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Im „geheimen Informationskrieg“

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Zum 18. Mal haben engagierte Bürgerrechtsgruppen ihren Grundrechte-Report vorgestellt, aber irgendetwas war diesmal anders. Dabei ist das Ritual seit Jahren in Stein gemeißelt. Ein kleiner Raum im immer gleichen Karlsruher Mittelklassehotel, ein großer Name, der das weiße Büchlein mit dem roten Titel präsentiert – diesmal war es die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Oft genug sind die Beiträge alarmierend, manchmal auch nur alarmistisch, und meist ist die Tonlage ein bisschen schrill. Eben wie es sich gehört für einen „alternativen Verfassungsschutzbericht“.



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellt den neuen Grundrechte-Report vor: Aus dem Grundgesetz lasse sich eine Pflicht des Staates herleiten, für eine vor Spähangriffen geschützte Kommunikation seiner Bürger zu sorgen.

Neu ist: Im Jahre eins nach Bekanntwerden der Massenüberwachung durch amerikanische und britische Geheimdienste wirkt das Schrille plötzlich angemessen. Die zugespitzte, ätzende Kritik der acht Bürgerrechtsgruppen: Angesichts der Maßlosigkeit, mit der NSA & Co die Daten unverdächtiger Bürger absaugen, kommt sie wie ein Ausbund an Verhältnismäßigkeit daher. Man zuckt noch kurz zusammen, wenn der Bürgerrechtler Rolf Gössner von einem „geheimen Informationskrieg“ schreibt. Doch trifft seine Diagnose im Grunde den Kern des Problems: „Wir befinden uns ... in einem permanenten präventiven Ausnahmezustand, der seinen Ausnahmecharakter längst verloren hat und zum rechtlichen Normalzustand geworden ist.“

Auch Leutheusser-Schnarrenberger beherrscht diese Tonlage. „Ein freiheitlicher Rechtsstaat kann es nicht dulden, dass die im Geheimen agierenden Dienste den einzelnen Menschen zum bloßen Objekt ihrer Informationsbegehrlichkeiten entwürdigen“, sagt sie. Um sich dann den Konsequenzen aus diesem Befund zuzuwenden, also zum Beispiel der Frage, ob Generalbundesanwalt Harald Range in Sachen NSA nun Ermittlungen aufnimmt oder nicht. Die Botschaft der Ex-Ministerin, die Range vor zweieinhalb Jahren zum Generalbundesanwalt ernannt hat, ist unmissverständlich: Einen Anfangsverdacht zu verneinen, wäre aus Sicht der Politikerin „fast kurios“ und jedenfalls erläuterungsbedürftig – und ganz sicher ein „verheerendes Signal“.

Doch die Politikerin will die Verantwortung nicht allein beim obersten Ermittler abladen. Skandalös wäre aus ihrer Sicht, wenn Ermittlungen an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Sicherheitsbehörden scheiterten. Ein klarer Fall für ein Machtwort der Regierung: Denn dass es in den Behörden kein Material zu den Überwachungsaktivitäten der NSA geben sollte, wäre nicht nachvollziehbar.

Auch der Grundrechte-Report fordert Konsequenzen aus der NSA-Affäre: „Abrüstung“ der Geheimdienste, internationale Abkommen zur Sicherung der Kommunikationsfreiheiten, Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Leutheusser wird an einigen Punkten konkreter. Aus dem Grundgesetz lasse sich eine Pflicht des Staates herleiten, für eine vor Spähangriffen geschützte Kommunikation seiner Bürger zu sorgen. Damit greift sie auf, was die Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem und Hans-Jürgen Papier vor zwei Wochen im NSA-Untersuchungsausschuss thematisiert haben: Grundrechtsschutz durch Aufbau einer sicheren Kommunikationsinfrastruktur.

Überhaupt lohnt es, mit dem Grundrechtsschutz zu Hause anzufangen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in Berlin gerade die Ausspähung des Datenverkehrs in Netzwerken wie Facebook und Twitter durch deutsche Nachrichtendienste verteidigt. „Die Nutzung verlagert sich stark vom klassischen Telefon in soziale Netzwerke“, sagte er der ARD. „Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, warum soll dann nicht ein Dienst auch auf diese Dienste zugreifen dürfen?“ Seine einstige Kabinettskollegin bezweifelt freilich, dass es im BND-Gesetz dafür überhaupt eine Rechtsgrundlage gebe. Da sollte man sich nicht an den US-Amerikanern messen. „Deutschland muss nicht Weltmeister im Ausspähen und Überwachen von Menschen werden.“

Immerhin lobte sie de Maizière für seinen Einsatz zugunsten der geplanten EU-Datenschutzgrundverordnung. Denn obwohl die vorgesehenen Regeln nicht für Geheimdienste gelten sollen, könnten sie den Datensammlern so manche Fessel anlegen. Nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum „Recht auf Vergessen“ sind auch Unternehmen wie Google – sofern sie in Europa agieren – den europäischen Datenschutznormen unterworfen. Wenn die Betreiber von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken aber zugleich dem US-Geheimdienst Zugriff auf ihre Daten erlauben – dann geraten sie in einen Zwiespalt zwischen amerikanischen Spähaktivitäten und europäischem Datenschutz. Die EU-Verordnung könnte also so manche Hintertür schließen, durch die sich die NSA bisher Zutritt zur digitalen Welt verschafft hat. Wirtschaft

Bodenstation des Bösen: Die NSA betrieb jahrzehntelang in Bad Aibling eine Abhörstation. Am Freitag wird offiziell bekanntgegeben, was alle schon wussten – der BND ist dort in gleicher Mission aktiv. Bisher firmierte das Gelände unter dem Tarnnamen „Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr“.

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