Es hat immer etwas Seltsames, den Preis für sein eigenes Lebenswerk entgegennehmen zu müssen. Der Zeitpunkt dafür ist nie richtig: Steht der Geehrte auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft, wird er den Preis als verfrüht empfinden, als Aufforderung, fortan Ruhe zu geben. Wenn die Ehrung dagegen zu spät kommt und der Lebenspreis-Aspirant allzu lange auf seine Lorbeeren warten musste, liegt der Verdacht nahe, dass es den Preisverleihern um Wiedergutmachung geht, um die Verwandlung des Ausgezeichneten in ein Denkmal, und so ein Denkmal ist zur Erstarrung verdammt.
Ein Ausgezeichneter, der nicht vor sich selbst erschrickt: Helmut Dietl mit dem Preis für sein Lebenswerk.
Der Regisseur Helmut Dietl gehört zu den Menschen, die sensibel genug sind, um sich dieser Zwiespältigkeit bewusst zu sein. Am Freitagabend beim Deutschen Filmpreis im Berliner Tempodrom hat er aber keine Wahl, als nach Kräften mitzuspielen – und aus der Verleihung einen großen Moment zu machen. In Michael Bully Herbig steht allerdings auch ein einfühlsamer Laudator bereit, der genug Humor hat, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen. „Ich scheiß dich zu mit meinem Geld“, dieses oft verwendete Zitat aus „Kir Royal“ sei manchmal ganz nützlich, sagt Herbig: „Damit locke ich heute auch Schauspieler.“ Für Dietl sei das Filmemachen „eine echte Qual“. Der Laudator selbst hat bei den Dreharbeiten zu Dietls Film „Zettl“ den Perfektionismus des Münchners hautnah miterlebt. Und dann erlaubt sich Herbig noch eine Bemerkung, die man nur versteht, wenn man weiß, wie sehr der Lebenspreisträger zuletzt unter der Kritik an seinen Kinofilmen gelitten hat: „Helmut Dietl hat Meisterwerke geschaffen. Das sollte man nie vergessen, wenn man über ihn spricht oder schreibt.“
Jubel im Saal, als Dietl die Bühne betritt. Wer weiß schon, wie es ihm wirklich geht, sechs Monate nachdem er seinen Lungenkrebs publik gemacht hat. Die Leute springen auf von ihren Sitzen, aber Dietl wehrt ab. Er sei, sagt er, erstaunt über diesen Ehrenpreis, schließlich habe er oft harsche Kritik an der Deutschen Filmakademie geübt. „Der Preis wirft ein besseres Licht auf die Auszeichner als auf den Ausgezeichneten“, sagt Dietl. Andererseits sei dies wohl auch eine „raffinierte, hinterlistige Taktik, um ein verlorenes Schaf wieder einzufangen“. Zuletzt wendet er sich an seine Frau Tamara Dietl, die ihm strikt verboten habe, ihr in aller Öffentlichkeit zu danken. Was Dietl dann natürlich doch tut: „Die Tatsache, dass ich heute hier stehe, habe ich der Pflege meiner Frau zu verdanken.“ Ein Moment, in dem sich nicht nur Akademie-Präsidentin Iris Berben die Tränen aus dem Gesicht wischt. „Wenn es Ihnen recht ist, geh’ ich jetzt“, mit diesen Worten verabschiedet sich der Filmemacher.
Dietl feiert also Versöhnung mit der deutschen Filmbranche, da ist er nicht der Einzige an diesem Abend, den der Schauspieler Jan Josef Liefers lässig, aber nicht nachlässig moderiert. Diese 10. Lola-Verleihung will mehr sein als eine halbherzige Preisüberreichungsorgie mit ein paar Einspielern und dem Filmorchester Babelsberg: Endlich haben die Veranstalter den Mut zur Unterhaltung, zur Selbstironie. So kurzweilig war die Lola nie.
Vor allem ist es die Nacht der großen alten Männer. Dieter Hallervorden, 78, wird für seinen Film „Sein letztes Rennen“ als bester Hauptdarsteller geehrt, und auch ihm gönnt man die Trophäe von Herzen, es ist ebenfalls so etwas wie eine Rehabilitierung. So souverän wie Dietl ist Hallervorden nicht, als er die Auszeichnung voller Genugtuung als „saftige Ohrfeige“ für alle seine Kritiker bezeichnet, die ihn jahrzehntelang für seine Arbeit abgewatscht hätten. Und dann hat er noch einen Vorschlag, wie die Politik die deutsche Filmförderung retten könnte: „Verzichten Sie doch einfach auf Ihre Diätenerhöhung“, fordert er fröhlich die Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf. Da ist er wieder, der überwunden geglaubte Didi aus der Fernseh-Steinzeit. Palim Palim.
Wie man im Moment der Rührung gerade noch die Fassung bewahrt, zeigt dann Edgar Reitz. Obwohl der ästhetisch anspruchsvolle Alpenwestern „Das finstere Tal“ die meisten Preise bekommt, gewinnt Reitz die Auszeichnung für den besten Film. Mit „Die andere Heimat“ hat er selbst sein Lebenswerk vollendet. „Es ist das Schönste, was passieren konnte. Ich bin froh, dass ich nicht allein dabei bin. . .“: Diesem 81-Jährigen fliegen in Berlin die Herzen zu, er ist mindestens so bewegt wie die Schauspielerin Jördis Triebel („Westen“), die den Preis als beste Hauptdarstellerin und auf der Bühne einen Weinkrampf bekommt. Weinen kann ja sehr schön sein, und wenn schöne Frauen so weinen wie Triebel, muss man selbst an sich halten.
Heißt das jetzt, dass alles gut ist beim Deutschen Filmpreis? Aber nein. Natürlich wird bei der Party darüber diskutiert, warum der witzigste Film, „Fack ju Göhte“, jetzt gar keinen Preis bekommen hat, außer der Alibi-Auszeichnung „besucherstärkster Film des Jahres“. Ja, das wussten wir schon, dass wegen Elyas M’Barek sieben Millionen Menschen in die Kinos strömten – aber dass es eine Kunst ist, das junge Publikum in Deutschland mit Dialogen zu begeistern, die sich wie einst bei Dietl bereits verselbständigt haben, hätte die Akademie mal würdigen können.
Irgendeiner sollte den Preisträgern auch endlich ausreden, jedes Mal sämtliche Familienmitglieder und Förderanstalten in der Dankesrede aufzulisten. Das hat was Zwanghaftes und ist ungeheuer öde: Wer sich bedankt, sollte eine gute Pointe auf Lager haben – oder sich wortlos von der Bühne schleichen, so wie der Schriftsteller Christian Kracht, der für Sandra Hüller den Nebendarstellerpreis annimmt.
Den Preis für das Lebenswerk kann man dagegen gerne weiter vergeben, an Leute, die nicht vor sich selbst erschrecken. Helmut Dietl hat gezeigt: Das geht.
Ein Ausgezeichneter, der nicht vor sich selbst erschrickt: Helmut Dietl mit dem Preis für sein Lebenswerk.
Der Regisseur Helmut Dietl gehört zu den Menschen, die sensibel genug sind, um sich dieser Zwiespältigkeit bewusst zu sein. Am Freitagabend beim Deutschen Filmpreis im Berliner Tempodrom hat er aber keine Wahl, als nach Kräften mitzuspielen – und aus der Verleihung einen großen Moment zu machen. In Michael Bully Herbig steht allerdings auch ein einfühlsamer Laudator bereit, der genug Humor hat, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen. „Ich scheiß dich zu mit meinem Geld“, dieses oft verwendete Zitat aus „Kir Royal“ sei manchmal ganz nützlich, sagt Herbig: „Damit locke ich heute auch Schauspieler.“ Für Dietl sei das Filmemachen „eine echte Qual“. Der Laudator selbst hat bei den Dreharbeiten zu Dietls Film „Zettl“ den Perfektionismus des Münchners hautnah miterlebt. Und dann erlaubt sich Herbig noch eine Bemerkung, die man nur versteht, wenn man weiß, wie sehr der Lebenspreisträger zuletzt unter der Kritik an seinen Kinofilmen gelitten hat: „Helmut Dietl hat Meisterwerke geschaffen. Das sollte man nie vergessen, wenn man über ihn spricht oder schreibt.“
Jubel im Saal, als Dietl die Bühne betritt. Wer weiß schon, wie es ihm wirklich geht, sechs Monate nachdem er seinen Lungenkrebs publik gemacht hat. Die Leute springen auf von ihren Sitzen, aber Dietl wehrt ab. Er sei, sagt er, erstaunt über diesen Ehrenpreis, schließlich habe er oft harsche Kritik an der Deutschen Filmakademie geübt. „Der Preis wirft ein besseres Licht auf die Auszeichner als auf den Ausgezeichneten“, sagt Dietl. Andererseits sei dies wohl auch eine „raffinierte, hinterlistige Taktik, um ein verlorenes Schaf wieder einzufangen“. Zuletzt wendet er sich an seine Frau Tamara Dietl, die ihm strikt verboten habe, ihr in aller Öffentlichkeit zu danken. Was Dietl dann natürlich doch tut: „Die Tatsache, dass ich heute hier stehe, habe ich der Pflege meiner Frau zu verdanken.“ Ein Moment, in dem sich nicht nur Akademie-Präsidentin Iris Berben die Tränen aus dem Gesicht wischt. „Wenn es Ihnen recht ist, geh’ ich jetzt“, mit diesen Worten verabschiedet sich der Filmemacher.
Dietl feiert also Versöhnung mit der deutschen Filmbranche, da ist er nicht der Einzige an diesem Abend, den der Schauspieler Jan Josef Liefers lässig, aber nicht nachlässig moderiert. Diese 10. Lola-Verleihung will mehr sein als eine halbherzige Preisüberreichungsorgie mit ein paar Einspielern und dem Filmorchester Babelsberg: Endlich haben die Veranstalter den Mut zur Unterhaltung, zur Selbstironie. So kurzweilig war die Lola nie.
Vor allem ist es die Nacht der großen alten Männer. Dieter Hallervorden, 78, wird für seinen Film „Sein letztes Rennen“ als bester Hauptdarsteller geehrt, und auch ihm gönnt man die Trophäe von Herzen, es ist ebenfalls so etwas wie eine Rehabilitierung. So souverän wie Dietl ist Hallervorden nicht, als er die Auszeichnung voller Genugtuung als „saftige Ohrfeige“ für alle seine Kritiker bezeichnet, die ihn jahrzehntelang für seine Arbeit abgewatscht hätten. Und dann hat er noch einen Vorschlag, wie die Politik die deutsche Filmförderung retten könnte: „Verzichten Sie doch einfach auf Ihre Diätenerhöhung“, fordert er fröhlich die Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf. Da ist er wieder, der überwunden geglaubte Didi aus der Fernseh-Steinzeit. Palim Palim.
Wie man im Moment der Rührung gerade noch die Fassung bewahrt, zeigt dann Edgar Reitz. Obwohl der ästhetisch anspruchsvolle Alpenwestern „Das finstere Tal“ die meisten Preise bekommt, gewinnt Reitz die Auszeichnung für den besten Film. Mit „Die andere Heimat“ hat er selbst sein Lebenswerk vollendet. „Es ist das Schönste, was passieren konnte. Ich bin froh, dass ich nicht allein dabei bin. . .“: Diesem 81-Jährigen fliegen in Berlin die Herzen zu, er ist mindestens so bewegt wie die Schauspielerin Jördis Triebel („Westen“), die den Preis als beste Hauptdarstellerin und auf der Bühne einen Weinkrampf bekommt. Weinen kann ja sehr schön sein, und wenn schöne Frauen so weinen wie Triebel, muss man selbst an sich halten.
Heißt das jetzt, dass alles gut ist beim Deutschen Filmpreis? Aber nein. Natürlich wird bei der Party darüber diskutiert, warum der witzigste Film, „Fack ju Göhte“, jetzt gar keinen Preis bekommen hat, außer der Alibi-Auszeichnung „besucherstärkster Film des Jahres“. Ja, das wussten wir schon, dass wegen Elyas M’Barek sieben Millionen Menschen in die Kinos strömten – aber dass es eine Kunst ist, das junge Publikum in Deutschland mit Dialogen zu begeistern, die sich wie einst bei Dietl bereits verselbständigt haben, hätte die Akademie mal würdigen können.
Irgendeiner sollte den Preisträgern auch endlich ausreden, jedes Mal sämtliche Familienmitglieder und Förderanstalten in der Dankesrede aufzulisten. Das hat was Zwanghaftes und ist ungeheuer öde: Wer sich bedankt, sollte eine gute Pointe auf Lager haben – oder sich wortlos von der Bühne schleichen, so wie der Schriftsteller Christian Kracht, der für Sandra Hüller den Nebendarstellerpreis annimmt.
Den Preis für das Lebenswerk kann man dagegen gerne weiter vergeben, an Leute, die nicht vor sich selbst erschrecken. Helmut Dietl hat gezeigt: Das geht.