Köln – Teuer oder billig – viele Verbraucher denken, der Preis der Kleidung sage etwas über ihre Produktionsbedingungen aus. Sicher, die Wahrscheinlichkeit, dass extrem billige Klamotten anständig produziert werden, ist gering. Aber wenn es um die Belastung der Umwelt durch die Textilproduktion oder die Arbeitsbedingungen der Näherinnen geht, hat der Käufer keine Gewähr dafür, dass teuer gleich besser ist.
Näherinnen arbeiten in einer chinesischen Textilfabrik.
Wie aussagekräftig sind die Infozettel im Kleidungsstück?
Ein Modeunternehmen muss nur angeben, in welchem Land ein Kleidungsstück hergestellt worden ist und aus welchen Materialien es besteht. Ein T-Shirt „Made in Spain“ kann aber auch nur in Spanien am Ende zusammengenäht worden sein. Ob die Bauern die Baumwolle für das Shirt ohne Atemschutz mit Pestiziden behandelt haben oder ob Menschen in Spinnereien ausgebeutet werden, von all dem erfährt der Verbraucher auf diesem Etikett nichts.
Sind Produktsiegel eine Lösung?
Selbst informierte Konsumenten verlieren bei rund tausend Siegeln den Überblick. Nach Ansicht von Verbraucherschützern erwecken außerdem etwa 80 Prozent falsche oder übertriebene Hoffnungen. Trotz der großen Vielfalt existiert bislang kein Siegel, das die gesamte Produktionskette abdeckt, also vom Baumwollanbau über die Verarbeitung bis zum Verkauf. Wichtig für die Glaubwürdigkeit von Siegeln ist, dass sie von unabhängigen Stellen vergeben und kontrolliert werden. Die „Kampagne für Saubere Kleidung“ zählt dazu die Fair Wear Foundation, bei der Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs versuchen, Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Textilsiegel „Global Organic Textile“ (GOTS) umfasst zwar den Herstellungsprozess eines Kleidungsstücks, außen vor bleiben aber weitgehend Sozialstandards. Das Siegel „Fairtrade certified cotton“ wiederum garantiert faire Arbeitsbedingungen, langfristige Handelsbeziehungen und fördert den Umstieg auf biologischen Anbau. Die weitere Verarbeitung in den Fabriken ist nicht eingeschlossen.
Warum plant Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ein eigenes Textilsiegel?
Das Label soll umfassender sein als bisherige, Müller will es bis Ende des Jahres einführen. Ausgezeichnet werden soll Kleidung, die ökologisch und sozial gerecht hergestellt wird. Der Zeitplan dürfte kaum einzuhalten sein, sagen verschiedene Experten, die an Gesprächen in dem Ministerium teilgenommen haben. Dort beraten Vertreter von Industrie, Handel, Politik und Zivilgesellschaft. Ein Knackpunkt ist die Frage der Verbindlichkeit: Vertreter von NGOs wollen rechtlich verbindliche Vorgaben, Konzerne setzen hingegen auf Freiwilligkeit.
Was bringen freiwillige Regeln?
Der Global Compact der UN etwa ist eine Initiative für Unternehmen, die sich freiwillig an Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung ausrichten. Aber: Die freiwilligen Selbstauskünfte bleiben ungeprüft, bei Verstößen drohen ihnen keine Sanktionen. Die Unternehmen profitieren vom Ruf der Vereinten Nationen. Ein generelles Problem der Freiwilligkeit: Vermeidet ein Konzern Schäden an Mensch oder Umwelt, ist er oft weniger rentabel als Konkurrenten, die keine Skrupel haben.
Was ist ein fairer Lohn?
Die Bezahlung in asiatischen Nähfabriken ist derzeit oft zu gering, um die Beschäftigten ausreichend zu ernähren. Wenn Fabriken aber wegen steigender Löhne ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Und kein Job ist häufig schlimmer als ein mieser Job. Ein Ausweg könnte es sein, bei einem Siegel weniger den Istzustand zu gewichten, als den Prozess und stetige Verbesserungen zu honorieren.
Müssen Konzerne Menschenrechte beachten?
Die internationalen Menschenrechtsverträge richten sich ausschließlich an Regierungen. Es ist also die Aufgabe der Staaten, die Bevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, auch wenn Unternehmen sie begehen. Oft fehlen aber wirksame staatliche Strukturen. Regierungen aus Entwicklungs- und Schwellenländern versuchen sogar oft bewusst, im globalen Standortwettbewerb mit dem Verbot von Gewerkschaften und mit fragwürdigen Arbeitsgesetzen zu punkten, wie Wissenschaftler festgestellt haben.
Können Verbraucher durch Boykott etwas bewegen?
Genaue Zahlen kennen nur die Konzerne und die neigen oft dazu, die Wirkung herunterzuspielen. Der US-Wissenschaftler Monroe Friedman hat versucht, den Einfluss von Boykotten auf das Verhalten von Unternehmen empirisch zu belegen. Demnach bewirkten Aktivisten in jedem vierten Fall etwas. Allerdings beteiligt sich nur die Minderheit der Verbraucher an solchen Aktionen, in Deutschland sind es nur 8,3 Prozent.
Was ist die größte Schwäche eines Boykotts?
Schlagkraft entwickelt die Kaufverweigerung, wenn Konsumenten ein prominentes Unternehmen herausgreifen. Boykotts sind also immer selektiv. Außerdem laufen viele Verbraucher einer kritischen Entwicklung oft hinterher. Sie boykottieren dann eine Firma; die neue Bezugsquelle agiert aber ebenfalls fragwürdig.
Näherinnen arbeiten in einer chinesischen Textilfabrik.
Wie aussagekräftig sind die Infozettel im Kleidungsstück?
Ein Modeunternehmen muss nur angeben, in welchem Land ein Kleidungsstück hergestellt worden ist und aus welchen Materialien es besteht. Ein T-Shirt „Made in Spain“ kann aber auch nur in Spanien am Ende zusammengenäht worden sein. Ob die Bauern die Baumwolle für das Shirt ohne Atemschutz mit Pestiziden behandelt haben oder ob Menschen in Spinnereien ausgebeutet werden, von all dem erfährt der Verbraucher auf diesem Etikett nichts.
Sind Produktsiegel eine Lösung?
Selbst informierte Konsumenten verlieren bei rund tausend Siegeln den Überblick. Nach Ansicht von Verbraucherschützern erwecken außerdem etwa 80 Prozent falsche oder übertriebene Hoffnungen. Trotz der großen Vielfalt existiert bislang kein Siegel, das die gesamte Produktionskette abdeckt, also vom Baumwollanbau über die Verarbeitung bis zum Verkauf. Wichtig für die Glaubwürdigkeit von Siegeln ist, dass sie von unabhängigen Stellen vergeben und kontrolliert werden. Die „Kampagne für Saubere Kleidung“ zählt dazu die Fair Wear Foundation, bei der Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs versuchen, Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Textilsiegel „Global Organic Textile“ (GOTS) umfasst zwar den Herstellungsprozess eines Kleidungsstücks, außen vor bleiben aber weitgehend Sozialstandards. Das Siegel „Fairtrade certified cotton“ wiederum garantiert faire Arbeitsbedingungen, langfristige Handelsbeziehungen und fördert den Umstieg auf biologischen Anbau. Die weitere Verarbeitung in den Fabriken ist nicht eingeschlossen.
Warum plant Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ein eigenes Textilsiegel?
Das Label soll umfassender sein als bisherige, Müller will es bis Ende des Jahres einführen. Ausgezeichnet werden soll Kleidung, die ökologisch und sozial gerecht hergestellt wird. Der Zeitplan dürfte kaum einzuhalten sein, sagen verschiedene Experten, die an Gesprächen in dem Ministerium teilgenommen haben. Dort beraten Vertreter von Industrie, Handel, Politik und Zivilgesellschaft. Ein Knackpunkt ist die Frage der Verbindlichkeit: Vertreter von NGOs wollen rechtlich verbindliche Vorgaben, Konzerne setzen hingegen auf Freiwilligkeit.
Was bringen freiwillige Regeln?
Der Global Compact der UN etwa ist eine Initiative für Unternehmen, die sich freiwillig an Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung ausrichten. Aber: Die freiwilligen Selbstauskünfte bleiben ungeprüft, bei Verstößen drohen ihnen keine Sanktionen. Die Unternehmen profitieren vom Ruf der Vereinten Nationen. Ein generelles Problem der Freiwilligkeit: Vermeidet ein Konzern Schäden an Mensch oder Umwelt, ist er oft weniger rentabel als Konkurrenten, die keine Skrupel haben.
Was ist ein fairer Lohn?
Die Bezahlung in asiatischen Nähfabriken ist derzeit oft zu gering, um die Beschäftigten ausreichend zu ernähren. Wenn Fabriken aber wegen steigender Löhne ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Und kein Job ist häufig schlimmer als ein mieser Job. Ein Ausweg könnte es sein, bei einem Siegel weniger den Istzustand zu gewichten, als den Prozess und stetige Verbesserungen zu honorieren.
Müssen Konzerne Menschenrechte beachten?
Die internationalen Menschenrechtsverträge richten sich ausschließlich an Regierungen. Es ist also die Aufgabe der Staaten, die Bevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, auch wenn Unternehmen sie begehen. Oft fehlen aber wirksame staatliche Strukturen. Regierungen aus Entwicklungs- und Schwellenländern versuchen sogar oft bewusst, im globalen Standortwettbewerb mit dem Verbot von Gewerkschaften und mit fragwürdigen Arbeitsgesetzen zu punkten, wie Wissenschaftler festgestellt haben.
Können Verbraucher durch Boykott etwas bewegen?
Genaue Zahlen kennen nur die Konzerne und die neigen oft dazu, die Wirkung herunterzuspielen. Der US-Wissenschaftler Monroe Friedman hat versucht, den Einfluss von Boykotten auf das Verhalten von Unternehmen empirisch zu belegen. Demnach bewirkten Aktivisten in jedem vierten Fall etwas. Allerdings beteiligt sich nur die Minderheit der Verbraucher an solchen Aktionen, in Deutschland sind es nur 8,3 Prozent.
Was ist die größte Schwäche eines Boykotts?
Schlagkraft entwickelt die Kaufverweigerung, wenn Konsumenten ein prominentes Unternehmen herausgreifen. Boykotts sind also immer selektiv. Außerdem laufen viele Verbraucher einer kritischen Entwicklung oft hinterher. Sie boykottieren dann eine Firma; die neue Bezugsquelle agiert aber ebenfalls fragwürdig.