Familie Zymberi glaubte im Februar 2008, dass Kosovos Unabhängigkeit endlich den ersehnten Aufschwung bringen würde. Das ist nun fünf Jahre her. Vater Gani hat noch immer keinen Job. Der Staat, sagt er, sei 'durch und durch korrupt'.
Pristina - Gani Zymberi und seine Familie können sich noch genau an ihre hohen Erwartungen erinnern, mit denen sie den 17.Februar 2008 erlebten. Damals riefen Regierung und Parlament Kosovo als unabhängigen Staat aus. 'Wir dachten, nach allem, was wir durchgemacht haben, wird es nun endlich deutlich besser', sagt Vater Gani. Er ist 58 Jahre alt, ein schmächtiger Mann, von einem harten Leben gezeichnet. Zum Gespräch hat er ins Wohnzimmer gebeten, das der Familie mit einem Holzofen zugleich als Küche dient. 'Wir dachten, wir sind jetzt endlich unsere eigenen Herren, bald gibt es mehr Jobs und Kosovo macht echten Fortschritt. Leider kam es anders.'
Ein paar frische Eier - mehr kann sich die Familie Zymberi auch zur Feier des Tages nicht leisten.
Zymberi, seine Frau Sevdije und die vier Söhne sind vom Leben ebenso wenig verwöhnt wie ihre 150 Nachbarn im Dorf Pasome, nahe der Stadt Vushtri nördlich der Hauptstadt Pristina. Zu jugoslawischen Zeiten arbeitete Zymberi als Mechaniker im Busunternehmen von Vushtri. Die umgerechnet 150, mal 200 Mark, die er nach Hause brachte, reichten zusammen mit der Milch der Kuh so gerade zum Überleben. Doch dann kam in Belgrad Slobodan Milosevic an die Macht - und baute sie aus, in dem er den Nationalismus schürte und den Anspruch auf ein serbisches Kosovo erhob. Als Zymberi und seine gut 100 albanischen Kollegen im Busunternehmen von Vushtri sich weigerten, eine Loyalitätserklärung für Serbien zu unterschreiben, verloren 1989 alle ihren Job. Und die Busse wurden kurzerhand gestohlen und nach Serbien gebracht.
Wie seine albanischen Freunde und Nachbarn fand Zymberi danach keine reguläre Arbeit mehr - richtige Jobs gingen nun an Serben. Mit Gelegenheitsarbeiten und der Hilfe von Nachbarn und Verwandten hielt sich die Familie über Wasser. Gani Zymberi dachte damals, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer werden könne. Doch im Jahr 1998 begann Milosevic in Kosovo eine Mord- und Terrorkampagne, um die Albaner zu vertreiben. Zymberi wurde festgenommen und im Gefängnis der Stadt Mitrovica wochenlang gefoltert. Seine Rettung: Ein serbischer Wächter, dem er einst nach einem Autounfall das Leben gerettet hatte, erkannte ihn wieder - und half ihm aus dem Gefängnis. Zymberi wurde nach Albanien deportiert. Seine Frau floh mit den vier Kindern von Dorf zu Dorf und versteckte sich wochenlang in den Wäldern.
Als die Bombardements der Nato die serbischen Soldaten und Freischärler im Juni 1999 aus dem Kosovo vertrieben hatte, kehrten die Zymberis zurück. Ihr Haus war ebenso niedergebrannt wie alle anderen im Dorf. Doch das Dänische Rote Kreuz baute es wieder auf, die Soldaten der Nato halfen mit Lebensmitteln, errichteten Schulen und Ambulanzen neu und gaben den Zymberis das Gefühl, endlich in Sicherheit zu leben. Zwar fand Gani Zymberi, dessen Körper von der wochenlangen Folter dauerhaft gezeichnet ist, zunächst weiterhin keine Arbeit. Doch die Söhne wuchsen heran; und mit der Unabhängigkeit hoffte die Familie auf einen Neubeginn für sich und für Kosovo.
In der Tat sind schon auf dem Weg nach Pristina nun viele neue Geschäfte zu bestaunen, und noch mehr neu gebaute Häuser selbst in entlegenen Dörfern. Pristina selbst platzt mit immer neuen Häusern, Geschäften, Cafés und Restaurants aus allen Nähten. Doch der Schein trügt.
Pristina boomt einerseits dank des Geldes der schätzungsweise 10000 internationalen Mitarbeiter, die für die Schutztruppe Kfor und die UN-Mission UNMIK, die EU-Rechtsstaatsmission Eulex, die OSZE, für Hilfsorganisationen oder für Botschaften arbeiten. Die zweite Dauergeldspritze: Die Überweisungen der etlichen Hunderttausend Kosovoalbaner, die in Deutschland, der Schweiz, Frankreich oder Italien ihr Geld verdienen und einen erheblichen Teil davon in die Heimat schicken. Der Oppositionspolitiker Albin Kurti schätzt, dass jeder dritte Kosovalbaner im Ausland lebt. 'Nur deswegen können wir überleben.'
In Kosovo wird zwar viel gebaut und konsumiert, aber kaum etwas produziert. 'Kosovo exportiert heute jährlich für 300 Millionen Euro, aber importiert Waren für 2,5Milliarden Euro - ein höchst alarmierendes Ungleichgewicht', sagt Lumir Abdixhiku vom Wirtschaftsforschungsinstitut Riinvest. 'Da wir kaum etwas produzieren, haben wir auch nicht die neuen Jobs, die wir brauchen.'
Das spüren auch die Zymberis. In Vushtri wird das Busunternehmen ohne Erfolg privatisiert, und einen Job findet Gani immer noch nicht.
Im Zentrum von Pristina streichen Arbeiter gelbe große Buchstaben neu an, die zusammen das Wort 'Newborn' ergeben - ein Relikt von der Unabhängigkeitsfeier vor fünf Jahren. Die Hauptstadt bereitet sich auf die Geburtstagsfeier an diesem Sonntag vor. Premier Hashim Thaci empfängt die Süddeutsche Zeitung wenige Hundert Meter entfernt zum Gespräch im glänzenden Büro-Wolkenkratzer der Regierung. Als 'Erfolgsgeschichte' feiert er Kosovo nach sechs Jahren unter seiner Führung: 'Unsere Unabhängigkeit wird konsolidiert und gestärkt, wir haben wirtschaftliche Fortschritte gemacht, keine Schulden und eine junge, arbeitsfähige Bevölkerung.'
In den Ohren der Zymberis klingen diese Worte wie Hohn. Bevor die drei jüngsten Söhne die Schule abschließen, ruhen ihre Hoffnungen auf dem ältesten Sohn, dem 21 Jahre alten Votim. Der studiert an der Universität von Pristina im ersten Semester Betriebswirtschaft und Marketing. Wegen der Behinderung von Vater Gani, hervorgerufen durch die Folter, bekommen die Zymberis im Monat 70 Euro staatliche Unterstützung. Votims Studium ist nur möglich, weil in Italien lebende Verwandte fürs Erste die 50 Euro Semestergebühr und die monatlich 50 Euro für Votims Studentenzimmer zahlen. Sein Studienfach hat Votim nicht gewählt, weil er von Marketing so begeistert wäre. 'Aber die Studiengänge für Management oder Informatik sind überlaufen - wer dort aufgenommen werden will, muss etwa 1000 Euro Bestechungsgeld zahlen', erzählt Votim.
Auch wer sein Studium erfolgreich abschließt, findet danach nur selten einen Job. Schon offiziell liegt die Arbeitslosigkeit in Kosovo, dem ärmsten Land Europas, bei 45 Prozent. Und Kosovo ist nicht nur das ärmste, sondern auch das jüngste Land Europas. Von den auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Kosovaren findet laut Statistik nur jeder dritte einen Job. Votims Erfahrung ist noch düsterer. 'Selbst von meinen Freunden und Bekannten mit Studienabschluss finden vielleicht fünf Prozent eine Arbeit. Und nie entspricht sie ihrer Qualifikation - sie finden höchsten als Autowäscher, Packarbeiter oder Verkäufer etwas und verdienen dann vielleicht 200 Euro im Monat. Die wenigen Jobs, die es gibt, werden unter der Hand vergeben.'
Kosovos größter Arbeitgeber ist der Staat - in der Realität Premier Thaci und seine Partei PDK. Die Ausgaben des Staates und staatlicher Unternehmen machen neben den internationalen Millionenhilfen auch den Löwenanteil der kosovarischen Wirtschaft aus. 'Das private Unternehmertum, das die Arbeitslosigkeit mit neuen Arbeitsplätzen nach unten bringen könnte, ist kaum entwickelt', sagt Wirtschaftsforscher Abdixhiku. 'Und dafür gibt es gute Gründe: Allen voran Vetternwirtschaft, Korruption und die völlige Abwesenheit einer funktionierenden Justiz.'
Beispiele gibt es genug. Da wird, kurz nachdem er die Privatisierung eines bekannten Hotels in Pristina rückgängig gemacht hat, der Chef der staatlichen Privatisierungsbehörde im Juni 2012 mit Messerstichen in Brust und Nacken in seinem Büro aufgefunden. Er stirbt im Krankenhaus - und wird als angeblicher Selbstmörder eingestuft. Da wird eine Autobahn nach Albanien, das größte Infrastrukturprojekt des Landes, nach Recherchen des Oppositionspolitikers Albin Kurti zum dreifach überhöhten Preis gebaut. Und der langjährige Transportminister und enge Vertraute des seit 2007 regierenden Premiers Hashim Thaci, Fatmir Limaj, wird im November 2012 von der EU-Rechtsstaatsmission Eulex der organisierten Kriminalität und millionenschwerer Korruption angeklagt und inhaftiert. Zuvor ist ein in Deutschland lebender Belastungszeuge gegen Limaj dort tot aufgefunden worden.
Die Korruption erreicht auch den letzten Winkel Kosovos, wie die Zymberis wissen. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit kaufte ein Unternehmer oberhalb des Dorfes einen Grauwacke-Steinbruch. Damit er den Zuschlag bekam und von der Steuer befreit wurde, sagte er zu, den ins Dorf führenden Schlammweg durch eine Asphaltstraße zu ersetzen. Passiert ist bis heute nichts. Wer einen öffentlichen Auftrag bekommen will - und oft ist es die einzige Geldquelle für Unternehmen -, muss in der Region 20 Prozent der Auftragssumme als Bestechungsgeld zahlen, berichten die Zymberis. Dementsprechend ist oft auch die geleistete Arbeit. In einem Nachbardorf wurde eine versprochene Straße zwar gebaut, aber deutlich schmaler als zugesagt. 'Dann kann sich der Straßenbauer das Geld für den gesparten Asphalt in die eigene Tasche stopfen', erklärt Vater Zymberi. 'Kosovo ist durch und durch korrupt.'
Unabhängige Studien geben ihm recht. Im Anfang Dezember veröffentlichten Korruptionsindex von Transparency International belegt Kosovo Platz 105. Nur Albanien ist in Europa noch korrupter.
Vor diesem Hintergrund kommen auch Privatisierungen und ausländische Investitionen seit Jahren nicht vom Fleck oder sind von neuen Skandalen überschattet. Die Investitionen wären dringend notwendig - etwa in das einzige, Jahrzehnte alte Kraftwerk Kosovos, ins staatliche Stromnetz oder in die Erschließung wertvoller Mineralienvorkommen, zum Neubau des Flughafens von Pristina oder in die staatliche Telefonbehörde. 'Kosovo hat bis heute nicht einen international bekannten Investor im Land, der hier produzieren will', sagt der Ökonom Abdixhiku: 'Vor fünf Jahren waren wir der Liebling der internationalen Gemeinschaft und träumten, dass wir auf diesem Wohlwollen unseren neuen Staat und unsere Wirtschaft aufbauen könnten. Doch wir haben es geschafft, dieses Wohlwollen komplett zu verspielen.'
Kosovos Regierung wird sich das Feiern am Sonntag gleichwohl nicht nehmen lassen. Gani Zymberi, seine Frau und die vier Söhne können zur Feier des Tages nur ein paar frische Eier aus dem Hühnerstall holen. 'Für uns', sagt Vater Zymberi, 'ist Kosovo noch weit davon entfernt, ein Erfolg zu sein.'
Pristina - Gani Zymberi und seine Familie können sich noch genau an ihre hohen Erwartungen erinnern, mit denen sie den 17.Februar 2008 erlebten. Damals riefen Regierung und Parlament Kosovo als unabhängigen Staat aus. 'Wir dachten, nach allem, was wir durchgemacht haben, wird es nun endlich deutlich besser', sagt Vater Gani. Er ist 58 Jahre alt, ein schmächtiger Mann, von einem harten Leben gezeichnet. Zum Gespräch hat er ins Wohnzimmer gebeten, das der Familie mit einem Holzofen zugleich als Küche dient. 'Wir dachten, wir sind jetzt endlich unsere eigenen Herren, bald gibt es mehr Jobs und Kosovo macht echten Fortschritt. Leider kam es anders.'
Ein paar frische Eier - mehr kann sich die Familie Zymberi auch zur Feier des Tages nicht leisten.
Zymberi, seine Frau Sevdije und die vier Söhne sind vom Leben ebenso wenig verwöhnt wie ihre 150 Nachbarn im Dorf Pasome, nahe der Stadt Vushtri nördlich der Hauptstadt Pristina. Zu jugoslawischen Zeiten arbeitete Zymberi als Mechaniker im Busunternehmen von Vushtri. Die umgerechnet 150, mal 200 Mark, die er nach Hause brachte, reichten zusammen mit der Milch der Kuh so gerade zum Überleben. Doch dann kam in Belgrad Slobodan Milosevic an die Macht - und baute sie aus, in dem er den Nationalismus schürte und den Anspruch auf ein serbisches Kosovo erhob. Als Zymberi und seine gut 100 albanischen Kollegen im Busunternehmen von Vushtri sich weigerten, eine Loyalitätserklärung für Serbien zu unterschreiben, verloren 1989 alle ihren Job. Und die Busse wurden kurzerhand gestohlen und nach Serbien gebracht.
Wie seine albanischen Freunde und Nachbarn fand Zymberi danach keine reguläre Arbeit mehr - richtige Jobs gingen nun an Serben. Mit Gelegenheitsarbeiten und der Hilfe von Nachbarn und Verwandten hielt sich die Familie über Wasser. Gani Zymberi dachte damals, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer werden könne. Doch im Jahr 1998 begann Milosevic in Kosovo eine Mord- und Terrorkampagne, um die Albaner zu vertreiben. Zymberi wurde festgenommen und im Gefängnis der Stadt Mitrovica wochenlang gefoltert. Seine Rettung: Ein serbischer Wächter, dem er einst nach einem Autounfall das Leben gerettet hatte, erkannte ihn wieder - und half ihm aus dem Gefängnis. Zymberi wurde nach Albanien deportiert. Seine Frau floh mit den vier Kindern von Dorf zu Dorf und versteckte sich wochenlang in den Wäldern.
Als die Bombardements der Nato die serbischen Soldaten und Freischärler im Juni 1999 aus dem Kosovo vertrieben hatte, kehrten die Zymberis zurück. Ihr Haus war ebenso niedergebrannt wie alle anderen im Dorf. Doch das Dänische Rote Kreuz baute es wieder auf, die Soldaten der Nato halfen mit Lebensmitteln, errichteten Schulen und Ambulanzen neu und gaben den Zymberis das Gefühl, endlich in Sicherheit zu leben. Zwar fand Gani Zymberi, dessen Körper von der wochenlangen Folter dauerhaft gezeichnet ist, zunächst weiterhin keine Arbeit. Doch die Söhne wuchsen heran; und mit der Unabhängigkeit hoffte die Familie auf einen Neubeginn für sich und für Kosovo.
In der Tat sind schon auf dem Weg nach Pristina nun viele neue Geschäfte zu bestaunen, und noch mehr neu gebaute Häuser selbst in entlegenen Dörfern. Pristina selbst platzt mit immer neuen Häusern, Geschäften, Cafés und Restaurants aus allen Nähten. Doch der Schein trügt.
Pristina boomt einerseits dank des Geldes der schätzungsweise 10000 internationalen Mitarbeiter, die für die Schutztruppe Kfor und die UN-Mission UNMIK, die EU-Rechtsstaatsmission Eulex, die OSZE, für Hilfsorganisationen oder für Botschaften arbeiten. Die zweite Dauergeldspritze: Die Überweisungen der etlichen Hunderttausend Kosovoalbaner, die in Deutschland, der Schweiz, Frankreich oder Italien ihr Geld verdienen und einen erheblichen Teil davon in die Heimat schicken. Der Oppositionspolitiker Albin Kurti schätzt, dass jeder dritte Kosovalbaner im Ausland lebt. 'Nur deswegen können wir überleben.'
In Kosovo wird zwar viel gebaut und konsumiert, aber kaum etwas produziert. 'Kosovo exportiert heute jährlich für 300 Millionen Euro, aber importiert Waren für 2,5Milliarden Euro - ein höchst alarmierendes Ungleichgewicht', sagt Lumir Abdixhiku vom Wirtschaftsforschungsinstitut Riinvest. 'Da wir kaum etwas produzieren, haben wir auch nicht die neuen Jobs, die wir brauchen.'
Das spüren auch die Zymberis. In Vushtri wird das Busunternehmen ohne Erfolg privatisiert, und einen Job findet Gani immer noch nicht.
Im Zentrum von Pristina streichen Arbeiter gelbe große Buchstaben neu an, die zusammen das Wort 'Newborn' ergeben - ein Relikt von der Unabhängigkeitsfeier vor fünf Jahren. Die Hauptstadt bereitet sich auf die Geburtstagsfeier an diesem Sonntag vor. Premier Hashim Thaci empfängt die Süddeutsche Zeitung wenige Hundert Meter entfernt zum Gespräch im glänzenden Büro-Wolkenkratzer der Regierung. Als 'Erfolgsgeschichte' feiert er Kosovo nach sechs Jahren unter seiner Führung: 'Unsere Unabhängigkeit wird konsolidiert und gestärkt, wir haben wirtschaftliche Fortschritte gemacht, keine Schulden und eine junge, arbeitsfähige Bevölkerung.'
In den Ohren der Zymberis klingen diese Worte wie Hohn. Bevor die drei jüngsten Söhne die Schule abschließen, ruhen ihre Hoffnungen auf dem ältesten Sohn, dem 21 Jahre alten Votim. Der studiert an der Universität von Pristina im ersten Semester Betriebswirtschaft und Marketing. Wegen der Behinderung von Vater Gani, hervorgerufen durch die Folter, bekommen die Zymberis im Monat 70 Euro staatliche Unterstützung. Votims Studium ist nur möglich, weil in Italien lebende Verwandte fürs Erste die 50 Euro Semestergebühr und die monatlich 50 Euro für Votims Studentenzimmer zahlen. Sein Studienfach hat Votim nicht gewählt, weil er von Marketing so begeistert wäre. 'Aber die Studiengänge für Management oder Informatik sind überlaufen - wer dort aufgenommen werden will, muss etwa 1000 Euro Bestechungsgeld zahlen', erzählt Votim.
Auch wer sein Studium erfolgreich abschließt, findet danach nur selten einen Job. Schon offiziell liegt die Arbeitslosigkeit in Kosovo, dem ärmsten Land Europas, bei 45 Prozent. Und Kosovo ist nicht nur das ärmste, sondern auch das jüngste Land Europas. Von den auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Kosovaren findet laut Statistik nur jeder dritte einen Job. Votims Erfahrung ist noch düsterer. 'Selbst von meinen Freunden und Bekannten mit Studienabschluss finden vielleicht fünf Prozent eine Arbeit. Und nie entspricht sie ihrer Qualifikation - sie finden höchsten als Autowäscher, Packarbeiter oder Verkäufer etwas und verdienen dann vielleicht 200 Euro im Monat. Die wenigen Jobs, die es gibt, werden unter der Hand vergeben.'
Kosovos größter Arbeitgeber ist der Staat - in der Realität Premier Thaci und seine Partei PDK. Die Ausgaben des Staates und staatlicher Unternehmen machen neben den internationalen Millionenhilfen auch den Löwenanteil der kosovarischen Wirtschaft aus. 'Das private Unternehmertum, das die Arbeitslosigkeit mit neuen Arbeitsplätzen nach unten bringen könnte, ist kaum entwickelt', sagt Wirtschaftsforscher Abdixhiku. 'Und dafür gibt es gute Gründe: Allen voran Vetternwirtschaft, Korruption und die völlige Abwesenheit einer funktionierenden Justiz.'
Beispiele gibt es genug. Da wird, kurz nachdem er die Privatisierung eines bekannten Hotels in Pristina rückgängig gemacht hat, der Chef der staatlichen Privatisierungsbehörde im Juni 2012 mit Messerstichen in Brust und Nacken in seinem Büro aufgefunden. Er stirbt im Krankenhaus - und wird als angeblicher Selbstmörder eingestuft. Da wird eine Autobahn nach Albanien, das größte Infrastrukturprojekt des Landes, nach Recherchen des Oppositionspolitikers Albin Kurti zum dreifach überhöhten Preis gebaut. Und der langjährige Transportminister und enge Vertraute des seit 2007 regierenden Premiers Hashim Thaci, Fatmir Limaj, wird im November 2012 von der EU-Rechtsstaatsmission Eulex der organisierten Kriminalität und millionenschwerer Korruption angeklagt und inhaftiert. Zuvor ist ein in Deutschland lebender Belastungszeuge gegen Limaj dort tot aufgefunden worden.
Die Korruption erreicht auch den letzten Winkel Kosovos, wie die Zymberis wissen. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit kaufte ein Unternehmer oberhalb des Dorfes einen Grauwacke-Steinbruch. Damit er den Zuschlag bekam und von der Steuer befreit wurde, sagte er zu, den ins Dorf führenden Schlammweg durch eine Asphaltstraße zu ersetzen. Passiert ist bis heute nichts. Wer einen öffentlichen Auftrag bekommen will - und oft ist es die einzige Geldquelle für Unternehmen -, muss in der Region 20 Prozent der Auftragssumme als Bestechungsgeld zahlen, berichten die Zymberis. Dementsprechend ist oft auch die geleistete Arbeit. In einem Nachbardorf wurde eine versprochene Straße zwar gebaut, aber deutlich schmaler als zugesagt. 'Dann kann sich der Straßenbauer das Geld für den gesparten Asphalt in die eigene Tasche stopfen', erklärt Vater Zymberi. 'Kosovo ist durch und durch korrupt.'
Unabhängige Studien geben ihm recht. Im Anfang Dezember veröffentlichten Korruptionsindex von Transparency International belegt Kosovo Platz 105. Nur Albanien ist in Europa noch korrupter.
Vor diesem Hintergrund kommen auch Privatisierungen und ausländische Investitionen seit Jahren nicht vom Fleck oder sind von neuen Skandalen überschattet. Die Investitionen wären dringend notwendig - etwa in das einzige, Jahrzehnte alte Kraftwerk Kosovos, ins staatliche Stromnetz oder in die Erschließung wertvoller Mineralienvorkommen, zum Neubau des Flughafens von Pristina oder in die staatliche Telefonbehörde. 'Kosovo hat bis heute nicht einen international bekannten Investor im Land, der hier produzieren will', sagt der Ökonom Abdixhiku: 'Vor fünf Jahren waren wir der Liebling der internationalen Gemeinschaft und träumten, dass wir auf diesem Wohlwollen unseren neuen Staat und unsere Wirtschaft aufbauen könnten. Doch wir haben es geschafft, dieses Wohlwollen komplett zu verspielen.'
Kosovos Regierung wird sich das Feiern am Sonntag gleichwohl nicht nehmen lassen. Gani Zymberi, seine Frau und die vier Söhne können zur Feier des Tages nur ein paar frische Eier aus dem Hühnerstall holen. 'Für uns', sagt Vater Zymberi, 'ist Kosovo noch weit davon entfernt, ein Erfolg zu sein.'