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Irischer Köder

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Für viele Smartphone-Fans ist die Firma unverändert Kult, manch europäischem Steuerzahler dagegen erscheint der Telefon- und Computerbauer aus dem kalifornischen Cupertino immer mehr als moderner Raubritter: Weltweit soll sich Apple mit erstaunlichem Geschick davor drücken, einen angemessenen Teil seiner Gewinne an den Fiskus abzutreten. Geschadet aber hat das Raubritter-Image der Kult-Marke bisher kaum – und das obwohl der Smartphone-Fan und der Steuerzahler in der Regel ein und dieselbe Person sind.

In den nächsten Tagen allerdings könnte die Zahl der Skeptiker ein wenig zulegen, denn die Europäische Kommission hat am Dienstag einen Bericht vorgelegt, der den Verdacht gegen Apple weiter erhärtet. Demnach soll sich der Konzern durch Absprachen mit den irischen Finanzbehörden massive Steuervorteile erschlichen haben. Leidtragende sind die übrigen EU-Staaten, denen mutmaßlich Einnahmen in Milliardenhöhe verloren gingen.



Hat Apple in Irland zu wenig Steuern gezahlt?

Apple steuert sein gesamtes Europa-Geschäft über Tochterfirmen in Irland. Der Grund: Die Regierung verlangt nicht nur den EU-weit niedrigsten Körperschaftsteuersatz, sondern ist überdies zu individuellen Absprachen mit Großunternehmen bereit. Wer etwa in Deutschland ein iPhone kauft, steigert den Gewinn einer irischen Konzern-Tochter. Durch entsprechende Verschiebereien soll Apple seine Steuerlast außerhalb der USA im vergangenen Jahr auf 3,7 Prozent gedrückt haben.

Die EU-Kommission zitiert in ihrem Bericht aus den Protokollen der Verhandlungen zwischen dem irischen Fiskus und Apple. Darin legen die Parteien fest, dass nur ein Teil des Geschäfts der irischen Firmentöchter steuerlich berücksichtigt werden soll. 2012 hat Apple demnach 460 bis 520 Millionen Euro mit zwei irischen Gesellschaften umgesetzt. Dass die Kommission statt einer konkreten Zahl eine Spanne nennt, soll das Geschäftsgeheimnis von Apple wahren. Wegen des Deals mit dem Finanzamt musste der Konzern nur 50 bis 70 Millionen Euro als „besteuerbares Einkommen“ deklarieren. Die tatsächliche Steuerschuld belief sich am Ende auf lediglich rund zwei Millionen Euro.

Der irische Staat muss der Kommission nun weitere Unterlagen zuschicken, auch Apple darf auf die Vorwürfe antworten. Bisher haben beide Beteiligten jedwede Vorwürfe zurückgewiesen. Entscheiden wird erst die neue Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker. Im Extremfall könnte die irische Regierung gezwungen werden, Beihilfen in Milliardenhöhe von Apple zurückzuverlangen. Ähnliche Verfahren laufen gegen Junckers Heimatland Luxemburg und gegen die Niederlande. Betroffen ist in Luxemburg eine Finanztochter des Autobauers Fiat, in den Niederladen die Kaffeehauskette Starbucks.

In dem Zwischenbericht der EU-Kommission wird an mehreren Stellen deutlich, dass die Behörde den Steuer-Deal als illegal ansieht – auch wenn die endgültige Entscheidung noch aussteht. Die Vereinbarung sei nicht durch tatsächliche Werke oder durch Ausgaben für einen Maschinenpark gedeckt, heißt es in dem Papier.

Auch die Bundesregierung sieht das Gebaren kritisch, hat sich aber bisher nicht getraut, den Druck auf Dublin zu erhöhen – selbst als die Iren 2010 wegen der Schieflage ihrer Banken ein milliardenschweres Hilfspaket von den EU-Partnern und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erbitten mussten. Mittlerweile gibt man sich in Berlin ein wenig forscher: So will man etwa dem irischen Ersuchen um eine vorzeitige Rückzahlung eines Teils der Hilfskredite nur zustimmen, wenn sich Irland endlich aktiv am Kampf gegen die Steuertricksereien großer Konzerne beteiligt.

Die irische Regierung ist sich jedoch angeblich keiner Schuld bewusst. Das Finanzministerium bezeichnet die Brüsseler Vorwürfe als Ergebnis von „Missverständnissen“. Die „betroffene Firma“, also Apple, habe keinerlei Vorzugsbehandlung genossen und sei „in kompletter Übereinstimmung mit den Gesetzen“ besteuert worden, heißt es in einer Mitteilung. Die Prüfung von Seiten der EU werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, doch sei die Regierung überzeugt, dass am Ende kein Verstoß gegen Beihilferegeln festgestellt werde. Im Übrigen drehe sich die Untersuchung um eine „technische Frage“ – keinesfalls gehe es um das irische Steuersystem an sich.

Kein Wunder, dass der letzte Punkt der Regierung so wichtig ist: Denn der Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent ist aus Sicht Dublins ein wichtiger Köder, um Investoren anzulocken. Tatsächlich waren es die Milliarden-Investitionen ausländischer Konzerne, die in den Neunzigerjahren aus dem einstigen Armenhaus Europas den Keltischen Tiger machten. Vor allem Banken, Pharma-, Medizintechnik- und IT-Konzerne wurden von der Kombination aus niedrigen Steuern und gut ausgebildeten, jungen englischsprachigen Arbeitnehmern angelockt. Doch die Finanzkrise und das Platzen der Immobilienblase trafen Irland hart. Die Regierung musste die siechen Banken übernehmen und für deren Kredite geradestehen, die Staatsverschuldung schoss durch die Decke. Mittlerweile wächst die Wirtschaft jedoch wieder rasant – vor allem dank ausländischer Investitionen und hoher Exporte.

In Sachen Steuerdumping und Steuergestaltung aber läuft die Uhr eindeutig gegen Dublin: Schon im November wollen die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Volkswirtschaften (G20) bei ihrem Treffen im australischen Brisbane die Daumenschrauben weiter kräftig anziehen.

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