Das 'Dschungelcamp' ist für den Grimme-Preis nominiert worden - und bis auf Katrin Sass regt sich keiner darüber auf. Warum? Weil Preise in Deutschland längst Stangenware geworden sind.
Hätte es Katrin Sass nicht gegeben, ein Aufschrei wäre nicht zu hören gewesen. Man hat sich ja schon daran gewöhnt, dass diese Gesellschaft seit Jahren Sendungen schätzt, in denen Mitmenschen aufs Widerwärtigste - wenn auch offenbar freiwillig - vorgeführt werden. Den frauenfeindlichen, aber seltsamerweise besonders von Frauen geliebten 'Bachelor' zum Beispiel, 'Frauentausch' oder das debile Format 'Bauer sucht Frau'. Gerade hat die New York Times das gute, alte 'Wetten, dass..?' in den Boden gestampft. Nicht wegen der Schleichwerbung, sondern wegen der 'schrulligen Tricks', die in der 'ergrauten Show' angewendet würden. Ach, wenn die nur wüssten, was hier sonst noch alles läuft.
Die Schauspielerin Katrin Sass regt sich maßlos über die Nominierung des "Dschungelcamps" auf.
Als das Marler Institut vor ein paar Tagen verkündete, dass 'Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!' für den (bislang als renommiert geltenden) deutschen Grimme-Preis nominiert wurde, war in Deutschland noch alles Brüderle. Allein Frau Sass platzte in einer dieser Fernsehtalkshows recht unterhaltsam der Kragen. Ex-Dschungelkönig Peer Kusmagk hatte gerade neben ihr behauptet, als Teilnehmer sei es ihm vor allem darum gegangen, das RTL-Lager wieder 'erhobenen Hauptes' zu verlassen. Da meinte Sass: Kusmagk solle doch lieber zugeben, dass er im Dschungel nur deshalb 'Schwänze gefressen' habe, um die '50000 Knattern mitzunehmen', gemeint war die Gage. 'Wie weit sind wir denn langsam?', rief Sass.
Derlei können diejenigen, die ebenso wie die Grimme-Nominierungskommission von den 'spontan und aus der Situation heraus geschriebenen' Urwald-Texten begeistert sind, natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Stern.de etwa scheute sich nicht, die Brecht-Schauspielerin Sass sogleich mit Klaus Kinski zu vergleichen und ihr 'arrogante Schulmeisterei' vorzuwerfen. Ihre Argumentation befände sich 'unter der Gürtellinie'. Andere Frage: Auf welcher Linie befindet sich eigentlich derzeit die deutsche Preisverleihungs-Industrie? Oft ist es doch so: Mal macht der Nominierte den Preis lächerlich, dann der Preis den Nominierten. Nur selten begegnet man sich auf Augenhöhe.
Es gibt mehrere Tausend sogenannter Kulturpreise hierzulande, wichtige und unwichtige, regionale und überregionale. Auszeichnungen, die von Stiftungen verliehen werden, von Medienhäusern, Volkshochschulen oder Eltern-Vereinigungen. Ein weites Feld. Wenn der französisch-belgisch-russische Schauspieler Gérard Depardieu in Dresden den Opernball-Orden angeklebt bekommt, dann genießen auch die Verleiher das Blitzlichtgewitter. Und wenn sich Jimmy Page und John Paul Jones von Led Zeppelin im März in Berlin ihren 'Lifetime Achievement Award International' abholen dürfen, dann rockt das zumindest einen recht langweilig gewordenen Musik-Preis namens Echo.
Preisveranstaltungen, das sind Gewächshäuser der Bedeutung. Läuft es gut, dann scheint die Sonne des Ruhms auf Ehrende und Geehrte gleichermaßen. Läuft es aber schlecht, so geht auch mal Glas zu Bruch. Etwa, wenn öffentlich über die Preiswürdigkeit eines Auszuzeichnenden gestritten wird. Ein Scherbengericht. Mal sagt in solchen Fällen der Preisträger ab (Peter Handke wollte sich 2006 beim Heinrich-Heine-Preis nicht 'Pöbeleien solcher wie solcher Parteipolitiker ausgesetzt sehen'), mal wird die Vergabezeremonie kurzerhand gestrichen (2011: Lieber doch kein Quadriga-Preis für Wladimir Putin).
Der Rapper Bushido wirkte vor zwei Jahren mit dem ihm damals verliehenen Integrations-Bambi jedenfalls deutlich zufriedener als Marcel Reich-Ranicki, welcher 2008 den ihm anvertrauten Deutschen Fernsehpreis unverhofft, aber wortreich ablehnte. Das deutsche Fernsehprogramm sei ihm zu schlecht. Beim Fernsehen fand man das gar nicht gut. Heino wiederum fand den Bambi für Bushido nicht gut - und gab seinen zurück. Heute singt Heino Rammstein-Lieder, wofür er bald mit einem Bravo-Otto ausgezeichnet werden dürfte. Der Otto wird seit 1957 verliehen. Jeder, der jemals mit einem Mikro auf der Bühne stand, hat ihn schon. Nur Heino nicht. Heino hat zwei Kronen der Volksmusik, den Brisant-Brillant und eine Goldene Liederharfe.
In einer Zeit, wo selbst das Grimme-Institut mit spektakulären Nominierungen auffallen muss, um im Auszeichnungsgestrüpp noch irgendwie wahrgenommen zu werden, sollte man überlegen, ob nicht da und dort ein bisschen gekürzt werden könnte, im Ehrungs-Unterholz. Machen sich nicht auch so genannte Prominente lächerlich, wenn sie sich zu Brillenträgern und Krawattenmännern des Jahres ausrufen lassen oder so tun müssen, als hätten sie ihr Lebensglück im Aachener Karneval gefunden? Sollten nicht wenigstens die Jurys jener Preise, die über so etwas wie Renommée verfügen, darauf achten, dass sie diesen Tribut nicht durch völlig irrsinnige Nominierungen verspielen? 'Wie blöd muss man denn sein?', fragt Frau Sass.
Als Florian Henckel von Donnersmarck für 'Das Leben der Anderen', seinen ersten Spielfilm, den Oscar bekam, nahm ihn Steven Spielberg beiseite und wiederholte mehrmals diesen mysteriösen Satz: 'Davon wirst du dich nicht mehr erholen.' - 'Ich muss zugeben', meinte Donnersmarck später, 'Spielberg hat mich damit ein bisschen verwirrt. Vielleicht war es nur eine Floskel.'
Nein, das war keine Floskel. Das war eine gute Umschreibung dessen, was einen Preis zum echten Knaller macht.
Hätte es Katrin Sass nicht gegeben, ein Aufschrei wäre nicht zu hören gewesen. Man hat sich ja schon daran gewöhnt, dass diese Gesellschaft seit Jahren Sendungen schätzt, in denen Mitmenschen aufs Widerwärtigste - wenn auch offenbar freiwillig - vorgeführt werden. Den frauenfeindlichen, aber seltsamerweise besonders von Frauen geliebten 'Bachelor' zum Beispiel, 'Frauentausch' oder das debile Format 'Bauer sucht Frau'. Gerade hat die New York Times das gute, alte 'Wetten, dass..?' in den Boden gestampft. Nicht wegen der Schleichwerbung, sondern wegen der 'schrulligen Tricks', die in der 'ergrauten Show' angewendet würden. Ach, wenn die nur wüssten, was hier sonst noch alles läuft.
Die Schauspielerin Katrin Sass regt sich maßlos über die Nominierung des "Dschungelcamps" auf.
Als das Marler Institut vor ein paar Tagen verkündete, dass 'Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!' für den (bislang als renommiert geltenden) deutschen Grimme-Preis nominiert wurde, war in Deutschland noch alles Brüderle. Allein Frau Sass platzte in einer dieser Fernsehtalkshows recht unterhaltsam der Kragen. Ex-Dschungelkönig Peer Kusmagk hatte gerade neben ihr behauptet, als Teilnehmer sei es ihm vor allem darum gegangen, das RTL-Lager wieder 'erhobenen Hauptes' zu verlassen. Da meinte Sass: Kusmagk solle doch lieber zugeben, dass er im Dschungel nur deshalb 'Schwänze gefressen' habe, um die '50000 Knattern mitzunehmen', gemeint war die Gage. 'Wie weit sind wir denn langsam?', rief Sass.
Derlei können diejenigen, die ebenso wie die Grimme-Nominierungskommission von den 'spontan und aus der Situation heraus geschriebenen' Urwald-Texten begeistert sind, natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Stern.de etwa scheute sich nicht, die Brecht-Schauspielerin Sass sogleich mit Klaus Kinski zu vergleichen und ihr 'arrogante Schulmeisterei' vorzuwerfen. Ihre Argumentation befände sich 'unter der Gürtellinie'. Andere Frage: Auf welcher Linie befindet sich eigentlich derzeit die deutsche Preisverleihungs-Industrie? Oft ist es doch so: Mal macht der Nominierte den Preis lächerlich, dann der Preis den Nominierten. Nur selten begegnet man sich auf Augenhöhe.
Es gibt mehrere Tausend sogenannter Kulturpreise hierzulande, wichtige und unwichtige, regionale und überregionale. Auszeichnungen, die von Stiftungen verliehen werden, von Medienhäusern, Volkshochschulen oder Eltern-Vereinigungen. Ein weites Feld. Wenn der französisch-belgisch-russische Schauspieler Gérard Depardieu in Dresden den Opernball-Orden angeklebt bekommt, dann genießen auch die Verleiher das Blitzlichtgewitter. Und wenn sich Jimmy Page und John Paul Jones von Led Zeppelin im März in Berlin ihren 'Lifetime Achievement Award International' abholen dürfen, dann rockt das zumindest einen recht langweilig gewordenen Musik-Preis namens Echo.
Preisveranstaltungen, das sind Gewächshäuser der Bedeutung. Läuft es gut, dann scheint die Sonne des Ruhms auf Ehrende und Geehrte gleichermaßen. Läuft es aber schlecht, so geht auch mal Glas zu Bruch. Etwa, wenn öffentlich über die Preiswürdigkeit eines Auszuzeichnenden gestritten wird. Ein Scherbengericht. Mal sagt in solchen Fällen der Preisträger ab (Peter Handke wollte sich 2006 beim Heinrich-Heine-Preis nicht 'Pöbeleien solcher wie solcher Parteipolitiker ausgesetzt sehen'), mal wird die Vergabezeremonie kurzerhand gestrichen (2011: Lieber doch kein Quadriga-Preis für Wladimir Putin).
Der Rapper Bushido wirkte vor zwei Jahren mit dem ihm damals verliehenen Integrations-Bambi jedenfalls deutlich zufriedener als Marcel Reich-Ranicki, welcher 2008 den ihm anvertrauten Deutschen Fernsehpreis unverhofft, aber wortreich ablehnte. Das deutsche Fernsehprogramm sei ihm zu schlecht. Beim Fernsehen fand man das gar nicht gut. Heino wiederum fand den Bambi für Bushido nicht gut - und gab seinen zurück. Heute singt Heino Rammstein-Lieder, wofür er bald mit einem Bravo-Otto ausgezeichnet werden dürfte. Der Otto wird seit 1957 verliehen. Jeder, der jemals mit einem Mikro auf der Bühne stand, hat ihn schon. Nur Heino nicht. Heino hat zwei Kronen der Volksmusik, den Brisant-Brillant und eine Goldene Liederharfe.
In einer Zeit, wo selbst das Grimme-Institut mit spektakulären Nominierungen auffallen muss, um im Auszeichnungsgestrüpp noch irgendwie wahrgenommen zu werden, sollte man überlegen, ob nicht da und dort ein bisschen gekürzt werden könnte, im Ehrungs-Unterholz. Machen sich nicht auch so genannte Prominente lächerlich, wenn sie sich zu Brillenträgern und Krawattenmännern des Jahres ausrufen lassen oder so tun müssen, als hätten sie ihr Lebensglück im Aachener Karneval gefunden? Sollten nicht wenigstens die Jurys jener Preise, die über so etwas wie Renommée verfügen, darauf achten, dass sie diesen Tribut nicht durch völlig irrsinnige Nominierungen verspielen? 'Wie blöd muss man denn sein?', fragt Frau Sass.
Als Florian Henckel von Donnersmarck für 'Das Leben der Anderen', seinen ersten Spielfilm, den Oscar bekam, nahm ihn Steven Spielberg beiseite und wiederholte mehrmals diesen mysteriösen Satz: 'Davon wirst du dich nicht mehr erholen.' - 'Ich muss zugeben', meinte Donnersmarck später, 'Spielberg hat mich damit ein bisschen verwirrt. Vielleicht war es nur eine Floskel.'
Nein, das war keine Floskel. Das war eine gute Umschreibung dessen, was einen Preis zum echten Knaller macht.