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Das Experiment

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Es gibt Worte, die verstören. Karrierefrau ist so ein Wort. Es wird viel öfter gebraucht als das Wort Karrieremann. Noch. Im Online-Duden kommen beide Wörter vor: Karrieremann und Karrierefrau. Die Erläuterungen geben einen tiefen Einblick in gesellschaftliche Rollenbilder.

Karrieremann: Mann, der Karriere gemacht hat oder dabei ist, Karriere zu machen. Für Karrierefrau gibt es zwei Deutungen: a) Frau, die dabei ist, Karriere zu machen bzw. die eine wichtige berufliche Stellung errungen hat. b) (oft abwertend) Frau, die ohne Rücksicht auf ihr Privatleben und ihre Familie ihren Aufstieg erkämpft hat.




EIne Frau als Chef muss normal werden.

Deshalb mag Annika Farin, 43, das Wort Karrierefrau nicht mehr so recht. Weil es ein Schimpfwort geworden ist, und sie nichts getan hat, wofür sie sich beschimpfen lassen müsste. Farin, eine der vielen Teilnehmerinnen des SZ-Gipfels, hat Betriebswirtschaft studiert, war sieben Jahre bei McKinsey („kein Männerladen“), dann Personalchefin bei dem Halbleiter-Konzern Infineon („eher ein Männerladen“). Seit zehn Jahren ist sie „ihr eigener Herr“.


Redensarten sagen viel aus über die Art einer Gesellschaft.


Das wissen auch die drei Frauen, die auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel über die Frage diskutieren: „Ist Innovation weiblich?“: Stephanie Bschorr, Steuerberaterin, Rechtsanwältin, Geschäftsführerin der HTG-Gruppe und Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, Delia Fischer, Gründerin des Online-Möbelhändlers Westwing, und die Personalberaterin Angela Hornberg. Frauen bewegten sich in einer von „männlichen Sozialisierungs- und Kommunikationsstrukturen“ beeinflussten Arbeitswelt, sagte Hornberg in der Auftaktrunde des Kongresses am Mittwochabend in Berlin. „Frauen sind in den oberen Stockwerken eine Minderheit.“ Gar nicht so einfach, dort Karriere zu machen, wo „die Jungs“, wie Hornberg sie nennt, unter sich sind. „Die verstehen sich“, sagt sie. Soll heißen, sie sprechen die gleiche Sprache – und das ist eine andere als die Sprache der Frauen.


Die Personalberaterin Farin mag zwar nicht pauschalisieren, aber ein paar Unterschiede hat sie schon ausgemacht zwischen den Geschlechtern. „Frauen wollen gefallen. Sie wollen keine Fehler machen, meiden Kritik und Konfrontation. Sie halten sich an die Regeln, die die Firma setzt. Frauen springen sofort auf den Inhalt. Die wollen eine gute Arbeit machen. Das ist alles nicht falsch“, sagt Farin. „Aber es bringt sie auch nicht weiter.“ Männer sind anders. „Sie knüpfen Netzwerke, orientieren sich an Machtströmen. Wer, beispielsweise, nimmt welche Rolle im Aufsichtsrat ein?“, hat sie beobachtet: „Ein wenig von diesem Verhalten sollten sich auch Frauen zu eigen machen“, rät Farin im SZ-Gespräch.


Alle kennen die Stereotypen. Frauen sind sensibler, teamorientierter, intuitiver, fürsorglicher. Männer sind aggressiver, emotional stabiler, dominanter. Frauen wollen gestalten. Männer wollen Macht und Geld. Manche Argumente klingen so, als stammten sie aus einer anderen Generation. Fischer ist mit 30 Jahren die Jüngste auf dem Podium. 2011 „konnte ich keine Frau dazu bewegen, mit mir zu gründen.“ Ein Start-up war vielen zu unsicher, es passte nicht in die Familienplanung.


Hornberg schlug einem Klienten zwei Frauen für eine Führungsposition vor, einfach weil sie am besten für den Job qualifiziert waren. Der Auftraggeber beschied ihr: „Wir wollen keine Experimente machen.“ Die Frau, das Experiment. „Es gibt Frauen, die haben keine Lust auf da oben“, sagt Bschorr: „Da ist es auch nicht so lustig. Die Spitze ist anstrengend – für Frauen und für Männer.“


Kulturen wandeln sich nur langsam, weil sich erst die Menschen wandeln müssen. Es gibt ein paar Erkenntnisse, auch in der Frauenrunde beim SZ-Wirtschaftsgipfel, die sind nicht neu und sie wären von schmerzhafter Banalität, wenn sie in den Unternehmen Alltag wären. Sind sie aber nicht, deshalb sind sie nicht banal. „Das Arbeiten in gemischten Teams mit Frauen und Männern ist mit einem höheren Kreativitätspotenzial verbunden“, sagt ESCP-Rektorin Marion Festing in ihrem Vortrag: „Und das führt zu einem höheren Unternehmenserfolg.“ Der Mangel an Frauen in Führungspositionen sei kein Frauenproblem, sondern ein Business-Problem. „Innovative Unternehmen müssen Diversität ganz oben auf die strategische Agenda setzen.“ Der Chef muss sie sich zu seiner Aufgabe machen, nur dann bewegt sich etwas.


Neben dem wirtschaftlichen Erfolg gibt es noch andere handfeste Argumente für Frauenförderung. Deutschland verspiele seine Zukunftsfähigkeit, wenn Frauen weiter ignoriert würden, sagt Festing (s. Interview). Der Fachkräftemangel ist schon heute ein drängendes Problem. Hornberg hasst das Argument. „Müssen wir dauernd mit der ökonomischen Notwendigkeit argumentieren?“ Das klinge nach Rechtfertigung. „Wir gehören dahin. Ich hoffe, die Herren sind einverstanden.“


Bschorr, Fischer, Hornberg und Farin haben Karriere gemacht wie viele andere Frauen auch schon. Das sollte nichts Besonderes sein, sondern normal. Teil b) im Online-Duden ist hinfällig.


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