Beim 34. Max Ophüls-Preis des bekannten Filmfestivals in Saarbrücken erzählt der Nachwuchs von Murat Kurnaz und anderen Grenzgängern der Kulturen.
Zwischen zwei Foltereinheiten wird Fastfood serviert: Ungläubig starrt der Häftling im kahlen, grauen Verhörraum auf den Burger, die fettigen Pommes und den Cola-Becher. Sein Bart ist brustlang, die Hände in Handschellen, der Körper unter dem orangenen Overall ausgezehrt von den Misshandlungen. Um den Gefangenen Hoffnung zu machen, die man gleich wieder zerstören kann, gibt es im Internierungslager Guantanamo zwischendurch Streicheleinheiten von Burger King.
![]()
Stefan Schaller und Murat Kurnaz beim 34. Filmfestival Max Ophüls Preis
Heftige Horrorstoffe haben beim Max Ophüls Preis, dem Saarbrücker Nachwuchs-Filmfestival, dessen 34. Ausgabe an diesem Wochenende zu Ende gegangen ist, Tradition. Das Festival ist eines der wichtigsten Foren für deutschsprachige Filmemacher - und in den letzten Jahren fanden sich vor allem im Spielfilmwettbewerb einige brutale Regiedebüts, von wahren Begebenheiten inspiriert, beispielsweise vom Foltermord in der JVA Siegburg oder der Natascha Kampusch-Entführung. In diesem Jahr wurde 'Fünf Jahre Leben' von Stefan Schaller heftig diskutiert, der von der willkürlichen Inhaftierung des Deutsch-Türken Murat Kurnaz in Guantanamo erzählt und Teil einer aktuellen Welle von Filmen ist, die weltweit den amerikanischen 'War on Terrorism' aufarbeiten.
Schaller und Kurnaz, der an der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt war, stellten den Film in Saarbrücken gemeinsam vor. Sein Prinzip ist die extreme räumliche Verdichtung auf den Verhörraum und die Zelle, in der sich Kurnaz-Darsteller Sascha Alexander Gersak irgendwann nur noch wie ein geschundenes Insekt in die Ecke verkriecht, sobald die Soldaten kommen. Auf den politischen Rattenschwanz dieses Skandals, der den ehemaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier in arge Bedrängnis brachte, haben die Filmemacher verzichtet. Sie wollten sich auf die Klaustrophobie und das Grauen der Haft konzentrieren, die Konsequenzen der willkürlichen amerikanischen Anti-Terror-Politik demonstrieren.
Dass der deutsche Nachwuchsfilm ein Faible für schwere Themen hat und gerne als pures Betroffenheitskino daherkommt, das den Zuschauer mit der reinen Wucht seines Sujets erschlagen will, lässt sich auf vielen Festivals beobachten. Doch 'Fünf Jahre Leben' rekurriert neben dem Schockeffekt der Folter noch auf ein ganz anderes Thema, das einige Filme auf dem diesjährigen Ophüls-Preis verbindet - es geht um das Fremdsein in der eigenen Heimat. In knappen Rückblenden wird Kurnaz" Zeit als Türsteher in Bremen erzählt, und wie er sich nach der Ermordung eines Freundes in Trauer dem Islam zuwandte - und damit sowohl bei deutschen Freunden, als auch bei seiner türkischen Familie auf großes Misstrauen stieß.
Grenzgänger und Außenseiter waren auch sonst sehr präsent. Der Berliner Regisseur Cüneyt Kaya zum Beispiel wollte unbedingt einen Film über arabisches Leben in Deutschland machen, ohne sofort von Kopftuchzwang und Taliban erzählen zu müssen. In seiner Tragikomödie 'Ummah - Unter Freunden' muss der ein junger Verfassungsschützer für einige Monate in Neukölln untertauchen, wo er sich mit einem arabischen Gebrauchtwarenhändler anfreundet und in eine familiäre Subkultur hineinrutscht, von der Kaya sehr heiter erzählt, bis ein heftiger Konflikt entsteht zwischen den neuen Freunden und der Paranoia des Arbeitgebers.
Mit dem Preis für den besten Spielfilm hat die Jury schließlich den österreichischen Film 'Der Glanz des Tages' von Tizza Covi und Rainer Frimmel ausgezeichnet, der ganz einfach und spielerisch aussieht. Auch hier geht es um Identitätssuche, nicht zwischen zwei Kulturen, sondern zwischen zwei nicht minder fiesen Gegnern - dem Alltag und dem eigenen Leben. Der Theaterschauspieler Philipp Hochmair, der vom Schauspieler Philip Hochmair gespielt wird, lebt in einer abgeschotteten Welt aus Dramentexten, Proben und Aufführungen, bis plötzlich sein Onkel, ein Zirkusartist, vor der Haustür steht und ihn zwingt, einen Ausflug ins echte Leben zu machen.
Im Dokumentarfilmwettbewerb gewann 'Dragan Wende - West Berlin' von Lena Müller und Dragan von Petrovic, eine Geschichte aus den Tiefen der alten Bundesrepublik, mit einem illustren Grenzgänger als Protagonisten: Dragan Wende war in den Siebzigern und Achtzigern ein bunter Hund im Westberliner Nachtleben, sein champagnerreiches Leben wurde ihm durch seinen jugoslawischen Pass ermöglicht - denn der bedeutete Blockfreiheit und damit ausgezeichnete Schmuggelmöglichkeiten.
Dass man einen Heimatfilm auch ganz ohne Protagonist erzählen kann, zeigte der Österreicher Bernd Liepold-Mosser, der einen Film über Peter Handke ohne Peter Handke gemacht hat. Für 'Griffen - Auf den Spuren von Peter Handke' ist er durch die kleine kärntnerische Heimatgemeinde des Schriftstellers gezogen, aus der er auch selbst stammt, um die Präsenz des Autors in dem Stadt zu erforschen, in der dieser seit fünfzig Jahren nicht mehr lebt.
Auch hier offenbart sich ein Identitätskonfliktkonflikt zwischen österreichischem und slowenischem Erbe. Handke und die Griffener, das ist zudem eine komische Zwangsbeziehung: Etwa wenn in der Schulbibliothek panisch nach den angeblich vollständig vorhandenen Handke-Werken gefahndet wird, oder wenn ein älterer Herr Zweifel an Handkes 'Angst des Tormanns beim Elfmeter' anmeldet, weil er den Buben in seiner Kindheit nie habe Fußball spielen sehen.
Zwischen zwei Foltereinheiten wird Fastfood serviert: Ungläubig starrt der Häftling im kahlen, grauen Verhörraum auf den Burger, die fettigen Pommes und den Cola-Becher. Sein Bart ist brustlang, die Hände in Handschellen, der Körper unter dem orangenen Overall ausgezehrt von den Misshandlungen. Um den Gefangenen Hoffnung zu machen, die man gleich wieder zerstören kann, gibt es im Internierungslager Guantanamo zwischendurch Streicheleinheiten von Burger King.

Stefan Schaller und Murat Kurnaz beim 34. Filmfestival Max Ophüls Preis
Heftige Horrorstoffe haben beim Max Ophüls Preis, dem Saarbrücker Nachwuchs-Filmfestival, dessen 34. Ausgabe an diesem Wochenende zu Ende gegangen ist, Tradition. Das Festival ist eines der wichtigsten Foren für deutschsprachige Filmemacher - und in den letzten Jahren fanden sich vor allem im Spielfilmwettbewerb einige brutale Regiedebüts, von wahren Begebenheiten inspiriert, beispielsweise vom Foltermord in der JVA Siegburg oder der Natascha Kampusch-Entführung. In diesem Jahr wurde 'Fünf Jahre Leben' von Stefan Schaller heftig diskutiert, der von der willkürlichen Inhaftierung des Deutsch-Türken Murat Kurnaz in Guantanamo erzählt und Teil einer aktuellen Welle von Filmen ist, die weltweit den amerikanischen 'War on Terrorism' aufarbeiten.
Schaller und Kurnaz, der an der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt war, stellten den Film in Saarbrücken gemeinsam vor. Sein Prinzip ist die extreme räumliche Verdichtung auf den Verhörraum und die Zelle, in der sich Kurnaz-Darsteller Sascha Alexander Gersak irgendwann nur noch wie ein geschundenes Insekt in die Ecke verkriecht, sobald die Soldaten kommen. Auf den politischen Rattenschwanz dieses Skandals, der den ehemaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier in arge Bedrängnis brachte, haben die Filmemacher verzichtet. Sie wollten sich auf die Klaustrophobie und das Grauen der Haft konzentrieren, die Konsequenzen der willkürlichen amerikanischen Anti-Terror-Politik demonstrieren.
Dass der deutsche Nachwuchsfilm ein Faible für schwere Themen hat und gerne als pures Betroffenheitskino daherkommt, das den Zuschauer mit der reinen Wucht seines Sujets erschlagen will, lässt sich auf vielen Festivals beobachten. Doch 'Fünf Jahre Leben' rekurriert neben dem Schockeffekt der Folter noch auf ein ganz anderes Thema, das einige Filme auf dem diesjährigen Ophüls-Preis verbindet - es geht um das Fremdsein in der eigenen Heimat. In knappen Rückblenden wird Kurnaz" Zeit als Türsteher in Bremen erzählt, und wie er sich nach der Ermordung eines Freundes in Trauer dem Islam zuwandte - und damit sowohl bei deutschen Freunden, als auch bei seiner türkischen Familie auf großes Misstrauen stieß.
Grenzgänger und Außenseiter waren auch sonst sehr präsent. Der Berliner Regisseur Cüneyt Kaya zum Beispiel wollte unbedingt einen Film über arabisches Leben in Deutschland machen, ohne sofort von Kopftuchzwang und Taliban erzählen zu müssen. In seiner Tragikomödie 'Ummah - Unter Freunden' muss der ein junger Verfassungsschützer für einige Monate in Neukölln untertauchen, wo er sich mit einem arabischen Gebrauchtwarenhändler anfreundet und in eine familiäre Subkultur hineinrutscht, von der Kaya sehr heiter erzählt, bis ein heftiger Konflikt entsteht zwischen den neuen Freunden und der Paranoia des Arbeitgebers.
Mit dem Preis für den besten Spielfilm hat die Jury schließlich den österreichischen Film 'Der Glanz des Tages' von Tizza Covi und Rainer Frimmel ausgezeichnet, der ganz einfach und spielerisch aussieht. Auch hier geht es um Identitätssuche, nicht zwischen zwei Kulturen, sondern zwischen zwei nicht minder fiesen Gegnern - dem Alltag und dem eigenen Leben. Der Theaterschauspieler Philipp Hochmair, der vom Schauspieler Philip Hochmair gespielt wird, lebt in einer abgeschotteten Welt aus Dramentexten, Proben und Aufführungen, bis plötzlich sein Onkel, ein Zirkusartist, vor der Haustür steht und ihn zwingt, einen Ausflug ins echte Leben zu machen.
Im Dokumentarfilmwettbewerb gewann 'Dragan Wende - West Berlin' von Lena Müller und Dragan von Petrovic, eine Geschichte aus den Tiefen der alten Bundesrepublik, mit einem illustren Grenzgänger als Protagonisten: Dragan Wende war in den Siebzigern und Achtzigern ein bunter Hund im Westberliner Nachtleben, sein champagnerreiches Leben wurde ihm durch seinen jugoslawischen Pass ermöglicht - denn der bedeutete Blockfreiheit und damit ausgezeichnete Schmuggelmöglichkeiten.
Dass man einen Heimatfilm auch ganz ohne Protagonist erzählen kann, zeigte der Österreicher Bernd Liepold-Mosser, der einen Film über Peter Handke ohne Peter Handke gemacht hat. Für 'Griffen - Auf den Spuren von Peter Handke' ist er durch die kleine kärntnerische Heimatgemeinde des Schriftstellers gezogen, aus der er auch selbst stammt, um die Präsenz des Autors in dem Stadt zu erforschen, in der dieser seit fünfzig Jahren nicht mehr lebt.
Auch hier offenbart sich ein Identitätskonfliktkonflikt zwischen österreichischem und slowenischem Erbe. Handke und die Griffener, das ist zudem eine komische Zwangsbeziehung: Etwa wenn in der Schulbibliothek panisch nach den angeblich vollständig vorhandenen Handke-Werken gefahndet wird, oder wenn ein älterer Herr Zweifel an Handkes 'Angst des Tormanns beim Elfmeter' anmeldet, weil er den Buben in seiner Kindheit nie habe Fußball spielen sehen.