Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Uferlos

$
0
0
Als Andreas Fath acht Jahre alt war, hat er mit dem Leistungsschwimmen begonnen und ist seitdem fast jeden Tag seines Lebens ins Wasser gestiegen. Er ist Deutscher Meister im Freiwasserschwimmen geworden und hält Rekorde für die Durchquerung des Bodensees. Er bezeichnet sich selbst als hydrophil und hat seine Frau beim Schwimmen kennengelernt. Er muss es als große Ungerechtkeit empfinden, dass er in einer Phase der Evolution auf die Welt gekommen ist, in der man sich nicht mehr dauerhaft im Wasser aufhält. Beruflich ist Andreas Fath selbstverständlich Abwasserforscher.



Der Chemiker Andreas Fath hat bereits 1231 Kilometer Fluss durchschwommen.

Früher sind die Menschen zum Demonstrieren nur auf die Straße gegangen, aber die Straßen sind meistens ziemlich voll, wegen all der kleinen und großen Dinge im Leben, für oder gegen die demonstriert werden muss. Also wird nun auch im Wasser weitergemacht. Gleich zwei Männer durchschwimmen dieser Tage den Rhein von seiner Quelle bis zur Mündung und haben ein paar Botschaften für die Landratten am Ufer dabei. Andreas Fath, der Professor und Abwasserforscher, sammelt Geld für ein neues Analysegerät, mit dem er das Wasser noch sauberer machen will. Ein paar Sponsoren haben schon angebissen. Die Mission von Ernst Bromeis ist nicht so klar umrissen. Er ist zwar drei Wochen vor Fath gestartet, aber sein Anliegen ist etwas untergegangen in diesen unruhigen Zeiten. „Wasserbotschafter“ und „Grenzschwimmer“, nennt sich Bromeis – vor zwei Jahren war der Schweizer selbst an seine Grenzen gestoßen und musste die Durchschwimmung des Rheins abbrechen, vor lauter Erschöpfung bei Kilometer 400. Jetzt ist er erneut unterwegs und nähert sich dem Ziel nach 1231 Kilometern Fluss. Er schwimmt für den „nachhaltigen Umgang mit dem Lebenselement Wasser und das Menschenrecht auf freien Zugang zu sauberem Wasser“.

Der Rhein war lange nicht sehr sauber, am Montag schwamm Andreas Fath an den Chemiewerken in Leverkusen vorbei, die früher ihre Abwässer ungefiltert in den Fluss gekippt haben. Mittlerweile ist der Rhein so sauber, dass es wieder Lachse gibt und man drin schwimmen kann.

Er könnte aber noch sauberer sein, glaubt Fath. An der Fachhochschule Furtwangen beschäftigt sich der Professor der Chemie damit, was heutzutage nicht von den Kläranlagen aus dem Wasser geholt werden kann: Medikamentenrückstände von Antibiotika und Antidepressiva. Drogen wie Crystal Meth und Süßstoffe aus Softdrinks. Nimmt man das alles mal zusammen, müssten im Rhein lauter schlanke, gesunde und recht glückliche Fische schwimmen. Vielleicht ist der Cocktail aber doch auch etwas viel: Immerhin liefert der Rhein das Trinkwasser für 22 Millionen Menschen. Fath sagt, er arbeite an Methoden, mit denen man die Rückstände elektrisch zersetzen kann. Für die Forschung brauche er noch ein Analysegerät, das ihm die Fachhochschule nicht bezahlen kann. Fath brauchte aber wohl auch einfach einen guten Grund, um die vorlesungsfreie Zeit im Wasser zu verbringen, anstatt mit der Familie diskutieren zu müssen, wer auf dem Campingplatz nun den Abwasch macht. Er liebe seine Frau und die drei Söhne, sagt Fath. Aber die acht bis zehn Stunden, die er täglich im Wasser verbringe, seien schon sehr schön: „Für mich ist es mentale Erholung.“ An guten Tagen kann er sich einfach treiben lassen und schafft bis zu 15 Kilometer in der Stunde. Am Anfang, am Oberrhein, war es schwieriger, der Fluss enger und gefährlicher. Da sei es eher eine Art „Bodyrafting“ gewesen, sagt Fath. Ein Kajak und ein Beiboot begleiten ihn auf einer der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Fath schwimmt am Rand, was nicht ungefährlich sein kann, allein im Großraum Köln ertrinken jedes Jahr mehrere Menschen im Rhein, weil sie die Strömungen unterschätzen. Fath hat sich einen Anzug aus Neopren bauen lassen, mit kleinen Kämmerchen, die Auftrieb geben. Mit kleinen Gefäßen nimmt er jeden Tag Wasserproben, die zeigen sollen, wo der Fluss recht sauber ist und wo nicht. Zum Dank wird er dann an den Touretappen von den örtlichen Bürgermeistern mit freundlichen Worten begrüßt. Manchmal gibt es noch einen Bildband dazu. So viel sieht man ja nicht durch die Schwimmbrille.

Ernst Bromeis fehlen nur noch ein paar Kilometer bis zur Mündung in die Nordsee, er ist seit mehr als vierzig Tagen unterwegs, Fath wird noch bis zum 24. August brauchen. Hin und wieder war zu hören, beide würden eine Art Wettrennen veranstalten – in Sachen Rekord, wer als erster den Rhein durchschwamm.

Den Rekord gibt es aber schon: 1969 schwamm Klaus Pechstein durch die damals dreckige Brühe. Er war eines der wenigen lebenden Wesen im Fluss. Pechstein hatte keine Botschaft dabei, er kämpfte nicht für sauberes Wasser oder so. Manchmal stieg er am falschen Ort aus dem Wasser, manchmal rauchte er noch eine im Rhein und trank ein Bier. Er war ein bisschen lässiger als seine Nachfolger. Und schneller war er auch.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345