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Brüssel attackiert Google

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EU-Wettbewerbskommissar Almunia lässt sich nicht davon beeindrucken, dass US-Behörden das Verfahren gegen den Internetkonzern beilegen. Er wirft der Firma vor, ihre dominante Stellung bei Suchmaschinen zu missbrauchen.

München - Vor ein paar Tagen atmete Google auf: Die amerikanische Aufsicht ließ das Geschäftsmodell des Internetgiganten unangetastet. Für ein paar kleinere Zugeständnisse kann der Konzern seine Suchmaschine samt lukrativer Onlinewerbung betreiben wie bisher. Wie sich jetzt herausstellt, hört der Ärger für Google damit aber nicht auf. EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia droht der mächtigsten Internetfirma der Welt, dass er gegen sie vorgehen wird. Als Ergebnis ist alles möglich, bis hin zu einer hohen Kartellstrafe.



Zwischen zwischen der EU und dem Google-Konzernherrscht dicke Luft.

'Sie machen Geld mit ihrer dominanten Position bei Suchmaschinen', sagte Almunia in einem Interview der Financial Times. 'Und ich denke, es gibt einen Missbrauch dieser dominanten Stellung'. Das sind starke Worte in einem Verfahren, das nun bereits seit zwei Jahren läuft. Almunia erklärt damit unmissverständlich, dass er sich von der freundlichen Entscheidung der US-Behörden, die Googles Konkurrenten schwer kritisiert haben, nicht beeindrucken lässt. 'Diese Entscheidung ist weder ein Hindernis für die EU-Kommission noch ein Vorteil für Google.' Das Brüsseler Vorgehen könnte mal wieder zeigen, dass Europa die (fast immer amerikanischen) Star-Firmen des Computer-Zeitalters weitaus härter anpackt als amerikanische Politiker und Wettbewerbskontrolleure.

Weltweit gehen 85 Prozent der Menschen über Google, wenn sie etwas im Internet suchen. In Europa ist der Anteil sogar noch höher. Aus der Suchmaschine ist eine globale Macht geworden, mit zuletzt fast 40 Milliarden Dollar Umsatz. Doch genau wie diese Suchmaschine agiert, das Herz von Google, ist Gegenstand der Verfahren in den USA und Europa. Britische und französische Einkaufs-Websites, Preisportale und juristische Suchmaschinen haben geklagt. Der Vorwurf: Wenn jemand bei Google etwas sucht, zeigt der Konzern bevorzugt eigene Dienste an, ob Einkaufsvergleiche, Flugportale oder Navigationsangebote. Konkurrierende Serviceangebote landeten dagegen weit hinten in den Trefferlisten - und würden entsprechend weniger genutzt.

Zu diesem Kernvorwurf findet der Wettbewerbskommissar nun überraschend deutliche Worte. 'Wir untersuchen noch, aber meine Überzeugung ist, dass Google Internetverkehr umleitet', sagt Almunia. Das klingt so, als würde die Kommission der Meinung sein, dass der Konzern eigene Dienste bevorzugt. Almunia erklärte, seine Bedenken hätten mit der Weise zu tun, wie Google seine eigenen Dienste präsentiere. Damit könnte es für die Internetfirma bei dem Brüsseler Verfahren um ziemlich viel gehen.

Googles Erleichterung über die Einigung mit der amerikanischen Aufsichtsbehörde hatte auch damit zu tun, dass die FTC nur Zugeständnisse bei Nebenfragen forderte. So versprach Google etwa, Werbekunden mehr Freiheiten zu geben nicht mehr so stark auf Inhalte fremder Seiten wie Restaurant- oder Reiseberichte zuzugreifen. Außerdem sagte die Firma offenbar zu, mögliche Patentverletzungen nicht mehr so aggressiv zu verfolgen - eine Erleichterung für Konkurrenten wie Apple oder Microsoft, gegen die Google künftig juristisch wohl nicht mehr so leicht Erfolge erzielen kann, wenn es Technik-Plagiate in deren Geräten wähnt. Doch das sind wirklich Nebenfragen. Die Suchmaschine und die damit verbundenen milliardenschweren Anzeigenerlöse - und damit das Herz des Konzerns - tasteten die US-Kontrolleure nicht an. 'Google siegt' titelte deshalb der Tagesspiegel.

Da hört sich Europas oberster Wettbewerbshüter Almunia schon ganz anders an. Weil seine Kritik auf die Art zielt, wie Google seine Suchergebnisse präsentiert, steht für den Konzern viel auf dem Spiel. Schon vergangenen Sommer hatte der Internetriese versucht, Almunia durch ein paar Zugeständnisse zu besänftigen. So wurde zum Beispiel spekuliert, Google biete an, eigene Dienste in der Trefferliste auch als Google-Inhalte auszuweisen. Doch viel scheinen solche Versprechen bisher bei Almunia nicht auszurichten. Noch im Dezember traf sich der spanische Politiker mit Eric Schmidt, dem Verwaltungsratschef des Konzerns. Seine neuen Äußerungen legen nicht nahe, dass er milde gestimmt ist.

Wenn Almunia Google zu Eingriffen in den Suchmechanismus nötigt, geht es für den Konzern um viel Geld. Zudem droht der Firma bei einem Wettbewerbsverfahren eine hohe Strafe - theoretisch bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes, das wären ein paar Milliarden Euro. Offenbar will der Wettbewerbskommissar den Druck erhöhen, bevor Google wie erwartet noch diesen Monat neue Vorschläge vorlegt, wie sie die Brüsseler Kritik entgegnen will. Wenn die neuen Vorschläge unbefriedigend ausfallen, sei er 'gezwungen', formale Vorwürfe zu erheben.

Bereits in der Vergangenheit zeigte sich die EU-Kommission weit härter gegenüber US-Technologiekonzernen als amerikanische Stellen. So verhängte Brüssel vor Almunias Amtszeit nach einem jahrelangen Verfahren eine Rekordstrafe von 900 Millionen Euro gegen den Softwarekonzern Microsoft, weil dieser mit der Bündelung seines Betriebssystems Windows mit einem Media Player Konkurrenz ausgeschaltet habe - eine Entscheidung, die der Europäische Gerichtshof 2012 bestätigte.

Auch Almunia selber bewies schon, dass er keine Angst vor großen Namen hat. Er schrumpfte deutsche Landesbanken und stoppte vor einem Jahr die aufsehenerregende Fusion zwischen der New Yorker Börse Nyse und der Deutschen Börse, obwohl beide Konzerne lange dafür lobbyiert hatten. Almunias Bilanz als Wettbewerbskommissar wird am Ende davon abhängen, wie mutig er gegenüber multinationalen Firmen auftritt. Ein Einknicken gegenüber Google, das bei vielen Europäern wegen Datenschutzfragen und Steuervermeidung auf Skepsis stößt, würde schlecht zum Bild eines unbeugsamen Kommissars passen.

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