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Wo geht’s denn hier lang?

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Es blieb dem australischen Finanzminister Joe Hockey vorbehalten, die komplizierten Pläne der G20-Staaten in einfachen Worten zusammenzufassen. „Wir dürfen nicht pessimistisch sein, wir müssen den Menschen Hoffnung geben“, sagte Hockey am Sonntag in der australischen Stadt Cairns zum Abschluss des Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20).

Mehr Wachstum für die Welt zu schaffen, so lautet das ambitionierte Ziel der australischen G20-Präsidentschaft. Es liegen rund 900 wirtschaftspolitische Einzelvorschläge auf dem Tisch, durch deren Umsetzung das globale Bruttosozialprodukt bis 2018 um zwei Prozentpunkte höher ausfallen soll als 2013 prognostiziert. Die letzten Details sollen beim G20-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im November in Brisbane beschlossen werden.



In Austalien trafen sich die G-20-Finanzminister und Notenbankchefs.

Es geht um Grundsätze der Wirtschaftspolitik: Sollen die Regierungen mehr Geld ausgeben, um die Nachfrage zu stärken oder sollen sie ihre Wirtschaftsstruktur durch Deregulierung reformieren? „Für eine nachfrageorientierte Politik und die Geldpolitik der Notenbanken ist der Spielraum weitgehend ausgeschöpft“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Cairns. Schäuble wies Forderungen zurück, Deutschland solle noch mehr Geld ausgeben. „Wir in Deutschland verstärken die Investitionen in die Infrastruktur in dieser Legislaturperiode und werden über die geplanten fünf Milliarden Euro hinausgehen“, sagte Schäuble. „Wir sind nicht im Fokus der Politik. Wir nicht und Europa nicht.“

Das sieht US-Finanzminister Jack Lew allerdings anders. „Europa muss kurzfristig die Nachfrage ankurbeln und langfristig die Wirtschaft strukturell reformieren“, sagte Lew. „Wir haben deutlich gemacht, dass es gilt, beide Teile zusammenzubringen.“ In dieser Frage gebe es jedoch „philosophische Differenzen mit den Freunden in Europa.“

Zweiter Schwerpunkt des Ministertreffens war der Kampf gegen die Steuerflucht großer Konzerne. Die G20-Minister verständigten sich darauf, es internationalen Konzernen künftig schwerer zu machen, die in Cairns versammelten Staaten völlig legal auszutricksen und ihre Steuerlast auf beinahe null Prozent zu drücken. Der Maßnahmenkatalog wurde von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt.

Recht unbescheiden sprach OECD-Generalsekretär Angel Guerra vom ehrgeizigsten Modernisierungsvorhaben für das internationale Steuersystem seit 100 Jahren. Dessen Ungereimtheiten haben sich in den vergangenen Jahren vor allem Internetkonzerne wie Google oder Amazon, aber auch klassische Unternehmen wie Ikea und Starbucks zu nutze gemacht, indem sie die jeweiligen Steuersysteme mit Hilfe von hochbezahlten Fachanwälten gegeneinander ausspielten. So kommt es, dass die Töchter dieser Konzerne in einem Land Zinszahlungen von ihrer Steuer absetzen, die Konzernmutter diese Einnahmen in einem anderen Land aber als steuerfreie Dividenden verbucht. Doppelte Nichtbesteuerung nennt sich das. Auch sollen die Konzerne sich intern nicht mehr steuersparend Leistungen zu völlig überhöhten Preisen in Rechnung stellen dürfen. Ferner wollen die Minister durch intensivere Zusammenarbeit der nationalen Steuerbehörden ermitteln, wie viel Steuern die Unternehmen in welchem Land zahlen und damit mögliche Tricksereien offenlegen.

„Die Weltwirtschaft entwickelte sich im zweiten Quartal schwächer“, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann in Cairns. Es gebe Risiken durch die geopolitischen Spannungen, die Reformmüdigkeit in manchen Ländern der Währungsunion sowie die Ungleichgewichte in Schwellenländern. Doch weil die deutsche Wirtschaft ordentlich wächst, kommt regelmäßig die Forderung, Deutschland müsse mehr Geld ausgeben, auch um die Euro-Nachbarn anzuschieben. Doch die Wirksamkeit deutscher Konjunkturprogramme darf nach Ansicht der Bundesregierung nicht überschätzt werden: Von einem Euro aus einem deutschen Wachstumsprogramm fließe nur ein Cent nach Frankreich und 0,6 Cent nach Italien. „Entscheidend ist, dass wir in den Mitgliedsländern strukturelle Reformen fortsetzen“, sagte Schäuble. Auch der jüngsten Idee, den Euro-Rettungsfonds ESM zur Stärkung des Wirtschaftswachstums in Europa anzuzapfen, erteilte Schäuble aber eine Absage.

Die G20 möchten auch mehr für Infrastrukturprojekte tun. In vielen Staaten müssen Straßen, Krankenhäuser und Häfen gebaut werden, doch oft fehlt den Regierungen das Geld. Stattdessen sollen private Investmentfonds für solche Aufgaben einspringen. Darüber hinaus haben sich die Minister auf höhere Kapitalpuffer für die 29 größten Banken der Welt geeinigt. So soll vermieden werden, dass sofort der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, wenn Banken in Schieflage geraten sind.

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