New York – Für diesen Trick der Schuldeneintreiber Amerikas muss man ganz schön um die Ecke denken. Der Trick ist, dass er kein Trick ist: Geldeintreiber-Firmen lassen gerichtliche Vorladungen und Klageschriften verschicken, die auf den ersten Blick wie Fälschungen aussehen. Die meisten Menschen werfen sie in den Papierkorb. In Wirklichkeit sind die Schreiben aber echt, und wer nicht binnen der Frist reagiert, verliert automatisch das Gerichtsverfahren. Die Geldeintreiber kalkulieren das ein, sie hoffen, dass die Menschen die Post vom Gericht für einen Betrug halten.
Einen Brief der Schufa erkennt man sofort – bei den amerikanischen Schuldeneintreibern ist das anders.
In einigen Bundesstaaten, zum Beispiel in Minnesota, funktioniert der Kniff besonders gut. Gerichte verschicken hier Schreiben ohne Aktenzeichen mit dem Hinweis: „Sie wurden verklagt.“ Sie sehen nicht sehr seriös aus. Und wer bei Gericht anruft, bekommt keine Auskunft. Weil das Verfahren offiziell noch nicht begonnen hat, ist es dort nicht bekannt. „Viele Verbraucher werden wegen Schulden verklagt, denken die Klage sei eine Fälschung und ignorieren sie“, sagt der Anwalt Randall Ryder aus Minneapolis. „Im Ergebnis verlieren sie ihr Verfahren, bevor es angefangen hat.“ Es ist nur einer von vielen Tricks, die die Branche in den vergangenen Jahren erfunden hat. Schuldeneintreiben ist eine riesige Industrie in den USA. 4500 Firmen haben sich darauf spezialisiert, sie sammeln im Jahr 12 Milliarden Dollar ein. Allein vor New Yorker Gerichten gehen jährlich 200000 Klagen von Inkassobüros ein.
Die Behörde Consumer Financial Protection Bureau hat zum großen Schlag gegen die zwielichtige Branche angesetzt. Gerade hat sie eine Anwaltskanzlei aus Georgia verklagt, die eine Art „Fabrik für Schulden“ sei. Das Unternehmen Frederick J. Hanna & Associates habe in vier Jahren mehr als 350000 Inkassoverfahren eingeleitet, viele ohne jeden Anlass oder in deutlich überzogener Höhe. Hanna sei eine Art Hochfrequenz-Händler unter den Schuldeneintreiber-Kanzleien, die unter anderem für Kreditkartenbanken wie JP Morgan Chase, Bank of America oder Capital One arbeitet.
Anwälte der Kanzlei hätten sich die Fälle kaum oder gar nicht angeschaut, das meiste machten nichtjuristische Mitarbeiter und Computer, sagt das Consumer Financial Protection Bureau. Einer der Anwälte habe 85 Prozent aller Klagen in Georgia abgezeichnet, im Schnitt 1300 Verfahren pro Woche über einen Zeitraum von zwei Jahren. Ein Teil der Prozesse wurde vor Gericht dann zugunsten der Verbraucher entschieden – besonders wenn sie sich einen Anwalt leisten konnten. Viele sind aber rechtskräftig geworden, weil die Menschen nie vor Gericht erschienen sind. Die Firma dementiert alles.
Nur wenige Tage vorher hat das Bureau einen Vergleich mit ACE Cash Express geschlossen, einem Unternehmen, das Kredite mit kurzer Laufzeit vergibt und diese mit eigenen Agenten und Auftragsleuten eintreibt. Die Eintreiber seien „schonungslos und übereifrig“. Sie riefen immer wieder an, setzen die Schuldner mit falschen Drohungen unter Druck und drängten sie dazu, neue, teurere Kredite abzuschließen, um die alten zu refinanzieren. Manchmal riefen sie sogar wiederholt bei den Arbeitgebern oder Verwandten der Schuldner an. 10 Millionen Dollar muss die Firma zahlen.
ACE ist kein Einzelfall, gerade der Telefonterror in frühen Morgenstunden oder abends nach 21 Uhr gehört zum Standardprogramm und ist verboten nach dem Fair Debt Collection Practices Act. Manche Eintreiber drohen sogar mit Haftstrafen für die Schuldner. In einem Fall in Pennsylvania im Jahr 2010 hat ein Inkassobüro sogar in einem unauffälligen Flachbau ein komplettes Gericht erfunden, in dem ein Imitat-Richter in falscher Robe von einer falschen Richterbank hinab die Schuldner dazu brachte, geheime Informationen über ihre Bankkonten preiszugeben.
Seit Anfang 2013 gibt es zum Schutz der Verbraucher die Behörde Consumer Financial Protection Bureau. Der Staat hat sie in dem umfangreichen Dodd-Frank-Gesetz eingeführt, mit dem der Kongress 2010 die Lehren aus der Finanzkrise zog. Sie kümmert sich um allerlei Probleme der Menschen mit der Finanzbranche. Allein zwischen April 2013 und März 2014 sind bei der Behörde 192200 Beschwerden von Bürgern eingegangen, es geht um Kreditkartenanträge, erdrückende Studienkredite und immer wieder, in rund einem Drittel der Fälle, auch um Schuldeneintreiber und deren Methoden. Die meisten Menschen beschweren sich, dass die Eintreiber von ihnen Geld haben wollen, das sie gar nicht schulden. Das Problem verschärft sich immer weiter: 2011 war noch die Handelsbehörde Federal Trade Commission für die Beschwerden zuständig, in dem Jahr sind 180000 Hilferufe eingegangen. Im Jahr 2000 waren es gerade mal knapp 14000.
„Während wir uns aus der verheerenden Finanzkrise der Jahre 2008 bis 2010 herausbewegen, stellen wir fest, dass Schuldeneintreiben ein zentrales Problem unserer Zeit ist“, schreibt das Consumer Financial Protection Bureau in seinem aktuellen Halbjahresbericht. 30 Millionen Verbraucher würden derzeit von Inkassofirmen verfolgt, fast jeder zehnte Amerikaner. Im Schnitt lägen die Schulden bei rund 1500 Dollar. Viele der Geldeintreiber arbeiteten im Rahmen der Gesetze, aber andere würden sich darüber hinwegsetzen – und das Ansehen der Branche beschädigen.
Das Consumer Financial Protection Bureau schreibt Regeln für die Finanzbranche und setzt sie auch durch. Zum Beispiel steht im Regelwerk, dass sich die Finanzunternehmen vor den Menschen ordentlich ausweisen und darlegen müssen, welche Summen diese schulden. Sie müssen darüber hinaus ein internes Verfahren haben, um Streitfälle beizulegen. Und sie sollen „zivil und ehrlich“ mit den Verbrauchern umgehen. Das Bureau ist zuständig für die größten Firmen der Branche, alle mit jährlichen Geldeingängen von mehr als 10 Millionen Dollar. Das sind rund 175 Unternehmen, die zusammen pro Jahr mehr als 10 Milliarden Dollar einsammeln. Ebenfalls ein Problem, das die Behörde sehr beschäftigt, ist der Weiterverkauf von Schulden.
Vor der Finanzkrise war er noch üblicher, aber auch jetzt gibt es noch Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, etwa Kreditkartenschulden aufzukaufen und einzutreiben. Das führt dazu, dass sich Firmen an die Schuldner wenden, deren Namen diese nie gehört haben. „Verbraucher berichten von ihrer Verwirrung über Schuldenverkäufe, unter anderem über die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Unternehmen, die Wirksamkeit ihres Anspruchs zu belegen und über die Gebühren, die sie auf die geschuldete Summe aufschlagen“, schreibt das Bureau.
Der gängigste Trick der Geldeintreiber ist, die Schuldner, denen es oft an Bildung fehlt, mit Jura-Kauderwelsch zu verschrecken. Die Ansprüche und Schreiben klingen offiziell, sind aber für viele unverständlich, sagt das Better Business Bureau, ein Verein für die Beratung von Kleinunternehmern. Eine typische Nachricht auf einem Anrufbeantworter klinge so: „Hier spricht die Einheit für zivile Investigation. Wir rufen Sie wegen einer Beschwerde an, die gegen Sie eingelegt wurde in Sachen der Forderung und eidesstattlichen Erklärung Nummer D00D-2932, in der Sie als Beklagter eines Gerichtsprozesses genannt werden und erscheinen müssen. Sie oder Ihr Anwalt haben 24 bis 48 Stunden, gegen diese Sache Einspruch einzulegen.“
Einen Brief der Schufa erkennt man sofort – bei den amerikanischen Schuldeneintreibern ist das anders.
In einigen Bundesstaaten, zum Beispiel in Minnesota, funktioniert der Kniff besonders gut. Gerichte verschicken hier Schreiben ohne Aktenzeichen mit dem Hinweis: „Sie wurden verklagt.“ Sie sehen nicht sehr seriös aus. Und wer bei Gericht anruft, bekommt keine Auskunft. Weil das Verfahren offiziell noch nicht begonnen hat, ist es dort nicht bekannt. „Viele Verbraucher werden wegen Schulden verklagt, denken die Klage sei eine Fälschung und ignorieren sie“, sagt der Anwalt Randall Ryder aus Minneapolis. „Im Ergebnis verlieren sie ihr Verfahren, bevor es angefangen hat.“ Es ist nur einer von vielen Tricks, die die Branche in den vergangenen Jahren erfunden hat. Schuldeneintreiben ist eine riesige Industrie in den USA. 4500 Firmen haben sich darauf spezialisiert, sie sammeln im Jahr 12 Milliarden Dollar ein. Allein vor New Yorker Gerichten gehen jährlich 200000 Klagen von Inkassobüros ein.
Die Behörde Consumer Financial Protection Bureau hat zum großen Schlag gegen die zwielichtige Branche angesetzt. Gerade hat sie eine Anwaltskanzlei aus Georgia verklagt, die eine Art „Fabrik für Schulden“ sei. Das Unternehmen Frederick J. Hanna & Associates habe in vier Jahren mehr als 350000 Inkassoverfahren eingeleitet, viele ohne jeden Anlass oder in deutlich überzogener Höhe. Hanna sei eine Art Hochfrequenz-Händler unter den Schuldeneintreiber-Kanzleien, die unter anderem für Kreditkartenbanken wie JP Morgan Chase, Bank of America oder Capital One arbeitet.
Anwälte der Kanzlei hätten sich die Fälle kaum oder gar nicht angeschaut, das meiste machten nichtjuristische Mitarbeiter und Computer, sagt das Consumer Financial Protection Bureau. Einer der Anwälte habe 85 Prozent aller Klagen in Georgia abgezeichnet, im Schnitt 1300 Verfahren pro Woche über einen Zeitraum von zwei Jahren. Ein Teil der Prozesse wurde vor Gericht dann zugunsten der Verbraucher entschieden – besonders wenn sie sich einen Anwalt leisten konnten. Viele sind aber rechtskräftig geworden, weil die Menschen nie vor Gericht erschienen sind. Die Firma dementiert alles.
Nur wenige Tage vorher hat das Bureau einen Vergleich mit ACE Cash Express geschlossen, einem Unternehmen, das Kredite mit kurzer Laufzeit vergibt und diese mit eigenen Agenten und Auftragsleuten eintreibt. Die Eintreiber seien „schonungslos und übereifrig“. Sie riefen immer wieder an, setzen die Schuldner mit falschen Drohungen unter Druck und drängten sie dazu, neue, teurere Kredite abzuschließen, um die alten zu refinanzieren. Manchmal riefen sie sogar wiederholt bei den Arbeitgebern oder Verwandten der Schuldner an. 10 Millionen Dollar muss die Firma zahlen.
ACE ist kein Einzelfall, gerade der Telefonterror in frühen Morgenstunden oder abends nach 21 Uhr gehört zum Standardprogramm und ist verboten nach dem Fair Debt Collection Practices Act. Manche Eintreiber drohen sogar mit Haftstrafen für die Schuldner. In einem Fall in Pennsylvania im Jahr 2010 hat ein Inkassobüro sogar in einem unauffälligen Flachbau ein komplettes Gericht erfunden, in dem ein Imitat-Richter in falscher Robe von einer falschen Richterbank hinab die Schuldner dazu brachte, geheime Informationen über ihre Bankkonten preiszugeben.
Seit Anfang 2013 gibt es zum Schutz der Verbraucher die Behörde Consumer Financial Protection Bureau. Der Staat hat sie in dem umfangreichen Dodd-Frank-Gesetz eingeführt, mit dem der Kongress 2010 die Lehren aus der Finanzkrise zog. Sie kümmert sich um allerlei Probleme der Menschen mit der Finanzbranche. Allein zwischen April 2013 und März 2014 sind bei der Behörde 192200 Beschwerden von Bürgern eingegangen, es geht um Kreditkartenanträge, erdrückende Studienkredite und immer wieder, in rund einem Drittel der Fälle, auch um Schuldeneintreiber und deren Methoden. Die meisten Menschen beschweren sich, dass die Eintreiber von ihnen Geld haben wollen, das sie gar nicht schulden. Das Problem verschärft sich immer weiter: 2011 war noch die Handelsbehörde Federal Trade Commission für die Beschwerden zuständig, in dem Jahr sind 180000 Hilferufe eingegangen. Im Jahr 2000 waren es gerade mal knapp 14000.
„Während wir uns aus der verheerenden Finanzkrise der Jahre 2008 bis 2010 herausbewegen, stellen wir fest, dass Schuldeneintreiben ein zentrales Problem unserer Zeit ist“, schreibt das Consumer Financial Protection Bureau in seinem aktuellen Halbjahresbericht. 30 Millionen Verbraucher würden derzeit von Inkassofirmen verfolgt, fast jeder zehnte Amerikaner. Im Schnitt lägen die Schulden bei rund 1500 Dollar. Viele der Geldeintreiber arbeiteten im Rahmen der Gesetze, aber andere würden sich darüber hinwegsetzen – und das Ansehen der Branche beschädigen.
Das Consumer Financial Protection Bureau schreibt Regeln für die Finanzbranche und setzt sie auch durch. Zum Beispiel steht im Regelwerk, dass sich die Finanzunternehmen vor den Menschen ordentlich ausweisen und darlegen müssen, welche Summen diese schulden. Sie müssen darüber hinaus ein internes Verfahren haben, um Streitfälle beizulegen. Und sie sollen „zivil und ehrlich“ mit den Verbrauchern umgehen. Das Bureau ist zuständig für die größten Firmen der Branche, alle mit jährlichen Geldeingängen von mehr als 10 Millionen Dollar. Das sind rund 175 Unternehmen, die zusammen pro Jahr mehr als 10 Milliarden Dollar einsammeln. Ebenfalls ein Problem, das die Behörde sehr beschäftigt, ist der Weiterverkauf von Schulden.
Vor der Finanzkrise war er noch üblicher, aber auch jetzt gibt es noch Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, etwa Kreditkartenschulden aufzukaufen und einzutreiben. Das führt dazu, dass sich Firmen an die Schuldner wenden, deren Namen diese nie gehört haben. „Verbraucher berichten von ihrer Verwirrung über Schuldenverkäufe, unter anderem über die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Unternehmen, die Wirksamkeit ihres Anspruchs zu belegen und über die Gebühren, die sie auf die geschuldete Summe aufschlagen“, schreibt das Bureau.
Der gängigste Trick der Geldeintreiber ist, die Schuldner, denen es oft an Bildung fehlt, mit Jura-Kauderwelsch zu verschrecken. Die Ansprüche und Schreiben klingen offiziell, sind aber für viele unverständlich, sagt das Better Business Bureau, ein Verein für die Beratung von Kleinunternehmern. Eine typische Nachricht auf einem Anrufbeantworter klinge so: „Hier spricht die Einheit für zivile Investigation. Wir rufen Sie wegen einer Beschwerde an, die gegen Sie eingelegt wurde in Sachen der Forderung und eidesstattlichen Erklärung Nummer D00D-2932, in der Sie als Beklagter eines Gerichtsprozesses genannt werden und erscheinen müssen. Sie oder Ihr Anwalt haben 24 bis 48 Stunden, gegen diese Sache Einspruch einzulegen.“