen verschaffen.“ Eine längere Pause für die Bildgebung kann da lebensgefährlich sein.
Die räumlichen Bilder des Patienten können dem Arzt später auch dabei helfen, ihre minimalinvasiven Instrumente besser im Körper auszurichten. Der Computer im Operationssaal vermag nämlich die Position der Instrumente in die Röntgenaufnahmen einzublenden. Dazu muss das Operationsbesteck mit entsprechenden Markierungen ausgestattet sein, die eine Kamera in der OP-Lampe auffängt. Dann können die Ärzte praktisch durch den Körper des Patienten hindurch verfolgen, wo die Spitze des Instruments gerade steckt.
Ein Roboter, der für Operationen am Gehirn genutzt wird
Keeve ist darauf erkennbar stolz. Er ist Professor am Hauptstadt-Klinikum, aber kein Mediziner, sondern Ingenieur. Sein Fachgebiet heißt Navigation und Robotik. Der Operationssaal ist so etwas wie ein Labor, das für chirurgische Eingriffe dient. „Was wir hier entwickeln, muss sich sofort im Klinikalltag bewähren“, sagt er. Außerdem soll der Saal zeigen, auf welche Weise die Apparaturen intelligent zusammenarbeiten und einen Zusatznutzen entfalten können. Darum hängt hier zum Beispiel eine innovative OP-Leuchte, die über eine Kamera in der Mitte die Distanz zum Patienten misst und Helligkeit und Fokus automatisch justiert. Dass ihre Bilder auf großen Monitoren auf der Wand oder per Internet auf der anderen Seite der Welt zu sehen sind, ist schon Standard. Um darüber hinaus zu gehen, installiert Keeve in dem Saal lauter robotische Helfer.
Helfer, wohlgemerkt, keine Robo-Chirurgen. Noch vor einigen Jahren schwärmten technikbegeisterte Mediziner und medizinbegeisterte Techniker von Robotern, die als vollwertige Operateure arbeiten, frei von Ermüdung und viel präziser im Umgang mit Skalpell und Bohrer als Menschen. Die Zeiten sind vorbei, sagt Keeve. Es gab bei den Versuchen zu viele unerwartete Nebenwirkungen und Wundinfektionen. In Deutschland zum Beispiel schlossen sich Hunderte Patienten zu einer Initiative zusammen, die eine Maschine namens Robodoc für Komplikationen nach der Implantation eines künstlichen Hüftgelenks verantwortlich machten und deren Hersteller verklagten.
Die Ingenieure, sagt der Ingenieur Kee-ve, mussten erst lernen, dass jeder Mensch verschieden ist und dass sich die Prozesse aus der industriellen Fertigung nicht eins zu eins in die Medizin übertragen lassen. Nasen, Hüftknochen, Herzklappen – lauter Sonderanfertigungen. Ein geübter Chirurg ist da kaum von einer Maschine zu ersetzen, der man schließlich in jedem einzelnen Fall genau sagen muss, was sie tun und vor allem lassen soll. Das Erfahrungswissen des Arztes lässt sich schwer in exakte Regeln pressen. Darum halten in Keeves Operationssaal die Roboter nicht mehr das Skalpell, sondern Endoskop und Lampe. Sie bewegen keine Knochensäge, sondern den Operationstisch oder einen Röntgenscanner. Alles entweder auf gesprochene Kommandos, durch Befehle auf einem iPad oder sanftes Schieben oder Ziehen des Mediziners; die Maschine unterstützt und ergänzt dann die Bewegung des Arztes und bringt den Großteil der nötigen Kraft auf. „Das alles muss für unterschiedliche Teams funktionieren“, sagt der Entwickler. Schließlich haben Chirurgen nicht nur verschiedene Gewohnheiten, sondern auch verschiedene Körpermaße.
Der Roboter, der Keeves Aufmerksamkeit zurzeit am meisten beansprucht, heißt Orbit, ein neuartiges Gerät für dreidimensionale Röntgenaufnahmen. Er ist noch nicht in seinem Operationssaal in der Charité eingebaut, aber die Anschlüsse in der Decke sind für ihn bereits vorgesehen. Einige Kilometer weiter, im Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, wo Keeve den Bereich Medizintechnik leitet, arbeitet Orbit als Prototyp. Er ist montiert auf einen konventionellen Industrieroboter. „Der kann viel mehr als wir brauchen, aber ich wollte mich auf keinen Fall mit den Limitationen der Maschine herumärgern müssen“, sagt der Ingenieur.
Oben auf dem Ausleger sitzt ein Kasten mit einer Röntgenquelle, die sich über dem Operationstisch frei bewegen kann; ein Röntgendetektor fährt unten die Bewegungen gegengleich nach, sodass er das beim Durchleuchten erzeugte Bild optimal auffangen kann. Die Liege muss dafür aus Kohlefaser und metallfrei sein, sonst gibt es Schatten auf den Aufnahmen. Wenn Orbit genügend Bilder aus verschiedenen Winkeln aufgezeichnet hat, kann ein angeschlossener Computer daraus ein räumliches Bild erzeugen.
Der Clou dabei ist: Der Arzt kann dem Roboter seine Bewegungen einfach vormachen. Er packt den zunächst noch ausgeschalteten Röntgenkopf an einem Handgriff und führt ihn zum Beispiel um den Kopf oder Thorax des Patienten herum – überall dorthin, wo er Platz zwischen Lampen, dem Anästhesieturm, Geräten und Wagen mit Operationsbesteck findet. „So ein Operationssaal ist ja voll“, sagt Keeve, „mit Orbit muss das Team nicht erst alle Geräte wegräumen.“ Der Mediziner führe den Roboter durch das Gewimmel, „und das System meldet ihm ständig zurück, ob er schon genügend Winkel gefunden hat“. Erst wenn es grünes Licht gibt, tritt das Operationsteam vom Tisch zurück, und der Roboter fährt mit eingeschalteter Röntgenquelle die gezeigten Punkte ab.
Der Ingenieur verspricht sich davon eine deutliche Verbesserung und Beschleunigung der Bildgebung. Bisher musste das Ärzteteam nämlich seine Arbeit länger unterbrechen, wenn ein sogenanntes C-Bogen-Röntgengerät über dem Patienten positioniert oder dieser in einen Tomografen geschoben wurde. Keeves Röntgenroboter soll stattdessen immer über dem Operationstisch hängen. Und zwar nicht nur in den Sälen, wo geplante Operationen gemacht werden. „Unser Ziel ist der Schockraum“, sagt er. „Hier müssen sich die Ärzte bei einem gerade eingelieferten Patienten, der zum Beispiel einen schweren Autounfall hatte, schnell einen Überblick über die Verletzungen verschaffen.“ Eine längere Pause für die Bildgebung kann da lebensgefährlich sein.
Die räumlichen Bilder des Patienten können dem Arzt später auch dabei helfen, ihre minimalinvasiven Instrumente besser im Körper auszurichten. Der Computer im Operationssaal vermag nämlich die Position der Instrumente in die Röntgenaufnahmen einzublenden. Dazu muss das Operationsbesteck mit entsprechenden Markierungen ausgestattet sein, die eine Kamera in der OP-Lampe auffängt. Dann können die Ärzte praktisch durch den Körper des Patienten hindurch verfolgen, wo die Spitze des Instruments gerade steckt.