Magazine auf mattem Papier erobern den Kiosk. Sie sind die mediale Antwort auf eine junge Bürgerlichkeit.
Es ist wenige Jahre her, da erinnerte der Zeitschriftenmarkt plötzlich an die Schulbänke der Neunzigerjahre. Wer Bescheid wusste, wählte statt weißem, glänzendem Papier die matte, leicht gräuliche Alternative. Erst war es ein Magazin, dann mehrere, und mittlerweile sehen Gala und InStyle neben den vielen dezenten Heften aus wie Strasssteinchen auf Jeanshemden neben dem Kaschmirpulli. In wenigen Jahren hat matt die Magazinwelt erobert.
Die Idee ist nicht neu: Das ehemalige jetzt-Heft der SZ war matt, ebenso sind es das Fußballheft 11 Freunde, das Nähmagazin Cut und der in nur vier Ausgaben veröffentlichte Human-globale Zufall. Derart häufig wie heute war Anti-Hochglanz allerdings selten am Kiosk vertreten.
Unter all die altbekannten Zeitungen und günstigen Heftchen am Kios mischen sich immer mehr edle Magazine.
Eines der schönen Beispiele: Der Weekender. Für die Macher des Heftes, Dirk Mönkemöller und Christian Schneider, war von vorne herein klar: Hochglanz kommt nicht infrage. Jahrelang hatten die beiden Fanzines produziert, mochten die Dummy, lasen AD, fanden sich darin nicht wieder und bedauerten, dass der deutsche Markt ohne das spanische Wohnmagazin Apartamento auskommen musste. Ohne Marktforschung beschlossen sie deshalb 2010, ein Heft für Menschen zu machen, die sich für Einrichtung interessieren.
Sie träumten von drei Ausgaben, die erste erschien im April 2011. Die Entscheidung für das matte Papier fiel, eben weil nicht Designermöbel im Vordergrund stehen sollten, sondern 'ein Blick in die Wohnung des Nachbarn' geplant war. Mittlerweile ist das zehnte Heft in Produktion, längst erweitert um die Themen Reisen und Natur, noch immer kreiert von Mönkemöller und Schneider neben ihren regulären Jobs. Doch die Auflage von 5000 ist teilweise ausverkauft, die Hefte werden bis nach Tokio ausgeliefert und wurden bei den Lead-Awards ausgezeichnet.
Wenig verwunderlich, dass der Weekender am Kiosk Gesellschaft bekommen hat. Päng!, das Stuttgarter Ergebnis einer Masterarbeit, ist gefolgt und erscheint zum vierten Mal in 15000 Exemplaren, ebenso Mensch aus Köln und weitere Hefte auf sogenanntem ungestrichenen Papier. Es geht um Einrichtung, Reise und Natur, Essen, gute Kleidung (CUT) und Menschen hinter Produkten und Ideen. Zu sehen sind Instagram-artige Bilder von restaurierten Möbeln, selbstgenähte Turnbeutel, Rennräder, Gebäck auf Oma-Porzellan. Die Protagonisten haben oft Hornbrillen und lange Bärte und erzählen von ihrer Reise, ihrem Atelier oder ihrem Leben auf dem Land. Eine typische Geschichte aus Ausgabe fünf des Weekender: Der amerikanische Webpionier Zach Klein baut mit Kumpels Hütten in den Wäldern vor New York.
Diese Hefte und ihre internationalen Artgenossen, Flamingo aus London oder Frankie aus Australien, gehen über den einst als Lebensgefühljournalismus bezeichneten Stil hinaus. Sie sind die mediale Antwort auf eine junge Bürgerlichkeit, der, wie die FAZ zuletzt entsetzt feststellte, ihre Freizeit gelegentlich wichtiger ist als die Arbeit. Päng!-Chefin Josephine Götz versucht, 'Inhalte zu bringen, die uns helfen, den Laptop auszumachen'. Dirk Mönkemöller nennt sein 'Magazin für Einblicke und Ausflüge' einen Gegenpol zum digitalen Alltag. Ein matter Look ist da die logische Konsequenz, er gehört zu den Landgeschichten, die Ödnis und Spießertum nicht verschweigen, das Papier vermittele dazu 'Authentizität', findet Mönkemöller.
Gleichzeitig wirken die Hefte genau deshalb auch widersprüchlich: Mit dem Matten geht die Vorstellung von Nachhaltigkeit einher, und die Geschichten spielen häufig in der Natur. Dennoch steht Konsum erstaunlich oft im Mittelpunkt. Nun ist Tiefgang auch nicht der grundlegende Anspruch - im Gegensatz etwa zu den ebenfalls matt erscheinenden neuen Philosophie-Magazinen. Und natürlich ist es sympathischer, wenn Menschen von einer Hütte träumen als von einer Designer-Couchgarnitur. Dass sie Erstere je bauen, ist derweil ebenso unwahrscheinlich wie ein Reihenhaus-Wohnzimmer, das nach AD aussieht. Was bleibt, ist der griffbereite Traum auf dem Coffeetable. Wenn auch der Coffeetable ein Nierentisch ist - und das Magazin darauf matt.
Es ist wenige Jahre her, da erinnerte der Zeitschriftenmarkt plötzlich an die Schulbänke der Neunzigerjahre. Wer Bescheid wusste, wählte statt weißem, glänzendem Papier die matte, leicht gräuliche Alternative. Erst war es ein Magazin, dann mehrere, und mittlerweile sehen Gala und InStyle neben den vielen dezenten Heften aus wie Strasssteinchen auf Jeanshemden neben dem Kaschmirpulli. In wenigen Jahren hat matt die Magazinwelt erobert.
Die Idee ist nicht neu: Das ehemalige jetzt-Heft der SZ war matt, ebenso sind es das Fußballheft 11 Freunde, das Nähmagazin Cut und der in nur vier Ausgaben veröffentlichte Human-globale Zufall. Derart häufig wie heute war Anti-Hochglanz allerdings selten am Kiosk vertreten.
Unter all die altbekannten Zeitungen und günstigen Heftchen am Kios mischen sich immer mehr edle Magazine.
Eines der schönen Beispiele: Der Weekender. Für die Macher des Heftes, Dirk Mönkemöller und Christian Schneider, war von vorne herein klar: Hochglanz kommt nicht infrage. Jahrelang hatten die beiden Fanzines produziert, mochten die Dummy, lasen AD, fanden sich darin nicht wieder und bedauerten, dass der deutsche Markt ohne das spanische Wohnmagazin Apartamento auskommen musste. Ohne Marktforschung beschlossen sie deshalb 2010, ein Heft für Menschen zu machen, die sich für Einrichtung interessieren.
Sie träumten von drei Ausgaben, die erste erschien im April 2011. Die Entscheidung für das matte Papier fiel, eben weil nicht Designermöbel im Vordergrund stehen sollten, sondern 'ein Blick in die Wohnung des Nachbarn' geplant war. Mittlerweile ist das zehnte Heft in Produktion, längst erweitert um die Themen Reisen und Natur, noch immer kreiert von Mönkemöller und Schneider neben ihren regulären Jobs. Doch die Auflage von 5000 ist teilweise ausverkauft, die Hefte werden bis nach Tokio ausgeliefert und wurden bei den Lead-Awards ausgezeichnet.
Wenig verwunderlich, dass der Weekender am Kiosk Gesellschaft bekommen hat. Päng!, das Stuttgarter Ergebnis einer Masterarbeit, ist gefolgt und erscheint zum vierten Mal in 15000 Exemplaren, ebenso Mensch aus Köln und weitere Hefte auf sogenanntem ungestrichenen Papier. Es geht um Einrichtung, Reise und Natur, Essen, gute Kleidung (CUT) und Menschen hinter Produkten und Ideen. Zu sehen sind Instagram-artige Bilder von restaurierten Möbeln, selbstgenähte Turnbeutel, Rennräder, Gebäck auf Oma-Porzellan. Die Protagonisten haben oft Hornbrillen und lange Bärte und erzählen von ihrer Reise, ihrem Atelier oder ihrem Leben auf dem Land. Eine typische Geschichte aus Ausgabe fünf des Weekender: Der amerikanische Webpionier Zach Klein baut mit Kumpels Hütten in den Wäldern vor New York.
Diese Hefte und ihre internationalen Artgenossen, Flamingo aus London oder Frankie aus Australien, gehen über den einst als Lebensgefühljournalismus bezeichneten Stil hinaus. Sie sind die mediale Antwort auf eine junge Bürgerlichkeit, der, wie die FAZ zuletzt entsetzt feststellte, ihre Freizeit gelegentlich wichtiger ist als die Arbeit. Päng!-Chefin Josephine Götz versucht, 'Inhalte zu bringen, die uns helfen, den Laptop auszumachen'. Dirk Mönkemöller nennt sein 'Magazin für Einblicke und Ausflüge' einen Gegenpol zum digitalen Alltag. Ein matter Look ist da die logische Konsequenz, er gehört zu den Landgeschichten, die Ödnis und Spießertum nicht verschweigen, das Papier vermittele dazu 'Authentizität', findet Mönkemöller.
Gleichzeitig wirken die Hefte genau deshalb auch widersprüchlich: Mit dem Matten geht die Vorstellung von Nachhaltigkeit einher, und die Geschichten spielen häufig in der Natur. Dennoch steht Konsum erstaunlich oft im Mittelpunkt. Nun ist Tiefgang auch nicht der grundlegende Anspruch - im Gegensatz etwa zu den ebenfalls matt erscheinenden neuen Philosophie-Magazinen. Und natürlich ist es sympathischer, wenn Menschen von einer Hütte träumen als von einer Designer-Couchgarnitur. Dass sie Erstere je bauen, ist derweil ebenso unwahrscheinlich wie ein Reihenhaus-Wohnzimmer, das nach AD aussieht. Was bleibt, ist der griffbereite Traum auf dem Coffeetable. Wenn auch der Coffeetable ein Nierentisch ist - und das Magazin darauf matt.