Mit der Ehe für homosexuelle Paare glaubte Präsident Hollande im scheinbar liberalen Frankreich offene Türen einzurennen. Doch der Widerstand der Kirche hat sich zu einer großen Protestbewegung ausgewachsen, die das Land spaltet. Die
Paris - Ein Hauch von Kulturkampf weht durch Frankreich. Er könnte nun zum Sturm erstarken. Eine Allianz aus Religionsvertretern, konservativen und rechten Politikern sowie kämpferischen Eltern ruft die Franzosen für Sonntag zu einer Demonstration in Paris auf. Sie will mehr als eine halbe Million Menschen zusammentrommeln. Die Massen sollen gegen die zentrale gesellschaftspolitische Reform der sozialistischen Regierung unter Präsident François Hollande Sturm laufen: die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare samt dem Recht, Kinder zu adoptieren und - eventuell - die Techniken der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen. Die Opposition fühlt sich im Aufwind.
Der Vorschlag der "Ehe für alle" stößt im eigentlich so fortschrittlichen Frankreich auf Gegenwind.
Eigentlich hatte Hollande gedacht, die 'Ehe für alle' lasse sich im laizistischen und gesellschaftspolitisch scheinbar dezidiert liberalen Frankreich ohne viel Widerstand einführen. Sie stand bereits in seinem Katalog von Wahlversprechen, hatte bei der Präsidentschaftskampagne im Frühjahr 2012 jedoch keine besondere Rolle gespielt. Nun verspüren Hollande und seine Sozialisten plötzlich heftigsten Gegenwind. Die Ehe für Lesben und Schwule wird für sie, neben der Reichensteuer, zur ersten Kraftprobe.
In Frankreich gibt es seit 1999 eingetragene Lebenspartnerschaften, kurz 'Pacs' genannt. Sie sind populär, werden von Homo- wie Heterosexuellen geschlossen und gewähren Paaren in finanziellen Belangen, etwa im Steuer- und Erbrecht, ähnliche Rechte und Pflichten wie in der Ehe. Lesben- und Schwulenverbände fordern jedoch, auch Homosexuellen die Eheschließung zu ermöglichen und damit den Heterosexuellen gleichzustellen. Sie weisen darauf hin, bereits elf andere Staaten hätten die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Dazu zählen, trotz aller Proteste der Kirche, die ebenfalls romanisch geprägten Länder Spanien und Portugal. In Italien gibt es dagegen bislang weder die Ehe noch eine gesetzlich geregelte Partnerschaft für Homosexuelle.
Der französische Ministerrat verabschiedete im November einen Gesetzesentwurf, der die Homo-Ehe vorsieht einschließlich des Rechts, Kinder zu adoptieren. Er soll Ende Januar im Parlament beraten werden und rasch in Kraft treten. In einem gesonderten Gesetz, das für März angekündigt ist, will die Regierung dann die besonders umstrittene Frage regeln, ob lesbische Paare auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung die Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen können.
Der Widerstand gegen die Reform ging im Herbst von der katholischen Kirche Frankreichs aus. Sie sieht die traditionelle Familie in Gefahr und damit die Grundlage der Gesellschaft. Angespornt von Papst Benedikt XVI., argumentieren die Bischöfe, eine Familie bestehe naturgemäß aus Mann, Frau und Kindern. Homosexuelle hätten kein Recht auf Kinder, sondern Kinder hätten ein Recht auf Vater und Mutter. Um sich optimal entwickeln zu können, bräuchten sie beide Elternteile. Darüber entspann sich eine heftige Debatte, an der sich viele Psychologen und Psychiater beteiligten.
Zur Überraschung Hollandes stieß der erwartete Protest der Kirche in Frankreich auf große Resonanz. Vertreter der Christen anderer Konfession, der Juden, Muslime und Buddhisten schlossen sich dem Widerstand an. Sie alle eint das Gefühl, mit dem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare überschreite die laizistische Republik eine Grenze.
Sodann entdeckte die bei den Wahlen im Frühjahr geschlagene und seitdem zerstrittene bürgerliche Rechte die Homo-Ehe als Thema, um wieder in die Offensive zu kommen. Auch zeigt sich, dass die Wahrnehmung Frankreichs oft zu sehr auf Paris fixiert ist. 'La France profonde', das konservativere, ländliche und oft katholisch geprägte Frankreich wird wenig beachtet, stellt aber mehr Menschen als die Kapitale. Es sieht sich nun herausgefordert. So haben sich Tausende Bürgermeister gegen die Homo-Ehe ausgesprochen.
Hinzu kommt, dass Präsident Hollande wieder einmal orientierungsarm agiert. Angesichts der Proteste sagte er im November, Bürgermeister könnten es aus Gewissensgründen verweigern, gleichgeschlechtliche Ehen zu schließen. Schwulen- und Lesbenverbände reagierten empört, worauf Hollande meinte, er habe sich unglücklich ausgedrückt. Das neue Gesetz werde natürlich überall angewandt. Unklar ist, wie der Präsident zu der Frage steht, ob homosexuelle Paare Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erhalten sollen.
Hollande will vermeiden, dass die Homo-Ehe Frankreich spaltet. Genau das geschieht bereits. Die Fronten verhärten sich. Viele Katholiken sind empört, weil die Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem in einer staatlichen Schule für die Homo-Ehe warb; und weil Erziehungsminister Vincent Peillon die katholischen Schulen auffordert, in der Debatte neutral zu bleiben. Peillon warnte die kirchlichen Institute vor Homophobie und vor Selbstmorden homosexueller Jugendlicher. Kirchenvertreter finden das schockierend und betonen, die Lehrer an den katholischen Schulen achteten und förderten die Freiheit des Individuums.
Bischöfe beklagen eine 'antiklerikale Hysterie', geschürt von der Regierung Hollande. Dagegen argwöhnen Lesben- und Schwulengruppen sowie viele linke Franzosen, die Homo-Ehe werde nur halbherzig eingeführt, weil Hollande, etwa in der Frage der Fortpflanzungsmedizin, vor den Gegnern zurückweiche.
Das streitfreudige Frankreich wird auch nach 1968 immer wieder von großen gesellschaftspolitischen Debatten erschüttert. 1984 musste die linke Regierung von Präsident François Mitterrand im sogenannten Schulkrieg auf eine geplante Reform der kirchlichen Privatschulen verzichten. 1999 scheiterten die Kirche und die politische Rechte dagegen mit dem Versuch, die Einführung der Pacs zu stoppen.
Nun kommt es zu einer neuen Machtprobe. In Umfragen spricht sich eine große Mehrheit der Franzosen für die Homoehe aus. Nur knapp die Hälfte befürwortet auch ein Adoptionsrecht für homosexuelle Ehepaare. Der Regierung Hollande stehen turbulente Wochen bevor.
Paris - Ein Hauch von Kulturkampf weht durch Frankreich. Er könnte nun zum Sturm erstarken. Eine Allianz aus Religionsvertretern, konservativen und rechten Politikern sowie kämpferischen Eltern ruft die Franzosen für Sonntag zu einer Demonstration in Paris auf. Sie will mehr als eine halbe Million Menschen zusammentrommeln. Die Massen sollen gegen die zentrale gesellschaftspolitische Reform der sozialistischen Regierung unter Präsident François Hollande Sturm laufen: die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare samt dem Recht, Kinder zu adoptieren und - eventuell - die Techniken der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen. Die Opposition fühlt sich im Aufwind.
Der Vorschlag der "Ehe für alle" stößt im eigentlich so fortschrittlichen Frankreich auf Gegenwind.
Eigentlich hatte Hollande gedacht, die 'Ehe für alle' lasse sich im laizistischen und gesellschaftspolitisch scheinbar dezidiert liberalen Frankreich ohne viel Widerstand einführen. Sie stand bereits in seinem Katalog von Wahlversprechen, hatte bei der Präsidentschaftskampagne im Frühjahr 2012 jedoch keine besondere Rolle gespielt. Nun verspüren Hollande und seine Sozialisten plötzlich heftigsten Gegenwind. Die Ehe für Lesben und Schwule wird für sie, neben der Reichensteuer, zur ersten Kraftprobe.
In Frankreich gibt es seit 1999 eingetragene Lebenspartnerschaften, kurz 'Pacs' genannt. Sie sind populär, werden von Homo- wie Heterosexuellen geschlossen und gewähren Paaren in finanziellen Belangen, etwa im Steuer- und Erbrecht, ähnliche Rechte und Pflichten wie in der Ehe. Lesben- und Schwulenverbände fordern jedoch, auch Homosexuellen die Eheschließung zu ermöglichen und damit den Heterosexuellen gleichzustellen. Sie weisen darauf hin, bereits elf andere Staaten hätten die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Dazu zählen, trotz aller Proteste der Kirche, die ebenfalls romanisch geprägten Länder Spanien und Portugal. In Italien gibt es dagegen bislang weder die Ehe noch eine gesetzlich geregelte Partnerschaft für Homosexuelle.
Der französische Ministerrat verabschiedete im November einen Gesetzesentwurf, der die Homo-Ehe vorsieht einschließlich des Rechts, Kinder zu adoptieren. Er soll Ende Januar im Parlament beraten werden und rasch in Kraft treten. In einem gesonderten Gesetz, das für März angekündigt ist, will die Regierung dann die besonders umstrittene Frage regeln, ob lesbische Paare auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung die Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen können.
Der Widerstand gegen die Reform ging im Herbst von der katholischen Kirche Frankreichs aus. Sie sieht die traditionelle Familie in Gefahr und damit die Grundlage der Gesellschaft. Angespornt von Papst Benedikt XVI., argumentieren die Bischöfe, eine Familie bestehe naturgemäß aus Mann, Frau und Kindern. Homosexuelle hätten kein Recht auf Kinder, sondern Kinder hätten ein Recht auf Vater und Mutter. Um sich optimal entwickeln zu können, bräuchten sie beide Elternteile. Darüber entspann sich eine heftige Debatte, an der sich viele Psychologen und Psychiater beteiligten.
Zur Überraschung Hollandes stieß der erwartete Protest der Kirche in Frankreich auf große Resonanz. Vertreter der Christen anderer Konfession, der Juden, Muslime und Buddhisten schlossen sich dem Widerstand an. Sie alle eint das Gefühl, mit dem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare überschreite die laizistische Republik eine Grenze.
Sodann entdeckte die bei den Wahlen im Frühjahr geschlagene und seitdem zerstrittene bürgerliche Rechte die Homo-Ehe als Thema, um wieder in die Offensive zu kommen. Auch zeigt sich, dass die Wahrnehmung Frankreichs oft zu sehr auf Paris fixiert ist. 'La France profonde', das konservativere, ländliche und oft katholisch geprägte Frankreich wird wenig beachtet, stellt aber mehr Menschen als die Kapitale. Es sieht sich nun herausgefordert. So haben sich Tausende Bürgermeister gegen die Homo-Ehe ausgesprochen.
Hinzu kommt, dass Präsident Hollande wieder einmal orientierungsarm agiert. Angesichts der Proteste sagte er im November, Bürgermeister könnten es aus Gewissensgründen verweigern, gleichgeschlechtliche Ehen zu schließen. Schwulen- und Lesbenverbände reagierten empört, worauf Hollande meinte, er habe sich unglücklich ausgedrückt. Das neue Gesetz werde natürlich überall angewandt. Unklar ist, wie der Präsident zu der Frage steht, ob homosexuelle Paare Zugang zur Fortpflanzungsmedizin erhalten sollen.
Hollande will vermeiden, dass die Homo-Ehe Frankreich spaltet. Genau das geschieht bereits. Die Fronten verhärten sich. Viele Katholiken sind empört, weil die Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem in einer staatlichen Schule für die Homo-Ehe warb; und weil Erziehungsminister Vincent Peillon die katholischen Schulen auffordert, in der Debatte neutral zu bleiben. Peillon warnte die kirchlichen Institute vor Homophobie und vor Selbstmorden homosexueller Jugendlicher. Kirchenvertreter finden das schockierend und betonen, die Lehrer an den katholischen Schulen achteten und förderten die Freiheit des Individuums.
Bischöfe beklagen eine 'antiklerikale Hysterie', geschürt von der Regierung Hollande. Dagegen argwöhnen Lesben- und Schwulengruppen sowie viele linke Franzosen, die Homo-Ehe werde nur halbherzig eingeführt, weil Hollande, etwa in der Frage der Fortpflanzungsmedizin, vor den Gegnern zurückweiche.
Das streitfreudige Frankreich wird auch nach 1968 immer wieder von großen gesellschaftspolitischen Debatten erschüttert. 1984 musste die linke Regierung von Präsident François Mitterrand im sogenannten Schulkrieg auf eine geplante Reform der kirchlichen Privatschulen verzichten. 1999 scheiterten die Kirche und die politische Rechte dagegen mit dem Versuch, die Einführung der Pacs zu stoppen.
Nun kommt es zu einer neuen Machtprobe. In Umfragen spricht sich eine große Mehrheit der Franzosen für die Homoehe aus. Nur knapp die Hälfte befürwortet auch ein Adoptionsrecht für homosexuelle Ehepaare. Der Regierung Hollande stehen turbulente Wochen bevor.