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Ein Doktor für Fachhochschüler

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Universitäten lassen zunehmend FH-Absolventen zur Promotion zu - manchen Ländern reicht das nicht

Wenn René Regel vom 'Behaglichkeitsfaktor' erzählt, hört sich das für den Laien erst mal recht unbehaglich an. Dann wirft der 29-Jährige mit allerlei Wortungetümen um sich - 'Temperatur-Sollwerte, Luftwechselzahlen - und ruft auf seinem Rechner ein Knäuel bunter Kurven auf. Was dahintersteckt, ist aber simpel: Gebäude sollen effizienter werden und die Menschen sich darin wohlfühlen. Konkret geht es um einen Campus mit Hörsälen, Laboren, Büros, Werkshallen - alle verschieden genutzt und gebaut, in Jahrzehnten zu einem Areal gewachsen. 'Ich versuche, mir das alles energetisch transparent zu machen', sagt Regel, und die Augen hinter den Brillengläsern funkeln. Sein Ziel: eine Software, mit der auch Nicht-Wissenschaftler wie Hausmeister schnell sehen, wenn etwas mit dem Energiestatus ihrer Bauten nicht stimmt. 'Konkrete Probleme in der Praxis - das ist ja Leitgedanke meiner Hochschule', sagt Regel. Und es ist Leitgedanke seiner Doktorarbeit, die der Absolvent einer Fachhochschule (FH) anfertigt. FH und Dissertation - dass das zusammenpasst, versucht er zu beweisen.



Es hat sich noch nicht wirklich herumgesprochen, dass die Dissertation auch FH-Absolventen offensteht.

Promotionen sind seit jeher Aufgabe der Universitäten. Als FH-Absolvent auf dem Weg zum Doktor ist Regel also eine Ausnahme. Es führen keine breiten Alleen von den praxisorientierten Einrichtungen dorthin, nur Trampelpfade. Allerdings ist es politischer Wille, den besten Fachhochschülern die wissenschaftliche Weiterqualifikation nicht zu verwehren. Die Frage, die seit Jahren polarisiert, ist: Wie? Auf der einen Seite stehen die Fachhochschulen. In den Siebzigerjahren wurden sie zu akademischen Einrichtungen erhoben - Doktoranden dürfen sie aber nicht ausbilden. Das soll auch so bleiben, meinen die Universitäten. Das Promotionsrecht ist ihr nahezu heiliges Privileg, sie verteidigen es mit aller Kraft - und gern mit markigen Sprüchen. 'Es kann nicht sein, Promotion und Forschung auf die billige Art und Weise zu bekommen', hat Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Vertreter der klassischen Technik-Universitäten einmal gesagt. Nur die Unis könnten die Betreuung der Doktoranden garantieren, weil ihre Dozenten die Ausstattung und Zeit dafür hätten. FH-Professoren stehen doppelt so viel im Hörsaal wie ihre Uni-Kollegen. Jedoch lässt sich der Aufstieg der Fachhochschulen nicht leugnen: Ihre Studentenzahl ist binnen zehn Jahren um 80 Prozent gewachsen (an den Unis in dem Zeitraum um ein Drittel); und sie betreiben stärker denn je Forschung, als reine Unterrichtsstätte sieht sich kaum ein Standort. Die Standesvertretung der FH-Professoren wünscht sich daher eigene Doktoranden. Die Lage sei ein 'nicht länger hinnehmbarer Wettbewerbsnachteil'.

Zwischenzeitlich hat man einen ersten Kompromiss gefunden: die Öffnung der Promotion für FH-Absolventen durch gemeinsame Kollegs - wobei am Ende nur die Uni den Titel verleiht. Die Münchner Hochschule für angewandte Wissenschaften (so der offizielle Name) und die Technische Universität (TU) kooperieren in dem Kolleg 'Gebäudetechnik und Energieeffizienz', eines von zweien in Bayern. Betreut wird der Nachwuchs von einem Tandem; im Fall von Regel sind es der Uni-Professor Werner Lang und der FH-Professor Werner Jensch. 'Wir sind näher am Ingenieurbüro dran, die Universität an der Grundlagenforschung. Da kann man sich wunderbar ergänzen', sagt Jensch.

Als Regel sein FH-Studium der Gebäudetechnik begann, war die Forschung gedanklich weit weg. Seine Eltern im Umland von Nürnberg hatten einen Betrieb, Haustechnik und Sanitär, nach dem Studium stand die Übernahme in Aussicht. Im Praxissemester bei einem Konzern beschäftigte er sich dann näher mit Energieoptimierung - und wollte tiefer einsteigen, auch forschen. Das gemeinsame Kolleg, in dem er heute arbeitet, gab es noch nicht, als er 2009 seinen FH-Master-Abschluss machte. Und Betreuer Jensch konnte ihm keine Möglichkeit zur Promotion bieten: er darf ja nicht. Also ging Regel Klinken putzen, fragte an bei einem halben Dutzend Technik-Unis in ganz Deutschland - und blitzte trotz sehr guter Noten ab. 'Das kann die Leute zermürben, Talente springen ab und gehen enttäuscht gleich in die Industrie', sagt FH-Professor Jensch.

Über seine Vermittlung kam Regel dann zum TU-Professor Lang, der ihn zwar mit mehrmaligen Überarbeitungen des Exposés der Dissertation auf Trab hielt, aber die Haltung vertritt: 'Ein Universitätsprofessor muss wollen, sonst funktioniert die Sache nicht.' Sein Auftrag sei es, Wissen zu generieren - und hier böten eben nicht nur die eigenen Absolventen eine Basis, sondern auch exzellenter FH-Nachwuchs. Die vielen Absagen, die Regel bekam, zeigen: Diese Offenheit ist an den Unis längst nicht etabliert. Und das entspricht nicht dem, was der Wissenschaftsrat vor drei Jahren gefordert hat. 'Die exklusive Ausstattung der Universitäten mit dem Promotionsrecht', so die Experten, 'impliziert eine Kooperationspflicht.' Nötig seien für FH-Absolventen 'verlässliche Perspektiven zur Aufnahme einer Promotion' - idealerweise auch eine gemeinsame Ausbildung über feste Strukturen. Sieben solcher Kollegs werden mittlerweile vom Bund gefördert, zusammen mit anderen Programmen, etwa der Länder, liegt die Zahl bei circa 40. Das ist überschaubar, schließlich besitzen fast hundert Unis das Promotionsrecht.

Der Rektor der Hochschule Neubrandenburg und HRK-Vize Micha Teuscher sagte kürzlich auf einer Tagung in Berlin: Die freiwillige Zusammenarbeit wegen persönlicher Kontakte und Kann-Bestimmungen in den Uni-Promotionsordnungen reiche nicht aus; es brauche stattdessen einen 'Anspruch der Fachhochschulen' auf Kooperation. Teilnehmer der Tagung klagten, dass Bewerbungen von FH-Absolventen an vielen Uni-Fakultäten erst mal den 'Zweite-Klasse-Stempel' trügen, Aufnahmeverfahren oft 'intransparent' seien.

Dennoch: Die Kollegs haben halbwegs Frieden in den Streit um ein eigenes FH-Recht gebracht - vom Tisch ist er aber nicht. 'Wie über Fachhochschulen oft gedacht wird, halte ich für antiquiert', sagt Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Waltraud Wende. Sie will ein Programm für Kollegs auflegen - zudem plant sie für 2014 eine Novelle des Hochschulgesetzes. Damit sollen exzellente FH-Bereiche ein eigenes Promotionsrecht erhalten. Die Deutsche Universitätszeitung fand dafür eine knackige Schlagzeile: 'Der Tabubruch'. Ob andere Länder folgen, ist offen.

Auch die Professoren Lang und Jensch, so gut sie in der Praxis harmonieren, liegen da über Kreuz. Mehr noch als für die Doktoranden sei das Privileg 'eine Demütigung' für die FH-Professoren, die ja in der Regel die selbe universitäre Qualifikation vorzuweisen hätten wie ihre Uni-Kollegen, sagt der FH-Professor. Er sieht das eigene Promotionsrecht zumindest an einzelnen FH-Fakultäten gut aufgehoben. In den Kollegs würden die Professoren beweisen, dass sie 'Doktoranden vernünftig durchbringen, und diese am Ende kein dünnes Brett abliefern'. Lang hält nichts davon, schon wegen der Ausstattung: Er fürchte hier 'eine Verwässerung der wissenschaftlichen Leistungen'. Hauptaugenmerk an der FH sei es immer noch, Leute möglichst schnell praxisnah auszubilden. Kooperationen seien schon eine 'fundamentale Veränderung', sagt er. Und mit dem Stolz, der an der TU München vom Hiwi bis zum Präsidenten zu finden ist: 'Der Doktorand bekommt eine Promotionsurkunde der Nummer-Eins-Universität in Deutschland. Davon profitiert er mehr als von einer reinen Ausbildung an der Hochschule.'

Wie genau Regel davon profitieren will, weiß er noch nicht. Manches in der höheren Mathematik musste er nachlernen, das kam im FH-Studium weniger vor. Sonst scheint aber alles gut zu klappen. Standesdünkel durch Uni-Kollegen erlebe er fast gar nicht, üblich seien eher erstaunte Blicke - da sich noch gar nicht herumgesprochen habe, dass die Dissertation auch FH-Absolventen offensteht. Ende 2014 will er die Arbeit fertig haben. Und dann an in der Forschung bleiben? 'Nein, hinaus in die Industrie und in die Welt, am liebsten bei einem internationalen Konzern', sagt er. Jedenfalls eine Nummer größer als der elterliche Betrieb in Franken. Den hat inzwischen sein Bruder übernommen.

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