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Operation am falschen Knie

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Der Patient war Mitte zwanzig, als sein Arzt ihm in einem Krankenhaus irgendwo in Niedersachsen das falsche Knie aufschnitt. Vom Eingriff hatte er sich Linderung versprochen – Linderung der Meniskus-Schmerzen am anderen Knie. Noch im Operationssaal bemerkte das Team den Irrtum. Der Mediziner nähte das falsche Knie wieder zu und machte sich an das richtige. Sport machen kann der Mann immer noch nicht. Denn weiterhin habe er starke Schmerzen, klagt er. Nicht im Meniskus-Knie, sondern im fälschlich operierten.



Das falsche Knie operiert? Kommt schon mal vor. 14585 Patienten fühlten sich 2013 falsch von ihrem Arzt behandelt und beschwerten sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

14585 Menschen fühlten sich im vergangenen Jahr von ihren Ärzten, Zahnärzten oder Pflegern falsch behandelt und beschwerten sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), etwa 17 Prozent mehr als noch 2012. In etwa einem Viertel der Fälle (3687) stimmten ihnen die Gutachter zu und sahen wie im Fall der verwechselten Knie einen Behandlungsfehler. Die Bundesärztekammer beurteilte im gleichen Zeitraum etwa 8000 Beschwerden und kam bei etwa einem Drittel der Fälle zum Urteil, dass eine Fehlleistung des medizinischen Personals zugrunde lag.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Behandlungsfehler deutlich höher liegen. Nach Worten der leitenden Ärztin beim MDK Bayern, Astrid Zobel, bleiben jedoch mehr Fehler unerkannt. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagte sie. Viele Patienten trauten sich nicht, gegen ihren Arzt vorzugehen, oder sie scheuten den Aufwand einer Beschwerde.

Oft sind die Behandlungsfehler auch nicht so leicht zu erkennen wie bei dem verwechselten Knie. So untersuchte der MDK in Bayern den Fall einer Patientin Anfang70. Sie litt unter einem schweren Herzklappenfehler und wurde vorsorglich mit Medikamenten gegen Depression behandelt. Nach der Operation war sie hochgradig verwirrt, und ihr Zustand verschlechterte sich, bis sie ins Koma fiel. Erst dann untersuchten die behandelnden Ärzte ihre Schilddrüsenwerte und stellten fest, dass das Organ nicht richtig arbeitete. Das hätte man früher wissen müssen. Nach internationalen Standards wäre der Schilddrüsen-Check schon sofort nach der Operation notwendig gewesen, sagte Zobel. Jetzt leide die Frau unter schweren Hirnschäden.

Aber auch Fehler von niedergelassenen Ärzten werden von den Patienten oft nur schlecht erkannt. Ob der niedergelassene Mediziner die Blutzuckerwerte über Jahre schlecht eingestellt oder die falschen Medikamente gegen Bluthochdruck verschrieben hat, können medizinische Laien nur schwer beurteilen.
Laut MDK beschwerten sich auch aus diesen Gründen die meisten Patienten nach einem Aufenthalt im Krankenhaus. Nur etwa 30 Prozent hatten an der Behandlung durch ihren niedergelassenen Arzt etwas auszusetzen. Doch lag in beiden Bereichen der Anteil der laut MDK berechtigten Klagen ähnlich hoch (Klinik: 24,8 Prozent; Praxis: 26,4 Prozent).

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verwies auf die jährlich fast 700 Millionen Behandlungsfälle im ambulanten Bereich und die mehr als 18 Millionen Fälle in den Kliniken. Angesichts dieser Größenordnungen bewege sich die Zahl der festgestellten ärztlichen Behandlungsfehler im Promillebereich. Dass sich immer mehr Patienten über die Behandlung beschwerten, führte der stellvertretende Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer, auch auf das von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Patientenrechtegesetz zurück. Dies habe die Menschen für das Thema sensibilisiert, sagte er.

Deutlich skeptischer zeigte er sich angesichts der aktuellen Pläne der Koalition aus Union und SPD, ein Qualitätsinstitut aufzubauen, das Daten aus dem Krankenhaus und dem niedergelassenen Bereich auswerten soll. Mit diesen Informationen soll dann die Qualität der Behandlungen gesteigert und damit auch die Zahl der Behandlungsfehler gesenkt werden. „Ich glaube nicht, dass es insgesamt zu einer Verbesserung der Patientensicherheit führt, wenn wir die Aufgabe an ein Institut delegieren.“ Notwendig sei ein breiter Wandel in der Fehlerkultur. Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Hardy Müller.

Die Koalition will dennoch am Aufbau des Instituts festhalten. Jens Spahn (CDU), der gesundheitspolitische Sprecher der Union, sagte, die Qualität der Behandlung müsse messbar sein. Auch solle künftig besser bezahlt werden, wer gute Qualität liefere. „Bei den Krankenhäusern werden wir den Behandlungserfolg dann auch bei der Vergütung berücksichtigen.“

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