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Wenn das Wohnen unbezahlbar wird

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Mittlerweile verschickt Monika Betzenbichler eine kleine Grafik. „Ihre Chancen auf eine geförderte Wohnung“ steht darüber. Darunter sind große gelbe Balken abgebildet. Die zeigen, wie viele Menschen eine Sozialwohnung suchen. Daneben sind kleine orange Balken, mit einem Häuschen drin. Die zeigen, wie viele solcher Wohnungen es gibt. Der Größenunterschied zwischen den orangen und den gelben Balken nimmt in München jedes Jahr zu. 3000 Menschen mehr als im Vorjahr haben 2013 einen Antrag auf eine Wohnung an Betzenbichler und ihre Kollegen vom Amt für Wohnen und Migration geschickt, 22 000 Menschen hofften 2013 auf eine solche Unterkunft. Und einigen davon hat Monika Betzenbichler zum Antwortschreiben die Grafik dazu gelegt – weil das am besten erklärt, dass die Chance, eine Sozialwohnung zu bekommen, immer kleiner wird.



Bezahlbarer Wohnraum wird immer rarer. Besonders ernst ist die Lage im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.

Deutschland war einst Vorreiter im sozialen Wohnungsbau; die Idee, vielen Menschen günstigen Wohnraum zu verschaffen gab es schon im 19. Jahrhundert. In die Praxis umgesetzt wurde sie seit den 1920er-Jahren bis weit in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik, in deren Gesetzgebung sie auch verankert wurde. Von dem Ansatz, breiten Schichten günstiges Wohnen zu ermöglichen, hat sich die Politik seitdem immer weiter verabschiedet. Seit den 1980er-Jahren verlieren immer mehr der ursprünglich geförderten Wohnungen ihre Sozialbindung. Hatte es zu Hochzeiten noch vier Millionen Sozialwohnungen gegeben, waren es 2001 noch 1,8 Millionen. Um 100000 Wohnungen sinkt die Zahl pro Jahr.

„Dieser Schwund wird seit Jahr und Tag nicht ausgeglichen“, sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund. Da gleichzeitig immer mehr Menschen in wenige wachsende Städte ziehen, steigen dort die Mieten und die Gewinne aus Immobiliengeschäften. Umso schwerer wird es für den Staat, den Bestand an Sozialwohnungen zu erhalten oder zu steigern. „Das ist ein sich selbst verstärkender Prozess“, sagt Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. „Wenn es in dem Tempo weitergeht, ist prognostizierbar, wann wir gar keine Sozialwohnungen mehr haben werden“, sagt Ropertz.

Dabei entsteht ein Flickenteppich. Denn einerseits boomen Metropolen, während andererseits bestimmte Kleinstädte und Landstriche zahllose freie Wohnungen für wenig Geld anbieten. Da zudem die Länder ihren Anteil der 518 Millionen Euro, die der Bund ihnen jährlich für Sozialwohnungsbau zur Verfügung stellt, unterschiedlich effizient einsetzen, entstehen absurde Situationen: In München kommen auf die 22000 Antragsteller pro Jahr etwa 2000 freie Wohnungen. Und in Berlin stehen Sozialwohnungen leer, weil Menschen sie sich nicht mehr leisten können. Denn während dort der Sozialwohnungsbau noch in den 1990er-Jahren massiv gefördert wurde, wurden 2003, als das Land Berlin knapp vor der Pleite stand, die Förderungen zurückgefahren. Die Beträge, die abgebaut werden, können die Eigentümer auf die Miete aufschlagen. Und so zahlt man in einer subventionierten Wohnung in Berlin im Schnitt 50 Cent mehr als in den übrigen, unterm Strich 8,65 Euro pro Quadratmeter.

Beim Mieterverein hat man für die Situation nur ein Wort: „Skandal“. Geschäftsführer Reiner Wild hört täglich viele Geschichten aus dem sozialen Wohnungsbau. Von Nettokaltmieten in Schöneberg um die zehn Euro je Quadratmeter, von Leuten, die ausziehen müssen. Wie groß das Problem ist, wurde unlängst durch eine schriftliche Anfrage der Linken-Politikerin Katrin Lompscher im Berliner Abgeordnetenhaus bekannt. Von den 142 000 Sozialmietwohnungen, die mit Förderung der öffentlichen Hand entstanden sind, waren im vergangenen Jahr 5,2 Prozent nicht bewohnt, im Vergleich zu zwei Prozent auf dem freien Wohnungsmarkt.

Das Ergebnis der unterschiedlichen Politik ist dennoch überall das gleiche. Immer mehr Menschen konkurrieren um immer weniger günstige Wohnungen. Und das trifft in wachsenden Städten nicht nur untere Einkommensschichten, sondern auch die Mittelschicht; deren Einkünfte liegen oft über der Grenze für einen Wohnberechtigungsschein oder das Recht auf Wohngeld, reichen aber nicht für die Miete in der Stadt. „Immer mehr Familien, die der sogenannten Mittelschicht angehören, verlieren ihre Wohnung“, sagt Betzenbichler. „Aber es kann doch nicht sein, dass sich München zu einer Stadt entwickelt, in der nur sehr arme und sehr reiche Menschen leben.“ Für sie geht es auch um Teilhabe – wenn es nicht mehr nur die Sozialhilfeempfänger seien, die nicht mehr in ihrer Heimatstadt leben könnten, sondern auch die Krankenschwester, „dann stellt sich schon die Frage: Für wen soll hier Platz sein?“

Die Berliner Politik hat das Thema auf dem Zettel, mehrere Expertenkommissionen sind damit beschäftigt. Der Berliner Senat will etwa 1000 Sozialwohnungen im Jahr errichten, deren Mieten festgelegt sind, für den Mieterverein kommen auch objektbezogene Mieten infrage. Interessenverbände wollen die Vorschriften für den Bau reduzieren: Nicht jede Wohnung muss eine Tiefgarage haben, Baugenehmigungsverfahren sollen vereinfacht werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten ausgedehnt werden. Derzeit sind das etwa 780 000 Haushalte, ab Mitte 2015 sollen es etwa 960 000 in Berlin sein.

In München hat trotzdem nur ein halbes Prozent der Einwohner Recht auf eine Sozialwohnung. „Die Grenzen für staatliche Förderung sind trotzdem noch zu hoch“, sagt Monika Betzenbichler. Andere Kommunen bieten Eigentümern von Sozialwohnungen eine Verlängerung der Bindung und der Förderung an, kaufen verstärkt selbst Wohnungen, unterstützen private Bauträger, fördern Miet- und Baugemeinschaften oder richten wieder Bauabteilungen in ihren Wohnungsbaugesellschaften ein. „Das halte ich für die sinnvollste Strategie“, sagt Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. Bis das zu einer Entspannung führt, kann es aber dauern: „Die Idee, mit solchen Maßnahmen real existierende Zwänge zu bekämpfen, ist illusorisch“, sagt Mieterbund-Sprecher Ropertz.

Aber was können die, die zu reich für staatliche Unterstützung und zu arm für Großstadtmieten sind, unterdessen tun? Die Suche nach Alternativen hat längst begonnen. Das merkt nicht nur Monika Betzenbichler, die außer normalen Anträgen oft auch Briefe bekommt von Menschen, die Tipps wollen, wo es günstige Alternativen zur Sozialwohnung gibt. Sie empfiehlt ihnen gern Genossenschaften. Doch dort haben die Anfragen in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Bei der „Wagnis eG“ in München wurde schon vor Jahren ein Infoabend eingerichtet. Einmal monatlich kommen 60 bis 100 Menschen, die sich für genossenschaftliches Bauen und Wohnen interessieren – und längst nicht jeder sieht darin ein politisches Statement. Doch wer eine Genossenschaftswohnung sucht, braucht Geduld. Manchmal dauert es Jahre, bis die passende Wohnung zur Verfügung steht. Andere Alternativen sind Wohnungen von Baugesellschaften der Städte oder Kirchen. Und noch einen Tipp gibt es, zumindest für Facharbeiter. Denn einzelne Firmen wie etwa Autobauer, die auf Fachkräfte angewiesen sind, bieten wieder verstärkt Wohnungen an. Vollkommen Verzweifelten rät Betzenbichler auch, sich im Umland umzuschauen. „Rausgehen aus der Stadt, das ist manchmal die einzige Alternative.“

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