Amerika war einmal eine Weltmacht. Doch das ändert sich.
Es war einmal ein Imperium. Es umspannte die Erde, zumindest jenen Teil, der von Belang war. Es verbreitete seine Kultur, seine Werte, die guten wie die schlechten, und formte die Welt nach seinem Vorbild und seinen Interessen, mal friedlich, mal mit der Waffe in der Hand. Die fremden Herrscher und ihre Legionen waren nicht überall willkommen. Doch viele Barbarenstämme, die laut über das Joch klagten, unter welches das Imperium sie zwang, richteten sich unter dem Schutz seiner Truppen gemütlich ein. Und irgendwann begann das Imperium - von inneren Kämpfen zerrissen, pleite, ausgelaugt und ermüdet von der langen Weltherrschaft - zu bröckeln. Die Legionen kehrten heim. Und dort, wo sie abzogen, brachen düstere Zeiten an.
Die einstige Weltmacht der USA bröckelt
Man kann so die Geschichte des Römischen Reiches zusammenfassen. Im Grunde aber ist es die Geschichte vieler Imperien, die oft nach einem ähnlichen Muster abläuft: Aufstieg, Herrschaft, Überdehnung, Niedergang. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch der Weltmacht Amerika seit mindestens zwei Jahrzehnten vorhergesagt wird, sie werde, so wie sie auf dieser Kurve aufgestiegen ist, auf dieser Kurve auch wieder absteigen. Und nimmt man die vielen Bücher als Maßstab, die derzeit 'Amerikas Niedergang' beschreiben, dann muss man glauben, die Vorhersage sei eingetreten.
Nun ist 'Niedergang' ein unerbittliches Wort. Es hat etwas Endgültiges, Unumkehrbares an sich. Es ist vielleicht ein bisschen früh, die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt, die über die immer noch stärkste Armee der Welt gebietet, schon abzuschreiben. Offensichtlich aber ist, dass sich tief unten im Fundament der Weltpolitik etwas verschiebt. Amerikas Macht nimmt ab, ebenso der Respekt der Welt vor Amerika. Der einst lange Arm der USA reicht weniger weit - sei es, weil die Macht anderer, aufstrebender Staaten wie China zunimmt, sei es, weil das alte Imperium sich tatsächlich müdegeherrscht hat und Terrain aufgibt.
Dieser Machtverlust wird weitergehen, egal, wer in gut zwei Wochen die US-Präsidentschaftswahl gewinnt. Der Unterschied zwischen Barack Obama und Mitt Romney in dieser Hinsicht ist nur, dass Obama die Risse im Fundament sieht und seine Außenpolitik daran anzupassen versucht. Sein Rivale geht noch mit dem Versprechen von Amerikas Allmacht hausieren. Aber auch Romney wird, sollte er siegen, auf eine Wirklichkeit treffen, in der das Supermacht-Sein zu teuer geworden ist und seine Bürger es leid sind, in fernen Ländern Kriege zu führen, fremden Völkern beim Aufbau zu helfen, während daheim Feuerwehrwachen schließen und marode Brücken einstürzen.
Es gibt eine weitere, handfestere Entwicklung, die Amerikas Drang zur Hegemonie mindert: Der ewige Durst der Weltmacht nach Erdöl aus dem Nahen Osten lässt nach. Die Ölimporte der USA aus dem arabischen Raum sind in den vergangenen Jahren stark gesunken, ersetzt wurden sie durch Öl aus Afrika, Lateinamerika, Kanada und aus der boomenden einheimischen Förderung. Geopolitisch ist das eine Revolution. Die Abhängigkeit von arabischem Öl hat Amerika über Jahrzehnte dazu gezwungen, die Ordnungsmacht in der Region zu spielen, sie war Dreh- und Angelpunkt eines großen Teils der US-Außenpolitik - mit allen blutigen Folgen. Dieser Zwang schwindet.
Fast 70 Jahre lang hat die Welt mit Amerika als einer, wenn nicht der Führungsmacht gelebt. Wie aber wird die Welt ohne die Führungsmacht Amerika leben? Nicht morgen, nicht in fünf Jahren, aber in zehn oder zwanzig?
Es gibt darauf keine eindeutige Antwort. Man kann lange darüber streiten, ob Amerikas Einmischung in aller Welt mehr Menschen das Leben gerettet oder gekostet hat. Vermutlich hängt es davon ab, in welchem Jahr und wo man zu zählen beginnt. Europa zum Beispiel ist, wie das Nobelpreis-Komitee treffend festgestellt hat, ein 'Kontinent des Friedens'. Und das ist auch Amerikas Verdienst - wie jeder sehen kann, der einen jener stillen, malerischen US-Soldatenfriedhöfe in Frankreich besucht hat. In Mittelamerika, in Südostasien, in Nahost haben viele Menschen hingegen weniger dankbare Erinnerungen an die Yankees.
Und es ist wohl auch übertrieben zu sagen, die Welt werde ohne Amerika leben. Die USA werden Groß-, ja Weltmacht bleiben. Aber sie werden eine sehr wählerische Macht werden. Jeder künftige Präsident wird genau abwägen, wo auf der Welt und mit welchem Ziel er amerikanisches Geld und amerikanisches Blut investiert. Die Zeit, in der die Amerikaner beides recht bereitwillig gaben, ist vorbei.
Obamas minimalinvasive Nahost-Politik ist bereits ein Vorgeschmack auf diese Zukunft. Es gibt dort eine große strategische Bedrohung, welcher der Präsident Aufmerksamkeit widmet: Irans Streben nach Atomwaffen. Der Rest - never mind. Diesem Muster folgen auch die Drohnen-Angriffe von Jemen bis Pakistan.
Bevor man nun Häme über den Rückzug des Hegemons empfindet, sollte man darüber nachdenken, wer auf die Amerikaner folgen wird. Zwei Prognosen: Zum einen werden in vielen Fällen die nachrückenden Mächte nicht besser, sondern gefährlicher, unberechenbarer, undemokratischer sein. Um Lateinamerika muss man sich wohl die wenigsten Sorgen machen. Doch in Asien wartet China auf seine Stunde. Im Nahen Osten drängen Saudi-Arabien und Iran in die Lücke, die Amerika hinterlässt. Russlands Präsident Wladimir Putin benimmt sich, als spiele er die Hauptrolle in einer Wiederaufführung des Kalten Krieges. Sind Pekinger KP-Funktionäre und arabische Prinzen, Teheraner Islamisten oder russische Judokas tatsächlich bessere Garanten für die Werte und Interessen, die dem Westen teuer sind, als die Amerikaner? Wohl nicht. Es gibt keinen Grund zu glauben, ein chinesisches 21.Jahrhundert würde wirklich besser werden als das amerikanische 20.
Zum Zweiten werden sich die Europäer noch wundern, um welche Probleme in ihrer Nachbarschaft sie sich künftig selbst werden kümmern müssen. Wer zum Beispiel nimmt sich des Nahen Ostens an, wenn Amerika nicht mehr will? Überlässt man die Region sich selbst und den um Vormacht ringenden Arabern und Persern? Was passiert, wenn eines Tages die nach Öl dürstenden Chinesen in den Persischen Golf drängen? Bisher steht dort ein großes Stoppschild in Gestalt der Fünften Flotte der US-Marine. Steht es dort auch noch in 30Jahren? Amerika versucht gerade, China in Asien Kontra zu geben. Mag sein, dass die Fifth Fleet künftig im Pazifik gebraucht wird. Wer ersetzt sie?
Als die Römer weg waren, kamen die Barbaren über das Land. Aber es gibt Hoffnung. Die finstere Zeit dauerte, mit Unterbrechungen, nur etwa 1000 Jahre.
Es war einmal ein Imperium. Es umspannte die Erde, zumindest jenen Teil, der von Belang war. Es verbreitete seine Kultur, seine Werte, die guten wie die schlechten, und formte die Welt nach seinem Vorbild und seinen Interessen, mal friedlich, mal mit der Waffe in der Hand. Die fremden Herrscher und ihre Legionen waren nicht überall willkommen. Doch viele Barbarenstämme, die laut über das Joch klagten, unter welches das Imperium sie zwang, richteten sich unter dem Schutz seiner Truppen gemütlich ein. Und irgendwann begann das Imperium - von inneren Kämpfen zerrissen, pleite, ausgelaugt und ermüdet von der langen Weltherrschaft - zu bröckeln. Die Legionen kehrten heim. Und dort, wo sie abzogen, brachen düstere Zeiten an.
Die einstige Weltmacht der USA bröckelt
Man kann so die Geschichte des Römischen Reiches zusammenfassen. Im Grunde aber ist es die Geschichte vieler Imperien, die oft nach einem ähnlichen Muster abläuft: Aufstieg, Herrschaft, Überdehnung, Niedergang. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch der Weltmacht Amerika seit mindestens zwei Jahrzehnten vorhergesagt wird, sie werde, so wie sie auf dieser Kurve aufgestiegen ist, auf dieser Kurve auch wieder absteigen. Und nimmt man die vielen Bücher als Maßstab, die derzeit 'Amerikas Niedergang' beschreiben, dann muss man glauben, die Vorhersage sei eingetreten.
Nun ist 'Niedergang' ein unerbittliches Wort. Es hat etwas Endgültiges, Unumkehrbares an sich. Es ist vielleicht ein bisschen früh, die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt, die über die immer noch stärkste Armee der Welt gebietet, schon abzuschreiben. Offensichtlich aber ist, dass sich tief unten im Fundament der Weltpolitik etwas verschiebt. Amerikas Macht nimmt ab, ebenso der Respekt der Welt vor Amerika. Der einst lange Arm der USA reicht weniger weit - sei es, weil die Macht anderer, aufstrebender Staaten wie China zunimmt, sei es, weil das alte Imperium sich tatsächlich müdegeherrscht hat und Terrain aufgibt.
Dieser Machtverlust wird weitergehen, egal, wer in gut zwei Wochen die US-Präsidentschaftswahl gewinnt. Der Unterschied zwischen Barack Obama und Mitt Romney in dieser Hinsicht ist nur, dass Obama die Risse im Fundament sieht und seine Außenpolitik daran anzupassen versucht. Sein Rivale geht noch mit dem Versprechen von Amerikas Allmacht hausieren. Aber auch Romney wird, sollte er siegen, auf eine Wirklichkeit treffen, in der das Supermacht-Sein zu teuer geworden ist und seine Bürger es leid sind, in fernen Ländern Kriege zu führen, fremden Völkern beim Aufbau zu helfen, während daheim Feuerwehrwachen schließen und marode Brücken einstürzen.
Es gibt eine weitere, handfestere Entwicklung, die Amerikas Drang zur Hegemonie mindert: Der ewige Durst der Weltmacht nach Erdöl aus dem Nahen Osten lässt nach. Die Ölimporte der USA aus dem arabischen Raum sind in den vergangenen Jahren stark gesunken, ersetzt wurden sie durch Öl aus Afrika, Lateinamerika, Kanada und aus der boomenden einheimischen Förderung. Geopolitisch ist das eine Revolution. Die Abhängigkeit von arabischem Öl hat Amerika über Jahrzehnte dazu gezwungen, die Ordnungsmacht in der Region zu spielen, sie war Dreh- und Angelpunkt eines großen Teils der US-Außenpolitik - mit allen blutigen Folgen. Dieser Zwang schwindet.
Fast 70 Jahre lang hat die Welt mit Amerika als einer, wenn nicht der Führungsmacht gelebt. Wie aber wird die Welt ohne die Führungsmacht Amerika leben? Nicht morgen, nicht in fünf Jahren, aber in zehn oder zwanzig?
Es gibt darauf keine eindeutige Antwort. Man kann lange darüber streiten, ob Amerikas Einmischung in aller Welt mehr Menschen das Leben gerettet oder gekostet hat. Vermutlich hängt es davon ab, in welchem Jahr und wo man zu zählen beginnt. Europa zum Beispiel ist, wie das Nobelpreis-Komitee treffend festgestellt hat, ein 'Kontinent des Friedens'. Und das ist auch Amerikas Verdienst - wie jeder sehen kann, der einen jener stillen, malerischen US-Soldatenfriedhöfe in Frankreich besucht hat. In Mittelamerika, in Südostasien, in Nahost haben viele Menschen hingegen weniger dankbare Erinnerungen an die Yankees.
Und es ist wohl auch übertrieben zu sagen, die Welt werde ohne Amerika leben. Die USA werden Groß-, ja Weltmacht bleiben. Aber sie werden eine sehr wählerische Macht werden. Jeder künftige Präsident wird genau abwägen, wo auf der Welt und mit welchem Ziel er amerikanisches Geld und amerikanisches Blut investiert. Die Zeit, in der die Amerikaner beides recht bereitwillig gaben, ist vorbei.
Obamas minimalinvasive Nahost-Politik ist bereits ein Vorgeschmack auf diese Zukunft. Es gibt dort eine große strategische Bedrohung, welcher der Präsident Aufmerksamkeit widmet: Irans Streben nach Atomwaffen. Der Rest - never mind. Diesem Muster folgen auch die Drohnen-Angriffe von Jemen bis Pakistan.
Bevor man nun Häme über den Rückzug des Hegemons empfindet, sollte man darüber nachdenken, wer auf die Amerikaner folgen wird. Zwei Prognosen: Zum einen werden in vielen Fällen die nachrückenden Mächte nicht besser, sondern gefährlicher, unberechenbarer, undemokratischer sein. Um Lateinamerika muss man sich wohl die wenigsten Sorgen machen. Doch in Asien wartet China auf seine Stunde. Im Nahen Osten drängen Saudi-Arabien und Iran in die Lücke, die Amerika hinterlässt. Russlands Präsident Wladimir Putin benimmt sich, als spiele er die Hauptrolle in einer Wiederaufführung des Kalten Krieges. Sind Pekinger KP-Funktionäre und arabische Prinzen, Teheraner Islamisten oder russische Judokas tatsächlich bessere Garanten für die Werte und Interessen, die dem Westen teuer sind, als die Amerikaner? Wohl nicht. Es gibt keinen Grund zu glauben, ein chinesisches 21.Jahrhundert würde wirklich besser werden als das amerikanische 20.
Zum Zweiten werden sich die Europäer noch wundern, um welche Probleme in ihrer Nachbarschaft sie sich künftig selbst werden kümmern müssen. Wer zum Beispiel nimmt sich des Nahen Ostens an, wenn Amerika nicht mehr will? Überlässt man die Region sich selbst und den um Vormacht ringenden Arabern und Persern? Was passiert, wenn eines Tages die nach Öl dürstenden Chinesen in den Persischen Golf drängen? Bisher steht dort ein großes Stoppschild in Gestalt der Fünften Flotte der US-Marine. Steht es dort auch noch in 30Jahren? Amerika versucht gerade, China in Asien Kontra zu geben. Mag sein, dass die Fifth Fleet künftig im Pazifik gebraucht wird. Wer ersetzt sie?
Als die Römer weg waren, kamen die Barbaren über das Land. Aber es gibt Hoffnung. Die finstere Zeit dauerte, mit Unterbrechungen, nur etwa 1000 Jahre.