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Kopf oder Zahl

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Die Idee scheint verrückt, doch Amerika diskutiert ernsthaft über ein Billionen-Geldstück - die Simpsons haben es vorgemacht.

München - Die Zeichentrickserie Simpsons ist eine Persiflage auf die Gesellschaft und die Politik der USA. Die Debatte der vergangenen Tage wirkt aber eher, als würden sich amerikanische Ökonomen, Blogger und Politiker bemühen, die Simpsons zu parodieren. In der Folge 'Die Trillion-Dollar-Note' von 1998 jagt Homer eben jenen Super-Geldschein, mit dem Präsident Truman nach dem Krieg seinen europäischen Verbündeten helfen will. Er geht auf wundersame Weise 'verloren', weil Truman ihn dem zwielichtigen Milliardär Montgomery Burns ('Amerikas reichster und deshalb vertrauenswürdigster Bürger') anvertraut. 2013 debattiert das reale Amerika, ob der Finanzminister eine Eine-Billion-Dollar-Münze prägen sollte.



Wer hätte das gedacht? Das reale Amerika eifert der Zeichentrickfigur Homer Simpson nach.

Der republikanische Abgeordnete Greg Walden hat einen Gesetzesantrag angekündigt, der dem Finanzministerium verbietet, Geldstücke zu prägen, um Schulden zu bezahlen. Ungewollter Nebeneffekt von Waldens Vorstoß: Er adelt die Idee als eine, die auch Republikaner ernst nehmen. Hauptfigur des Streits ist allerdings Nobelpreisträger Paul Krugman. Der Ökonom hat in seinem Blog bei der New York Times nachgelegt: 'Macht euch bereit, diese Münze zu drucken.' Er ist lautester Verfechter der Idee, Finanzminister Geithner solle die Blockade der Republikaner im Kongress umgehen, indem er eine obskure Gesetzespassage nutzt. Die erlaubt ihm, Münzen aus Platin herstellen zu lassen - von anderen Edelmetallen hat er die Finger zu lassen. Eigentlich soll er nur Gedenk- und Sammlerstücke herausgeben. Doch der Text kann so ausgelegt werden, dass er es dem Minister ermöglicht, Geld zum Schuldendienst zu drucken - was der US-Exekutive verboten ist. Die Idee beflügelt Phantasien: Geithner könnte die Supermünze mit den zwölf Nullen - unter gigantischem Sicherheitsaufwand - herstellen und physisch zur Notenbank bringen lassen, um sie dort in Zahlung zu geben und das Regierungskonto aufzufüllen. Was wäre wenn?

Amerika steht an der Grenze zur Unregierbarkeit. Die Regierung muss gesetzlich vorgeschriebene Ausgaben leisten - und zugleich die ebenfalls verpflichtende Schuldengrenze einhalten. Voraussichtlich Ende Februar kommt es zum nächsten Showdown, dann erreichen die Schulden das Limit von 16, 4 Billionen Dollar. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht, die Schwelle anzuheben, legen automatische Ausgabenkürzungen Regierungsbehörden lahm. Formal könnte der Münztrick funktionieren, für die Regierung Barack Obamas aber Ärger nach sich ziehen. Gerichte könnten die wörtliche Lesart für verfassungswidrig erklären. Sie verstößt schließlich gegen den Gedanken hinter dem Gesetz - dass die Regierung Sammlermünzen herausgeben soll. Die rechtlichen Konsequenzen des Münztricks liegen allerdings größtenteils im Dunkeln: Klagen kann nur, wer persönlich Schaden erleidet, schreibt John Carney vom Sender CNBC. Dafür kämen Angestellte der Prägeanstalt US Mint infrage, weil sie zu einer möglicherweise verfassungswidrigen Handlung gezwungen würden; oder Kongressabgeordnete, weil das Finanzministerium ihr verfassungsgegebenes Recht verletze, 'Geld herzustellen und seinen Wert zu regulieren'.

Die Debatte kommentiert auch der Economist. Die Billion-Dollar-Münze würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, schreibt Ryan Avent: Die Regierung würde ihr eigenes Geld drucken - endgültiges Signal, dass die Politik in Washington zusammengebrochen sei: 'Es besteht die kleine Chance, dass die Weltmärkte Angst vor Amerika bekommen.' Dennoch verweist Avent darauf, dass in der Geldpolitik vermeintlich 'verrückte' Strategien in der Vergangenheit Erfolg hatten: etwa die Abkehr vom Goldstandard in Krisen, unter Franklin D. Roosevelt in den 1930er-Jahren und bei Richard Nixon 1971, gültig bis heute. Avent empfiehlt, lieber nach Bedarf Millionen-Dollar-Münzen zu prägen statt einem einzelnen Billionen-Geldstück, das klinge weniger 'wie der Plot eines James-Bond-Films'.Noch sind die Realisten in der Debatte in der Überzahl. Aber selbst wenn die Münze nie hergestellt wird, kann sie Obama helfen: als Drohkulisse, um die republikanische Blockade zu schwächen. Der Abgeordnete Walden hat seine Furcht vor der Münze bereits demonstriert. Ebenfalls außerordentlich, aber wahrscheinlicher als die Münzprägung ist aber, dass Obama sich auf den 14. Verfassungszusatz beruft: Der verpflichtet ihn, Schulden in jedem Fall zu bezahlen. Er könnte die Opposition also einfach ignorieren.

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