Die Star-Therapeuten Phil Stutz und Barry Michels haben eine Erfolgsfibel für jedermann geschrieben
Psychotherapeuten, die Schauspielern, Drehbuchschreibern und Filmproduzenten mit ungewöhnlichen Methoden helfen, ihre inneren Blockaden zu überwinden, und die damit so viel Erfolg haben, dass sie jetzt fast so berühmt sind wie ihre geheilten Patienten, die nun ihrerseits Charaktere erfinden, die ihren Therapeuten nachempfunden sind - so etwas gibt es natürlich nur in Hollywood, wo Populärkultur und Psychotherapie seit jeher aufs Innigste verbunden sind.
Therapie als Hollywood-Märchen
Der plötzliche Aufstieg von Phil Stutz und Barry Michels zu Therapie-Stars könnte selbst eine Erfindung Hollywoods sein. Jahrzehnte lang haben sie dort in aller Stille das Lampenfieber und die Schreibblockaden ihrer Klientel bekämpft, und jetzt sind sie in aller Munde mit ihrem Buch 'The Tools', das uns erklärt, wie wir unsere Probleme in Selbstvertrauen, Lebensfreude, Gelassenheit und innere Stärke verwandeln. Du kannst, sagt uns das Buch, dein Leben ändern, wenn du mit den hier angebotenen Werkzeugen, mit 'Umpolung des Verlangens', 'Aktive Liebe', 'Innere Autorität' und anderen, zu arbeiten lernst.
Aber haben uns das nicht zahllose Selbsthilfebücher zuvor auch schon versprochen? Und haben nicht unsere Eltern schon ziemlich erfolglos mit dem Tool 'Reiß Dich Zusammen' (Tools erkennt man bei Stutz/Michels an den Großbuchstaben) operiert? Vielleicht war auch nur unser Gegen-Tool 'Keine Lust' stärker.
Nichts ist leichter, als sich über 'The Tools' lustig zu machen, mit seinem spirituell aufgepeppten Jungianismus, mit den drolligen Grafiken, mit seinem Glauben an die Höheren Mächte und vor allem mit der leitenden Idee, es gebe tatsächlich Werkzeuge wie 'Aktive Liebe', mit denen wir unseren inneren Hemmnissen zu Leibe rücken können. Warum leisten wir uns überhaupt den Luxus psychischer Probleme, wenn wir sie schon mit ein paar schlichten Losungen überwinden könnten?
Bevor man sich aber über 'The Tools' amüsiert, sollte man zur Kenntnis nehmen, dass die Methode Stutz/Michels offenbar bestens funktioniert. Das war die Botschaft eines Artikels im New Yorker, der im Frühjahr 2011 erschien und der offenbar den Anstoß für das nun vorliegende Buch gab. Hier wurde von einem Drehbuchautor berichtet, der seit anderthalb Jahren an einem writer"s block, einer unüberwindbaren Schreibhemmung litt. Schließlich fand er den Weg zu Barry Michels, der ihn aufforderte, die Augen zu schließen und sich Dinge vorzustellen, für die er dankbar war. Lange fiel dem Autor nichts ein. 'Für ihren Hund vielleicht?', fragte der Therapeut. 'Ja, ich bin dankbar für meinen Hund,' gab der Autor zur Antwort. 'Für die Sonne?' 'Ja. Manchmal.' Dann sollte sich der Patient eine Eieruhr besorgen.
Jeden Tag sollte er die Uhr auf eine Minute einstellen, sich vor den Computer knien und das Universum bitten, es möge ihm helfen, den schlechtesten Satz aller Zeiten niederzuschreiben. Nichts passierte, aber einige Wochen später wurde der Autor von einer weiblichen Stimme aus dem Schlaf gerissen. Er stand auf, setzte sich an seinen Computer und begann zu schreiben. Sechs Wochen später war das Drehbuch fertig. Die Methode, das 'Tool', heißt 'Umpolung des Verlangens'. Man kennt Ähnliches auch als 'paradoxe Intervention', aber unter diesem Namen hat es anscheinend nicht so gut funktioniert.
Auch wenn die Therapieszene mit dem Drehbuchautor selbst wie eine Filmszene wirkt, las sich der Artikel im New Yorker wie eine Werbung für 'The Tools'. Die Hollywood-Kundschaft steht demnach Schlange bei Stutz und Michels, weil die beiden Therapeuten nicht nach Ursachen forschen, sondern rasche Lösungen anbieten, und dies mit Methoden, auf die man - Beispiel Eieruhr - selbst womöglich nicht gekommen wäre. Gegen die, wie sie sagen, Passivität der traditionellen Psychotherapie setzen Stutz und Michels ihren Übungssatz aus anti-intuitiven Befehlen: Gehe dorthin, wo der Schmerz am größten ist! Verbünde dich mit deinem mickrigen, ängstlichen Schatten-Selbst und überwinde deine Ängste! Überflute deinen Feind mit einer Woge 'Aktiver Liebe'.
Nach uramerikanischer Sitte mobilisieren Stutz und Michels die Kräfte des 'positiven Denkens' und versprechen ihren Patienten nicht weniger als die 'tägliche Verbindung zu lebensverändernden höheren Mächten'. Ihr Ansatz habe, so die Autoren, weder mit 'New Age' noch mit irgendeiner anderen neureligiösen Observanz zu tun. Woher dann aber der 'Faith in Higher Forces', der Glaube an höhere Werte, kommen soll, bleibt unklar. Wahrscheinlich ist es so: der sachgemäße Umgang mit den 'Tools' führt mich fast zwangsläufig auf eine höhere Umlaufbahn.
Die alten Hemmungen und Beklemmungen sind überwunden, nicht weil ich eine Glückspille genommen habe, sondern weil ich mir den Zugang zum höheren Selbst durch hartes Training erarbeitet habe. Nun, wo ich für immer meine 'comfort zone' verlassen habe, werden mir auch die Götter gnädig sein. Eigentlich haben Stutz und Michels ja ein Rezeptbuch für Menschen im Showbusiness verfasst, aber sie gehen stillschweigend davon aus, dass die Rezepte auch für den Rest der Menschheit gültig sind. Nichts ist wirklich neu an diesem Buch, nicht die Kritik an der Konsumkultur und der Aufruf zum tätigen Üben, nicht der Appell an die höheren Mächte und nicht der zur Liebe zu denen, die uns hassen. Auch deshalb ist 'The Tools' ein Produkt Hollywoods: wirklich erfolgreich ist hier selten das ganz Neue, sondern das Re-Make. 'The Tools' ist ein griffiges, suggestives Re-Make und Update von vielem, was in der Psychotherapie seit Langem als gängige Methodik gilt.
Regelrecht falsch sind die Stutz/Michels-Werkzeuge wahrscheinlich auch nicht, und wer hätte schon etwas gegen ein bisschen Esoterik, wenn sie Lahme gehend macht? So betrachtet, würde man sich schon gerne einmal dem Selbsttest in den Praxisräumen von Phil und Barry unterziehen. Nur kostet bei Barry die Stunde 360 Dollar und aufwärts, während Phil schon lange keine neuen Patienten mehr nimmt.Christoph Bartmann
Phil Stutz/Barry Michels: The Tools. Wie Sie wirklich Selbstvertrauen, Lebensfreude, Gelassenheit und innere Stärke gewinnen. Aus dem Englischen von Erika Ifang. Arkana Verlag, Göttingen 2012. 288 Seiten, 17,99 Euro.
Psychotherapeuten, die Schauspielern, Drehbuchschreibern und Filmproduzenten mit ungewöhnlichen Methoden helfen, ihre inneren Blockaden zu überwinden, und die damit so viel Erfolg haben, dass sie jetzt fast so berühmt sind wie ihre geheilten Patienten, die nun ihrerseits Charaktere erfinden, die ihren Therapeuten nachempfunden sind - so etwas gibt es natürlich nur in Hollywood, wo Populärkultur und Psychotherapie seit jeher aufs Innigste verbunden sind.
Therapie als Hollywood-Märchen
Der plötzliche Aufstieg von Phil Stutz und Barry Michels zu Therapie-Stars könnte selbst eine Erfindung Hollywoods sein. Jahrzehnte lang haben sie dort in aller Stille das Lampenfieber und die Schreibblockaden ihrer Klientel bekämpft, und jetzt sind sie in aller Munde mit ihrem Buch 'The Tools', das uns erklärt, wie wir unsere Probleme in Selbstvertrauen, Lebensfreude, Gelassenheit und innere Stärke verwandeln. Du kannst, sagt uns das Buch, dein Leben ändern, wenn du mit den hier angebotenen Werkzeugen, mit 'Umpolung des Verlangens', 'Aktive Liebe', 'Innere Autorität' und anderen, zu arbeiten lernst.
Aber haben uns das nicht zahllose Selbsthilfebücher zuvor auch schon versprochen? Und haben nicht unsere Eltern schon ziemlich erfolglos mit dem Tool 'Reiß Dich Zusammen' (Tools erkennt man bei Stutz/Michels an den Großbuchstaben) operiert? Vielleicht war auch nur unser Gegen-Tool 'Keine Lust' stärker.
Nichts ist leichter, als sich über 'The Tools' lustig zu machen, mit seinem spirituell aufgepeppten Jungianismus, mit den drolligen Grafiken, mit seinem Glauben an die Höheren Mächte und vor allem mit der leitenden Idee, es gebe tatsächlich Werkzeuge wie 'Aktive Liebe', mit denen wir unseren inneren Hemmnissen zu Leibe rücken können. Warum leisten wir uns überhaupt den Luxus psychischer Probleme, wenn wir sie schon mit ein paar schlichten Losungen überwinden könnten?
Bevor man sich aber über 'The Tools' amüsiert, sollte man zur Kenntnis nehmen, dass die Methode Stutz/Michels offenbar bestens funktioniert. Das war die Botschaft eines Artikels im New Yorker, der im Frühjahr 2011 erschien und der offenbar den Anstoß für das nun vorliegende Buch gab. Hier wurde von einem Drehbuchautor berichtet, der seit anderthalb Jahren an einem writer"s block, einer unüberwindbaren Schreibhemmung litt. Schließlich fand er den Weg zu Barry Michels, der ihn aufforderte, die Augen zu schließen und sich Dinge vorzustellen, für die er dankbar war. Lange fiel dem Autor nichts ein. 'Für ihren Hund vielleicht?', fragte der Therapeut. 'Ja, ich bin dankbar für meinen Hund,' gab der Autor zur Antwort. 'Für die Sonne?' 'Ja. Manchmal.' Dann sollte sich der Patient eine Eieruhr besorgen.
Jeden Tag sollte er die Uhr auf eine Minute einstellen, sich vor den Computer knien und das Universum bitten, es möge ihm helfen, den schlechtesten Satz aller Zeiten niederzuschreiben. Nichts passierte, aber einige Wochen später wurde der Autor von einer weiblichen Stimme aus dem Schlaf gerissen. Er stand auf, setzte sich an seinen Computer und begann zu schreiben. Sechs Wochen später war das Drehbuch fertig. Die Methode, das 'Tool', heißt 'Umpolung des Verlangens'. Man kennt Ähnliches auch als 'paradoxe Intervention', aber unter diesem Namen hat es anscheinend nicht so gut funktioniert.
Auch wenn die Therapieszene mit dem Drehbuchautor selbst wie eine Filmszene wirkt, las sich der Artikel im New Yorker wie eine Werbung für 'The Tools'. Die Hollywood-Kundschaft steht demnach Schlange bei Stutz und Michels, weil die beiden Therapeuten nicht nach Ursachen forschen, sondern rasche Lösungen anbieten, und dies mit Methoden, auf die man - Beispiel Eieruhr - selbst womöglich nicht gekommen wäre. Gegen die, wie sie sagen, Passivität der traditionellen Psychotherapie setzen Stutz und Michels ihren Übungssatz aus anti-intuitiven Befehlen: Gehe dorthin, wo der Schmerz am größten ist! Verbünde dich mit deinem mickrigen, ängstlichen Schatten-Selbst und überwinde deine Ängste! Überflute deinen Feind mit einer Woge 'Aktiver Liebe'.
Nach uramerikanischer Sitte mobilisieren Stutz und Michels die Kräfte des 'positiven Denkens' und versprechen ihren Patienten nicht weniger als die 'tägliche Verbindung zu lebensverändernden höheren Mächten'. Ihr Ansatz habe, so die Autoren, weder mit 'New Age' noch mit irgendeiner anderen neureligiösen Observanz zu tun. Woher dann aber der 'Faith in Higher Forces', der Glaube an höhere Werte, kommen soll, bleibt unklar. Wahrscheinlich ist es so: der sachgemäße Umgang mit den 'Tools' führt mich fast zwangsläufig auf eine höhere Umlaufbahn.
Die alten Hemmungen und Beklemmungen sind überwunden, nicht weil ich eine Glückspille genommen habe, sondern weil ich mir den Zugang zum höheren Selbst durch hartes Training erarbeitet habe. Nun, wo ich für immer meine 'comfort zone' verlassen habe, werden mir auch die Götter gnädig sein. Eigentlich haben Stutz und Michels ja ein Rezeptbuch für Menschen im Showbusiness verfasst, aber sie gehen stillschweigend davon aus, dass die Rezepte auch für den Rest der Menschheit gültig sind. Nichts ist wirklich neu an diesem Buch, nicht die Kritik an der Konsumkultur und der Aufruf zum tätigen Üben, nicht der Appell an die höheren Mächte und nicht der zur Liebe zu denen, die uns hassen. Auch deshalb ist 'The Tools' ein Produkt Hollywoods: wirklich erfolgreich ist hier selten das ganz Neue, sondern das Re-Make. 'The Tools' ist ein griffiges, suggestives Re-Make und Update von vielem, was in der Psychotherapie seit Langem als gängige Methodik gilt.
Regelrecht falsch sind die Stutz/Michels-Werkzeuge wahrscheinlich auch nicht, und wer hätte schon etwas gegen ein bisschen Esoterik, wenn sie Lahme gehend macht? So betrachtet, würde man sich schon gerne einmal dem Selbsttest in den Praxisräumen von Phil und Barry unterziehen. Nur kostet bei Barry die Stunde 360 Dollar und aufwärts, während Phil schon lange keine neuen Patienten mehr nimmt.Christoph Bartmann
Phil Stutz/Barry Michels: The Tools. Wie Sie wirklich Selbstvertrauen, Lebensfreude, Gelassenheit und innere Stärke gewinnen. Aus dem Englischen von Erika Ifang. Arkana Verlag, Göttingen 2012. 288 Seiten, 17,99 Euro.