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Online nach 3000 Jahren

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Internet-Adressen dürfen chinesische Schriftzeichen enthalten


Die Chinesen lieben das Netz. Kein Land hat mehr Internetnutzer, 538 Millionen waren es im Juni. Diesen Monat nun wird das Internet ein Stück chinesischer: Erstmals lösen chinesische Schriftzeichen die bislang notwendigen lateinischen Buchstaben bei der Endung des Domainnamens ab. Bislang sind chinesische Websites nur unter der Landeskennung '.cn' zu erreichen, von Mitte Oktober an dürfen sie sich anstelle des lateinischen Kürzels mit den Schriftzeichen für China schmücken.




Chinesische Schriftzeichen auf dem Vormarsch

Wörtlich übersetzt bedeuten die beiden 'Zhong Guo' ausgesprochenen Zeichen (siehe Abbildung) jenes viel zitierte 'Reich der Mitte'. Gemeint war natürlich die Mitte der bekannten Welt, als die sich die Chinesen jahrtausendelang empfunden hatten. Viele Chinesen fühlen nun, 150 Jahre nachdem sie vom technologisch überlegenen Westen an die Peripherie gedrängt wurden, wachsenden Stolz angesichts der zunehmenden Selbstbehauptung ihrer Wirtschaft und Kultur. Icann, jene Behörde, die die Domainnamen - also die Adressbezeichnungen - im Netz verwaltet, hatte 2010 beschlossen, auch nichtlateinische Schriften zuzulassen. Ob der Sprung der mindestens 3000 Jahre alten chinesischen Schriftzeichen in die Befehlszeile der Browser nun tatsächlich die 'dramatische Verschiebung in unserer Onlinewelt' ist, die der damalige Icann-Präsident Rod Beckstrom prophezeit hatte? Auf jeden Fall ist das Netz nicht länger jenes Weltreich des Englischen, das es lange war. Domainnamen in Arabisch und Kyrillisch gibt es schon seit dem vergangenen Jahr, aber die beiden Sprachen kamen 2011 gerade auf je drei Prozent aller Nutzer. Noch immer 26,8 Prozent verständigten sich auf Englisch - und schon 24,2 Prozent auf Chinesisch; es ist die am schnellsten wachsende Sprachgemeinde.

Nun bescheinigt ein Bericht der Akademie für Sozialwissenschaften den Chinesen, die weltgrößte Gemeinde der Mikroblogger zu stellen: 274 Millionen sollen es sein. Sina Weibo ist der größte Mikrobloggingdienst, das Äquivalent zu Twitter. Twitter selbst ist blockiert; China schickt nicht nur die meisten Nutzer, sondern auch die meisten Zensoren ins Netz. Dienste wie Sina Weibo üben Selbstzensur und sperren täglich neue Begriffe, dennoch haben die Mikroblogs die Debatte in China so lebendig wie nie gemacht. Die Zensoren kommen oft nicht hinterher, Fälle von Korruption und Machtmissbrauch werden tausendfach eingespeist. Partei und Regierung versuchen es mit einer Gegenoffensive: Mehr als 18000 Konten haben Kader und Behörden selbst angelegt, die 'Volkszeitung' hat sechs Redakteure fürs Mikrobloggen abgestellt.

Zum Vormarsch des Chinesischen im Netz gibt es einen Gegentrend: Wie überall auf der Welt schleichen sich auch in China Anglizismen in die Sprache, Nutzer greifen zu Zahlen- und Buchstabenkürzeln - vielleicht sogar mehr als anderswo, da die zeitlos schönen Schriftzeichen erst nach erheblichem Tippaufwand auf dem Bildschirm erscheinen. Und wie überall auf der Welt ist deshalb unter Sprachpuristen ein Heulen und Zetern. Ein junger Chinese würde wohl '7456' in sein Smartphone hacken: Die Ziffernfolge spricht sich fast so aus wie 'qi si wo le' - 'Zum Totärgern'. 

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