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Lasst endlich Daten sehen

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Diesen Dienstag geht die Webseite govdata.de online. Im Rahmen dieses Projekts werden Daten, die der Regierung vorliegen, transparent gemacht. Das wird die Kommunikation zwischen Bürgern und Regierenden entscheidend verändern.

Zunächst einmal ist es nur eine weitere Webseite aus Regierungshand, die an diesem Dienstag online geht und für alle Menschen mit Internetanschluss zur Verfügung steht. Tatsächlich aber ist das Projekt govdata.de der erste Schritt in eine ganz neue Ära der Kommunikation zwischen Regierung und Verwaltung auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite.

Um zu verstehen, wie wichtig dieses Portal für alle Bürger in Deutschland werden kann, muss man einen kleinen Schritt in der Geschichte zurückgehen. 'Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen': Ein Satz, so aktuell wie nie zuvor, und doch schon aus den Achtzigerjahren. Damals formulierten die Hacker beim 'Chaos Computer Club' dieses Mantra als Teil einer Ethik für Hacker. Die zweite der beiden Forderungen - private Daten schützen - erinnert heute wohl jeden an ein paar konkrete Beispiele; Datenschutz ist im Zeitalter von Facebook und Twitter zu einem der wichtigsten Themen geworden. Was aber ist mit dem ersten Teil des Satzes aus der Hacker-Ethik? Daten verfügbar zu machen, sie zu veröffentlichen statt zu verstecken? Um es kurz zu machen: Andere Länder sind längst weiter als Deutschland.

Hierzulande ist 'Open Government' noch in der Entwicklung. Hinter dem Fachbegriff verbirgt sich, was die Übersetzung nahelegt: der Wunsch nach einer Öffnung von Regierung und Verwaltung und damit der Freigabe aller Daten, die in einem Land von den beiden Instanzen gesammelt worden sind. Diese Angelegenheit ist prinzipieller Natur, so legt es schon das Mantra des Chaos Computer Clubs nahe. Seit Beginn des Jahres 2006 ist der Anspruch auf Zugang zu den von Regierung und Verwaltung erhobenen Daten auch gesetzlich geregelt. Im allerersten Satz des Informationsfreiheitsgesetz heißt es: 'Jeder hat (...) gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.' Auch die Mehrzahl der Bundesländer hat entsprechende Gesetze erlassen. Dass der Anspruch dieser Gesetze nur bedeuten kann, Daten digital zur Verfügung zu stellen, haben sowohl die Bundesregierung als auch viele Netzaktivisten erkannt.

So also ist im Auftrag des Bundesinnenministeriums das Projekt govdata.de entstanden. Umgesetzt wurde die Webseite vom Fraunhofer-Institut. Zum Start bringt das Portal eine knapp vierstellige Zahl an Datensätzen online, zusätzlich noch Apps für Android- und Apple-Handys sowie Dokumente, in denen Daten bereits aufgearbeitet und erklärt wurden. Darunter sind, um nur wenige Beispiele zu nennen, der gesamte Bundeshaushalt, aber auch 14 Radrouten aus Berlin und eine Liste der Aids-Beratungsstellen in Bremen.

Die Dateien lassen sich von jedem per Mausklick herunterladen. Sie kommen von Ämtern, Ministerien und Verwaltungen aller Ebenen aus ganz Deutschland. Darunter sind zum Start beispielsweise Geo-, Statistik- und Umweltdaten aus Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Bayern und Hamburg. Darüber hinaus werden auch kommunale Daten aus Bonn, Köln, Moers, Münster, Rostock, Ulm und Wennigsen abrufbar sein. Auch bereits bestehende Datenbanken, wie zum Beispiel Destatis, die umfangreiche Webseite des Statistischen Bundesamtes, werden in das Angebot eingebettet. So bündelt das neue Portal alle Verwaltungs- und Regierungsebenen der Bundesrepublik und ältere Angebote an einem zentralen Ort.

Die Nutzer können auf alle Dateien im Format Excel zugreifen, aber auch in den für Programmierer interessanteren Formaten json und xml. Textdokumente liegen als pdf-Datei vor.

Die Darstellung im und mit dem Computer bietet der althergebrachten Methode einer schriftlichen Abfrage zahlreiche Vorteile. Große Datensätze können als Grafik dargestellt werden. Letzten Endes bleibt es der Kreativität aller überlassen, was aus den Daten wird. Das können journalistische Projekte sein, die zum Beispiel die Kriminalität in bestimmten Teilen Deutschlands analysieren, aber auch private Initiativen. Bürgerbewegungen können sich auf die Daten berufen, zum Beispiel indem sie Kosten für Großprojekte vergleichen, die sie ablehnen oder fördern wollen.

Weil die Daten auf so vielfältige Art und Weise eingesetzt werden können, funktioniert ihre Freigabe erfahrungsgemäß auch als Wirtschaftsförderung. Daten machen Märkte zum Beispiel in unterschiedlichen Regionen vergleichbar, oft weisen sie auf Nischen hin oder auf bestehende Nachfragen, die bislang nicht bedient werden.

Über all diesen sehr konkreten Vorteilen des 'Open Government' steht außerdem der ideelle Wert: Wollen Regierung und Verwaltung bürgernah und transparent sein, so bedeutet das heutzutage mehr, als dem Bürger ein Landratsamt in der nächsten Kreisstadt und einen Abgeordneten mit E-Mail-Adresse zu bieten. Die Regierung offeriert mit dem Start der Webseite den Bürgern nicht nur die Daten, sondern gewährt ihnen auch Einblick in eine Grundlage politischer Entscheidungen. Das Handeln der Regierung wird überprüfbarer. Entsprechende Projekte sind idealerweise also eine Möglichkeit, die Identifikation des Bürgers mit seinem Staat zu stärken.

In Anbetracht der hohen Relevanz und des großen Potenzials eines 'Open Governments' ist es verständlich, dass sich die Netzszene in das Projekt eingebracht hat. Doch spätestens seit einem Treffen Anfang Februar, den das Fraunhofer-Institut eigens für die Netzaktivisten durchgeführt hat, ist Streit ausgebrochen. Die Programmierer und Bürgerrechtler, darunter Christian Heise von e-demokratie.org und Experten des bekannten Blogs netzpolitik.org, kritisieren mehrere grundsätzliche Punkte des Projektes. Sie fordern, dass alle Daten einheitlich auch für kommerzielle Zwecke und ohne jede Einschränkung frei für jeden zur Verfügung stehen sollen. Wer mit den Datensätzen des Portals was machen darf, ist in so genannten Lizenzen geregelt. Jeder Datensatz besitzt eine eigene Lizenz, in der genau steht, ob er zum Beispiel für kommerzielle Zwecke genutzt werden darf. Bislang legen diese Lizenzen die Behörden fest, die die Daten erhoben haben. Eine Lizenz, die den Gebrauch der Daten überhaupt nicht einschränkt, wird als 'offen' bezeichnet und entspricht damit den Wünschen der Netzaktivisten.

Im Fraunhofer-Institut heißt es, die Sorgen der Kritiker seien schon deshalb unberechtigt, weil nahezu alle Datensätze bislang mit ganz offenen Lizenzen eingereicht worden seien. Das Bundesinnenministerium verweist darauf, dass es 'im Ermessen der jeweiligen Datenbereitsteller' liege, 'unter welchen Bedingungen sie Daten zur Verfügung stellen.' Das bedeutet, dass jede Verwaltungseinheit, die ihre Daten nach Berlin schickt, mitreden kann, wie die Daten verwendet werden können. Es gibt bislang keine Pflicht für Behörden, ihre Daten in das Projekt einzuspeisen. Stattdessen hofft das Innenministerium nun auf 'eine Sogwirkung' des Projekts govdata.de.

Nicht zuletzt deshalb fordern die Kritiker, dass das Projekt stärker an internationalen Vorgaben hinsichtlich Bedienbarkeit und Programmierung für 'Open Government' ausgerichtet werden solle - und dass sich nicht mehr das Bundesinnenministerium, sondern gleich das Kanzleramt um govdata.de kümmern solle. Auf der Webseite not-your-govdata.de, auf der die Kritik gesammelt ist, haben bislang über 300 Menschen unterschrieben. Je nachdem, wie der Rest der Bevölkerung das Projekt annimmt, könnten das bald noch sehr viel mehr werden.

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