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Digitale Abschreckung

Die USA sind bereit, Cyberangriffe mit aller Härte zu beantworten. Das US-Militär behält sich vor, auf Cyberattacken mit Bomben und Raketen zu reagieren, wenn es nötig ist.

Die Strategie der Abschreckung stammt aus dem vergangenen Jahrhundert, dem Zeitalter der verfeindeten Blöcke, der Ära der strategischen Nuklearwaffen. Sie beruht auf der Idee, dass ein Gegner eine Kosten-Nutzen-Abwägung anstellt, ehe er handelt. Dabei stellt er in Rechnung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Kosten für ihn anfallen. Ein nuklearer Überraschungsangriff auf die Atomstreitmacht der anderen Seite hätte im Kalten Krieg mit einiger Sicherheit die eigene Vernichtung nach sich gezogen. Gemäß der Theorie wurden also beide Seiten abgeschreckt, das Risiko war viel zu hoch, gemessen am etwaigen Nutzen. Klingt immer noch zynisch, doch das Ergebnis war das 'Gleichgewicht des Schreckens', das immerhin auf Jahrzehnte stabil blieb.


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Die USA will härter gegen Cyberangriffe vorgehen - wenn es sein muss mit Bomben und Raketen.

Auf die zunehmenden Auseinandersetzungen im Cyberspace, die den Beginn dieses Jahrhunderts prägen, lässt sich die Abschreckungsstrategie nicht eins zu eins übertragen. Es gibt im Netz keine Frühwarnsysteme, die aufsteigende Interkontinentalraketen sekundenschnell und auf wenige Kilometer genau lokalisieren können. Nicht immer lässt sich sofort und vor allem zweifelsfrei sagen, wer hinter einer Cyberattacke steht - wenn sie denn überhaupt bemerkt wird.

Der Grundgedanke der Abschreckung aber kann auch im digitalen Zeitalter funktionieren. Wenn sich ein Land wie China auf digitale Raubzüge begibt, dann weil es daraus großen Nutzen zieht. Es treibt die Entwicklung der eigenen Industrie voran. Oder es hofft auf militärische Vorteile im Falle einer größeren Auseinandersetzung, wenn es zuvor verwundbare Infrastruktur in den USA ausgespäht hat - Stromnetze etwa. In Peking war man allerdings offenkundig der Überzeugung, dass der Preis für solcherlei Spionage gering ist - bisher zumindest. Das Risiko, erwischt zu werden, schien gering zu sein. Und das Risiko, für die Dreistigkeit gar noch bestraft zu werden, juristisch, durch Sanktionen oder gar durch das Militär, ging sogar gegen null.

Diese vermeintliche Sicherheit aber schwindet nun. Die USA sind dabei, Stück für Stück eine Abschreckungsstrategie im Cyberspace zu etablieren. Peking kann nun eine Lehre ziehen aus dem Bericht einer privaten US-Sicherheitsfirma über die Verwicklung von Einheiten des chinesischen Militärs in massive Cyber-Spionage. Die Botschaft der Studie: Die US-Geheimdienste und das US-Militär wissen offenbar noch weit mehr über die heimlichen Aktivitäten der chinesischen Netzkrieger. Leugnen hilft da nicht mehr.

Dazu kommt, dass die Regierung Obama seit Längerem aggressiver gegen Cyber-Spionage vorgehen will. Das US-Militär hat schon im vergangenen Jahr erklärt, es behalte sich vor, auf Cyberattacken mit Bomben und Raketen zu reagieren, wenn sie die Kriterien eines bewaffneten Angriffs erfüllen. Die Botschaft an potenzielle Angreifer ist leicht zu entziffern: Egal ob ihr spionieren, sabotieren oder uns angreifen wollt, ihr müsst damit rechnen, dass wir euch ertappen - und dass ihr nicht ungeschoren davonkommt.

Die Drohung muss glaubwürdig sein. Das ist sie nicht erst, wenn jedermann sicher weiß, dass er bei einem Cyber-Angriff erwischt wird. Es reicht - zumindest bei Hackern im Staatsauftrag - wenn die Unsicherheit wächst. Zu dieser Unsicherheit trug auch die Kommunikation der Obama-Regierung über die Stuxnet-Attacke auf Irans Nuklearprogramm bei. Wenn man schon aufgeflogen war, dann bitte sehr richtig: Die USA schickten das Signal, dass sie über moderne, offensive Cyber-Waffen verfügten. Diese Art von Kommunikation betrieben die Supermächte einst mit Raketen- und Atomtests oder Militärparaden. Potenzielle Angreifer werden das ins Kalkül ziehen, wenn sie künftig Nutzen und Risiken einer Attacke abwägen.

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