Beim Henri-Nannen-Preis feiert sich die Branche
Es liegt ja gewissermaßen im Wesen des Journalisten, sich gerne selbst zu feiern und die eigene Großartigkeit zu beklatschen. Allein, das Alltagsgeschäft bietet dazu wenig Grund, weshalb Anlässe wie dieser hier immer wieder gern besucht und in voller Länge und Gag-Dichte ertragen werden: Am Freitag wurde in Hamburg der Henri-Nannen-Preis verliehen, mit dem der Verlag Gruner + Jahr und das Magazin Stern seit 1977 die besten journalistischen Arbeiten des Vorjahres auszeichnen.
Prämiert wurden in diesem Jahr Journalisten vom Zeit Magazin und von der Zeit, vom Handelsblatt, von Emerge, vom Bonner Generalanzeiger und von der Lausitzer Rundschau. Die Redaktion der 2012 eingestellten Financial Times Deutschland bekam einen Sonderpreis für ihre letzte Ausgabe. Anneliese Friedmann, Kolumnistin und Herausgeberin der Münchner Abendzeitung, wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. "Es war die ganze Zeit der schönste Beruf, den ich mir vorstellen konnte. Und morgen, wenn ich neu anfangen könnte, ich würde wieder Journalistin werden", sagt sie. Das trifft. Letztlich geht es bei der Gala auch immer darum: Wie schön dieser Beruf ist, sein kann. Was für großartige Menschen ihn ausüben. Und wie viel ihre Arbeit wert ist.
Thomas Gottschalk verleiht Anneliese Friedmann den Preis in der Kategorie Lebenswerk.
Es ist das erste Mal seit Jahren, dass der Preis nicht im Hamburger Schauspielhaus verliehen wird, sondern auf Kampnagel, einer ausgedienten Maschinenfabrik. Das Betreten der Halle hat Uwe Timm in seinem Roman Heißer Sommer beschrieben, "als tauche er in den Lärm wie in einen beängstigenden Traum". Dort also tritt am Freitagabend die neue Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis auf, die mit RBB-Moderator Jörg Thadeusz durch die Gala führt. Zumindest tontechnisch erinnert das immer wieder an Timms Beschreibung. Zervakis und Thadeusz sind super drauf und lassen keine Möglichkeit aus, sich und die Kollegen zu necken. Sie verkünden, dass auf der Aftershow-Party der Chefredakteur des Spiegel ausgetanzt werde und dass die Jury-Mitglieder Giovanni di Lorenzo und Richard David Precht wegen ihrer Langhaarfrisuren bald einen Friseursalon eröffnen. Weil die Gala im Zeichen des hundertsten Geburtstags Henri Nannens steht, erzählt Thadeusz zwischendurch Anekdoten aus dem Leben des Stern-Gründers. Zervakis" Aufgabe ist es, Preisträger und Laudatoren zu interviewen. Es wird dann doch immer wieder ernst.
"Woran misst man einen Menschen überhaupt? An dem Verhältnis seiner guten und schlechten Seiten? Oder daran, wie sehr jemand versucht, seine schlechten Seiten zu bekämpfen?" Gute Fragen. Heike Faller stellt sie, in ihrer Reportage "Der Getriebene" aus dem Zeit Magazin, die mit dem Henri 2012 ausgezeichnet wurde. Ein Jahr lang hat Faller einen pädophilen Mann bei der Therapie begleitet. "Ich habe angefangen mit der Zeit, mit ihm mitzuleiden", sagt sie am Freitag, die schwere Trophäe in der Hand. Das merkt man ihrem Text nicht an. Mitleid blickt von oben auf Menschen herab. Aber Mitgefühl versucht, sich sie hineinzudenken, ohne ein Urteil zu fällen. "Heike Fallers Text verrät nichts von ihrer eigenen Haltung", heißt es in der Begründung der Jury. Es ist grotesk, wenn hinterher über die Autorin einer solchen Reportage auf Spiegel Online zu lesen ist, ihre Ehrung sei ein Zeichen dafür, "dass auch weibliche Journalisten langsam besser wahrgenommen werden".
Es geht auch bei den anderen prämierten Texten oft um schwere Fragen, klug und nachdenklich und oft wunderschön aufgeschrieben: Bernd Ulrich, Politikchef der Zeit, hat sich für "Wer sind wir, heute?", den besten Essay 2012, auf eine Reise in die deutsche Geschichte begeben - "schließlich ist der Holocaust kein Gottesdienst, wo man jede Woche liturgische Worte nachmurmelt", schreibt er. Für das Handelsblatt haben Fabian Gartmann und Sönke Iwersen den Niedergang des Unternehmers Anton Schlecker nachgezeichnet; ihre Arbeit "Ladenschluss" wurde zur besten Dokumentation gekürt. Der Preis für die beste investigative Leistung ging an Wolfgang Kaes vom Bonner General Anzeiger, der in "Vermisst. Verschollen. Und beinahe vergessen" die Ermordung einer verschollen geglaubten Arzthelferin aufgedeckt hat - 16 Jahre nach dem Verschwinden. Und René Wappler von der Lausitzer Rundschau erhält den Preis für Pressefreiheit, weil er weiter über Neonazis in seiner Region schreibt, "trotz Beschimpfungen, Bedrohungen, Verunglimpfungen", sagt Norbert Lammert, der Präsident des Bundestags, in seiner Laudation. Nach Lammert wird Thomas Gottschalk die Rede für Anneliese Friedmann halten und dabei mehr über sich selbst reden als über sie. Egal. Es ist Gottschalk, es glitzert so schön.
Aber dann, trotz des Glitzerns, trotz der Fröhlichkeit der Moderatoren, trotz der rauschenden Party, bleibt vom Abend auch hängen: Dass Sandra Hoyn, die am Freitag für die beste Fotoreportage geehrt wurde, die eine international ausgezeichnete Fotografin ist, die in Deutschland für den Stern und die Zeit arbeitet, das meiste Geld mit Hochzeitsfotografie verdient. Immer wieder schön, wenn es trotzdem Anlässe gibt, sich selbst zu feiern.
Es liegt ja gewissermaßen im Wesen des Journalisten, sich gerne selbst zu feiern und die eigene Großartigkeit zu beklatschen. Allein, das Alltagsgeschäft bietet dazu wenig Grund, weshalb Anlässe wie dieser hier immer wieder gern besucht und in voller Länge und Gag-Dichte ertragen werden: Am Freitag wurde in Hamburg der Henri-Nannen-Preis verliehen, mit dem der Verlag Gruner + Jahr und das Magazin Stern seit 1977 die besten journalistischen Arbeiten des Vorjahres auszeichnen.
Prämiert wurden in diesem Jahr Journalisten vom Zeit Magazin und von der Zeit, vom Handelsblatt, von Emerge, vom Bonner Generalanzeiger und von der Lausitzer Rundschau. Die Redaktion der 2012 eingestellten Financial Times Deutschland bekam einen Sonderpreis für ihre letzte Ausgabe. Anneliese Friedmann, Kolumnistin und Herausgeberin der Münchner Abendzeitung, wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. "Es war die ganze Zeit der schönste Beruf, den ich mir vorstellen konnte. Und morgen, wenn ich neu anfangen könnte, ich würde wieder Journalistin werden", sagt sie. Das trifft. Letztlich geht es bei der Gala auch immer darum: Wie schön dieser Beruf ist, sein kann. Was für großartige Menschen ihn ausüben. Und wie viel ihre Arbeit wert ist.
Thomas Gottschalk verleiht Anneliese Friedmann den Preis in der Kategorie Lebenswerk.
Es ist das erste Mal seit Jahren, dass der Preis nicht im Hamburger Schauspielhaus verliehen wird, sondern auf Kampnagel, einer ausgedienten Maschinenfabrik. Das Betreten der Halle hat Uwe Timm in seinem Roman Heißer Sommer beschrieben, "als tauche er in den Lärm wie in einen beängstigenden Traum". Dort also tritt am Freitagabend die neue Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis auf, die mit RBB-Moderator Jörg Thadeusz durch die Gala führt. Zumindest tontechnisch erinnert das immer wieder an Timms Beschreibung. Zervakis und Thadeusz sind super drauf und lassen keine Möglichkeit aus, sich und die Kollegen zu necken. Sie verkünden, dass auf der Aftershow-Party der Chefredakteur des Spiegel ausgetanzt werde und dass die Jury-Mitglieder Giovanni di Lorenzo und Richard David Precht wegen ihrer Langhaarfrisuren bald einen Friseursalon eröffnen. Weil die Gala im Zeichen des hundertsten Geburtstags Henri Nannens steht, erzählt Thadeusz zwischendurch Anekdoten aus dem Leben des Stern-Gründers. Zervakis" Aufgabe ist es, Preisträger und Laudatoren zu interviewen. Es wird dann doch immer wieder ernst.
"Woran misst man einen Menschen überhaupt? An dem Verhältnis seiner guten und schlechten Seiten? Oder daran, wie sehr jemand versucht, seine schlechten Seiten zu bekämpfen?" Gute Fragen. Heike Faller stellt sie, in ihrer Reportage "Der Getriebene" aus dem Zeit Magazin, die mit dem Henri 2012 ausgezeichnet wurde. Ein Jahr lang hat Faller einen pädophilen Mann bei der Therapie begleitet. "Ich habe angefangen mit der Zeit, mit ihm mitzuleiden", sagt sie am Freitag, die schwere Trophäe in der Hand. Das merkt man ihrem Text nicht an. Mitleid blickt von oben auf Menschen herab. Aber Mitgefühl versucht, sich sie hineinzudenken, ohne ein Urteil zu fällen. "Heike Fallers Text verrät nichts von ihrer eigenen Haltung", heißt es in der Begründung der Jury. Es ist grotesk, wenn hinterher über die Autorin einer solchen Reportage auf Spiegel Online zu lesen ist, ihre Ehrung sei ein Zeichen dafür, "dass auch weibliche Journalisten langsam besser wahrgenommen werden".
Es geht auch bei den anderen prämierten Texten oft um schwere Fragen, klug und nachdenklich und oft wunderschön aufgeschrieben: Bernd Ulrich, Politikchef der Zeit, hat sich für "Wer sind wir, heute?", den besten Essay 2012, auf eine Reise in die deutsche Geschichte begeben - "schließlich ist der Holocaust kein Gottesdienst, wo man jede Woche liturgische Worte nachmurmelt", schreibt er. Für das Handelsblatt haben Fabian Gartmann und Sönke Iwersen den Niedergang des Unternehmers Anton Schlecker nachgezeichnet; ihre Arbeit "Ladenschluss" wurde zur besten Dokumentation gekürt. Der Preis für die beste investigative Leistung ging an Wolfgang Kaes vom Bonner General Anzeiger, der in "Vermisst. Verschollen. Und beinahe vergessen" die Ermordung einer verschollen geglaubten Arzthelferin aufgedeckt hat - 16 Jahre nach dem Verschwinden. Und René Wappler von der Lausitzer Rundschau erhält den Preis für Pressefreiheit, weil er weiter über Neonazis in seiner Region schreibt, "trotz Beschimpfungen, Bedrohungen, Verunglimpfungen", sagt Norbert Lammert, der Präsident des Bundestags, in seiner Laudation. Nach Lammert wird Thomas Gottschalk die Rede für Anneliese Friedmann halten und dabei mehr über sich selbst reden als über sie. Egal. Es ist Gottschalk, es glitzert so schön.
Aber dann, trotz des Glitzerns, trotz der Fröhlichkeit der Moderatoren, trotz der rauschenden Party, bleibt vom Abend auch hängen: Dass Sandra Hoyn, die am Freitag für die beste Fotoreportage geehrt wurde, die eine international ausgezeichnete Fotografin ist, die in Deutschland für den Stern und die Zeit arbeitet, das meiste Geld mit Hochzeitsfotografie verdient. Immer wieder schön, wenn es trotzdem Anlässe gibt, sich selbst zu feiern.