Dauerthema in der Energiewende: Braunkohlekraftwerke.
Am Morgen schon hatte der Industrieverband BDI vorgelegt. Eilends verschickt der Verband eine Studie, die vor staatlichen Eingriffen in die Kohlekapazitäten warnt: Sie brächten dem Klima wenig, weil Emissionen nur ins Ausland verlagert würden. „Kraftwerksstilllegungen schädigen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ganz unmittelbar“, warnt BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber, „ohne Nutzen für das Klima.“
Zu der Stunde halten sich die Stromkonzerne noch alle bedeckt. Offiziell sollten sie schließlich erst am Nachmittag von Gabriels Plänen erfahren, doch die Papiere kursierten schon seit dem Wochenende. Im Kern laufen sie auf die Stilllegung einzelner Kraftwerke hinaus, dies aber nach Wahl der Stromkonzerne. Bis zum Jahr 2020 sollen sie 22 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid ausstoßen, als es nach bisherigen Prognosen der Fall gewesen wäre. Es soll helfen, die deutschen Klimaziele bis 2020 doch noch zu schaffen. Und vermutlich werden damit auch die Börsenpreise für Strom steigen.
Spätestens hier hört der Spaß auf – zumindest für Industriebetriebe, die den Strom verbrauchen. Sie fürchten höhere Preise. Den Strom-Erzeugern, den großen Konzernen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, könnte Gabriels Abschaltplan dagegen sogar helfen: Sie würden vielleicht etwas weniger Strom erzeugen, das aber zu einem höheren Preis. Am Ende könnte faktisch eine kollektive Beschränkung der Kapazitäten stehen, auf die sich die Betreiber anders nicht hätten verständigen können – des Kartellrechts wegen. Denn seit Jahren plagen den Markt massive Überkapazitäten. Die Folge ist ein massiver Preisverfall an der Strombörse: Wurde Strom im November 2011 noch für über 60 Euro die Megawattstunde verkauft, kostet er heute nur noch an die 40 Euro. Zunehmend belastet das die Bilanzen der Stromkonzerne.
Auch deswegen bringt Hildegard Müller an diesem Nachmittag die Kapazitätsmärkte samt Kraftwerksaufschlag ins Spiel, doch der SPD-Chef hält davon, vorsichtig gesagt, gar nichts. Gabriel habe Müller regelrecht zusammengefaltet, berichten Teilnehmer nach dem einstündigen Treffen. Ein „Hartz-IV für alte Kraftwerke“ hatte er schon früher abgelehnt. Als Bedingung für seinen Klima-Kohleplan will er den Bonus nun erst recht nicht hinnehmen. Der CDU-Frau Müller, die über beste Kontakte zur Kanzlerin verfügt, dürfte das bei dem Treffen auch deutlich geworden sein.
Doch damit ist der Konflikt erst richtig entbrannt, denn mindestens der Stromverband ist über Gabriels überfallartiges Vorgehen pikiert – und auch über den rüden Ton am Montagnachmittag. Obendrein ist nicht klar, inwieweit die Union schon in die Pläne des SPD-Ministers eingeweiht ist: Im Kanzleramt jedenfalls waren sie bis Montagmittag noch nicht eingegangen. Dabei sollen die Grundzüge schon in gut einer Woche das Kabinett passieren.
Zumindest aber die Kampflinien sind nun klar. Die Stromkonzerne etwa wollen neue Einschnitte nur dann ohne Widerstand hinnehmen, wenn ihnen keine Nachteile entstehen. „Neue Eingriffe in das Eigentum der Energiebranche wie beim beschleunigten Atomausstieg, werden wir nicht akzeptieren“, verlautet aus einem Energiekonzern. Gabriel selbst wiederum sieht darin kein Problem, schließlich könnten die Unternehmen selbst entscheiden, welche Kraftwerke sie stilllegen. „Wir werden zum Abbau von Überkapazitäten kommen“, sagt er nach dem Treffen, „das ist normal.“ Und Müller? Ihr Verband bekräftigt am Abend noch einmal, man wolle „kurzfristig, konstruktiv und ergebnisoffen“ verhandeln. Um dann, ganz diskret, noch einmal auf seine Vorschläge zum Kapazitätsmarkt hinzuweisen.