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Warschauer Mauscheleien

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Warschau – Durch einen Abhörskandal kommt die polnische Regierung immer stärker in Bedrängnis. Ministerpräsident Donald Tusk erklärte am Donnerstag in Warschau, es sei möglich, dass die entstandene Vertrauenskrise nur noch durch vorzeitige Neuwahlen zu lösen sei. Die Opposition forderte den Rücktritt der Regierung. Zugleich wirft der Vorgang die Frage auf, ob hinter der jetzt bekannt gewordenen Serie illegaler Lauschangriffe der russische Geheimdienst stecken könnte oder ein heimisches politisches Komplott.



Ministerpräsident Donald Tusk erklärt Neuwahlen angesichts des Abhörskandals für möglich.

Betroffen sind zunächst vor allem der Innenminister Bartłomej Sienkiewicz, der wie Tusk der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) angehört, und der Präsident der Nationalbank, Marek Belka, der auch schon Ministerpräsident war. Die beiden waren im Juli vorigen Jahres bei einem Essen in einem Warschauer Restaurant abgehört worden. Laut den Protokollen, die das Wochenmagazin Wprost am Montag veröffentlichte, bat der Minister den Bankpräsidenten, rechtzeitig vor der nächsten Parlamentswahl 2015 die Wirtschaft zu stimulieren und der Regierung beim Schuldenabbau zu helfen. Im Gegenzug soll Belka die Entlassung des damaligen Finanzministers Jacek Rostowski verlangt haben, der tatsächlich im November 2013 abgelöst wurde, allerdings auf eigenen Wunsch, wie er sagt.

Bestünde ein Zusammenhang, so wäre dies der Beweis für Mauscheleien zwischen Regierung und Nationalbank, was die Unabhängigkeit und Neutralität der Nationalbank schwer beschädigen würde. Der frühere Finanzminister und Nationalbank-Chef Leszek Balcerowicz, der 1990 mit einer Schocktherapie bekannt geworden war, verlangte den Rücktritt Belkas. Der lehnte dies aber mit der Begründung ab, er habe die Verfassung nicht gebrochen, zudem seien die veröffentlichten Zitate aus dem Zusammenhang gerissen.

Die Affäre könnte sich noch ausweiten. Nach eigenen Angaben verfügt die Zeitschrift Wprost noch über weitere geheime Lausch-Protokolle. Sie beträfen die Vize-Ministerpräsidentin Elżbieta Bieńkowska, den früheren Regierungssprecher und Tusk-Vertrauten Paweł Gras sowie den Unternehmer und Milliardär Jan Kulczyk. Am Montag wurde auch über ein Gespräch des früheren Verkehrsministers Sławomir Nowak berichtet, der einen hohen Finanzbeamten gebeten habe, eine Steuerprüfung bei seiner Ehefrau zu unterlassen.

Tusk forderte die Redaktion von Wprost auf, sofort alle Unterlagen in ihrem Besitz zu veröffentlichen. Zugleich distanzierte der Premier sich von einer Aktion des Inlandsgeheimdienstes ABW vom Mittwoch, die heftige Proteste auslöste. Agenten waren in Begleitung des Staatsanwaltes in der Redaktion von Wprost aufgetaucht und hatten die Herausgabe der Recherche-Unterlagen verlangt. Als sie versuchten, den Computer des Chefredakteurs Sylwester Latkowski mitzunehmen, schritten Redakteure ein, die sich um ihren Chef scharten. Es kam zu Handgreiflichkeiten, am Ende zogen die Staatsschutz-Beamten unverrichteter Dinge ab.

Ein weiterer heikler Aspekt der Affäre ist die Frage, wer die illegalen Lauschangriffe ausgeführt haben könnte. Der stellvertretende Ministerpräsident Janusz Piechociński sagte, es sei noch nicht geklärt, ob ein Teil der eigenen Sicherheitsorgane oder Geheimdienste „von außen“ verantwortlich seien. Zwei Experten äußerten die Vermutung, es könnte sich um eine Operation des russischen Geheimdienstes zur Destabilisierung Polens handeln, nachdem die Warschauer Regierung in der Krise um die Ukraine ein energischeres Vorgehen gegen Russland gefordert hatte. Piotr Niemczyk, ein früherer leitender Mitarbeiter der polnischen Sicherheitsdienste, sagte, Moskaus Geheimdienst habe Spezialisten für Provokationen und Desinformation. Im selben Sinne äußerte sich der frühere Chef des Militärgeheimdienstes, General Marek Dukaczewski. Die Zeitschrift Wprost hingegen schrieb, hinter den Tonaufnahmen könnten „Spezialdienste“, frühere polnische Geheimdienstmitarbeiter, eine Gruppe von Geschäftsleuten oder „die politische Konkurrenz“ stehen.

Die nationalpatriotische Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verlangte den Rücktritt der Regierung. Ministerpräsident Tusk lehnte das ab. Er werde nicht nachgeben gegenüber „verbrecherischen Handlungen“, sagte Tusk auf einer eilig am Donnerstag um acht Uhr morgens anberaumten Pressekonferenz. Schon am Montag hatte der Premier erklärt: „Dies ist der erste Versuch seit 1989, mit illegalen Methoden die Regierung zu stürzen.“ Staatspräsident Bronisław Komorowski erklärte, Neuwahlen könnten nun unausweichlich werden.

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