Mit Hilfe digitaler Effekte ist in Film und Video fast alles möglich. Das Handwerk gilt als Zukunftsbranche. Warum gehen oscargekrönte Marktführer wie Digital Domain trotzdem pleite?
Wenn man durch die Ausstellersäle der alljährlich und in diesem Jahr zum 20. Mal stattfindenden 'Internationalen Konferenz für Animation, Effekte, Games und digitale Medien', kurz die Säle der 'FMX', in Stuttgart schlendert, dann gewinnt man den Eindruck, dass offenbar jedes bewegte Bild, das man in Kino, Fernsehen oder sonstwie auf Monitoren sieht, inzwischen durch Computer-Technik veredelt, wenn nicht gar erschaffen wurde. Denn alles ist möglich: Einem Regisseur gefällt das Wetter nicht, bei dem er gefilmt hat? Die Jahreszeit? Der Kopf des Hauptdarstellers? Auf einem Bahnhof sind zu wenige oder zu viele Reisende? Und was ist, wenn wir all das in die Luft jagen wollen? Alles kein Problem mehr.
Wo nichts ist oder etwas Störendes, da werden die entsprechenden Bilder eben hineingerechnet. Es gibt Visual- und Special-Effects-Experten für das Erstellen von bewegten Volksmassen, die La-Ola-Wellen im Stadion genauso beherrschen wie Kofferschleppen am Bahnhof, sie können Rad und Motorrad und Raumschiff fahren und die Schlachten des Altertums noch einmal schlagen. Jede Figur ist dabei individuell animiert. Es gibt Spezialisten, die können Haut, es gibt welche, die können Haare, es gibt sie für Wetter und Wind, für Explosionen, Feuer, Rauch, Lawinen und Nebel. Und für Tiere.
Am schwierigsten ist es, digitale Individuen herzustellen, die nicht belebende oder aufständische Masse im Hintergrund sind, sondern die individuellen Hauptfiguren in einem Film - oder bei einem Konzert. Auch das geht. Im letzten Jahr hatte der Rapper Tupac Shakur beim kalifornischen 'Coachella Valley Music Festival' einen frenetisch gefeierten Live-Auftritt, wobei live hier der völlig unangemessene Ausdruck ist. Denn Tupac wurde 1996 erschossen. Der Rapper auf der Bühne kam Pixel für Pixel aus der digitalen Retorte, seine Gestalt und Bewegungen waren aus Archivmaterial kopiert und neu berechnet, sein Auftritt war von den Rapper-Kollegen Snoop Dog und Dr. Dre choreografiert worden. 'What the fuck is up, Coachellaaaaaa...', rief dieser Geist zu Beginn seines Auftritts, er bekam keine Antwort, weil die Konzertbesucher sprachlos, ja erschüttert waren und ihren Augen nicht trauten.
Brad Pitt wurde in dem David-Fincher-Film 'Der seltsame Fall des Benjamin Button' - das ist der, in dem die Hauptfigur jünger statt älter wird - mehr als 50 Minuten lang von einem digitalen Avatar gedoubelt. Also keine Maske, kein Make-Up, sondern völlig erschaffen. Was aber niemand wirklich bemerkte, weil die Bilder und die Beleuchtung so authentisch wirkten, als habe man sie klassisch gefilmt. Und das ist inzwischen das Credo der Effektbranche: Niemand soll mehr mitbekommen, dass etwas rechnergeneriert ist.
Noch etwas fiel auf, wenn man über die FMX schlenderte: Fast jeder der Aussteller wirbt um Fachkräfte. Das Bildergeschäft in der Film-, Werbe-, Musikvideo- und Computerspielbranche läuft offenbar so gut, dass überall händeringend Mitarbeiter gesucht werden, die sich aufs synthetische Wetter-, Feuer-, Menschenmachen verstehen. Firmen wie Animal Logic, Moving Picture, Framestore, Pixomondo, Trixter und Walt Disney Animation Studios halten eigene Recruting-Veranstaltungen ab. Akademien wie die 'Escape Studios' buhlen neben den staatlichen Institutionen um Studenten. Und in diese schöne neue Jobwelt platzte die Eröffnungsrede, die Ed Ulbrich dann hielt, wie eine Bombe.
'Wir brauchen dringend neue Geschäftsmodelle', sagt er. 'Wir sind in der schlimmsten Krise, die unsere junge Branche je erlebt hat.' Wie bitte?
Ed Ulbrich ist Vorstand der Firma Digital Domain. Die wurde 1993 von dem Film-Regisseur James Cameron ('Titanic'. 'Avatar'), dem Digital-Pionier Stan Winston ('Terminator', 'Jurassic Park') und dem Manager Scott Ross (ehemals bei Lucasfilms 'Industrial Light and Magic') gegründet. Jeder von ihnen war an Produktionen beteiligt, die Oscars gewonnen haben. Digital Domain gewann weitere, unter anderem für eben jenen 'alten' Brad Pitt in 'Benjamin Button'. In mehr als 100 Film-Produktionen fanden Digital-Domain-Effekte Verwendung: 'The Fifth Element', 'Armageddon', 'I, Robot', 'Pirates of the Caribbean', 'X-Men', 'Transformers' gehören dazu, zuletzt 'Oblivion' mit Tom Cruise und 'G.I. Joe: Retaliation'. Das Tupac-Konzert stammte von ihnen. Doch die Geschäfte laufen nicht mehr wie früher.
Einst ließ das Spezialeffekte-Studio die Titanic auf der Leinwand untergehen - jetzt kämpft das Studio selbst gegen den Untergang. Obwohl Special Effects in der Filmwelt allgegenwärtig sind, stecken viele Studios in einer Krise.
Dass die Branche mittlerweile kriselt, hätte die Öffentlichkeit fast mitbekommen, als Bill Westenhofer in diesem Jahr seinen Oscar für die besten Effekte in Ang Lees 'Life of Pi' entgegennahm und in der Dankesrede darauf aufmerksam machen wollte, dass seine Firma 'Rhythm and Hues' gerade in einem schlimmen Schlamassel stecke und bereits sehr viele Angestellte entlassen habe. Ihm wurde nach dem Begriff: financial issues auf offener Bühne das Mikrophon abgedreht. Von Krise wollte man in der Oscar-Nacht nichts hören.
Ed Ulbrich, der seit der Firmengründung bei Digital Domain ist, sagt im Anschluss an die Keynote im Gespräch mit der SZ, dass in den Neunziger Jahren etwa 25 Filme mit einem Budget von 100 Millionen Dollar jährlich gedreht wurden, die den intensiven Einsatz von Visual Effects benötigten. Heute kosten Großproduktionen bis zu 300 Millionen Dollar, aber davon gibt es kaum mehr als vier pro Jahr. Die Kosten für die Dreharbeiten explodieren, die für die Effekte allerdings auch.
So suchen Filmproduzenten und Studios nach neuen Finanzierungsmodellen, gehen internationale Partnerschaften ein, eröffnen Zweigniederlassungen in Übersee und drehen dann auch dort, wo das Geld sitzt. Darum etwa dreht George Clooney derzeit in Babelsberg. Allein der Deutsche Filmförderfonds hat in diesem Jahr 70 Millionen Euro zu vergeben, gerade auch an internationale Koproduktionen.
Während einerseits die Filmfinanzierung zu einem internationalen Geldpuzzle geworden ist, befinden sich die Visual-Effects-Firmen in einer erbitterten Konkurrenz um die Aufträge, mit dem Ergebnis, ihre Arbeit, bei steigenden Fixkosten für Ressourcen und Löhne, mit immer niedrigeren Gewinnmargen anbieten zu müssen. Die Drehbücher schreiben die Effekte vor, und solange sich die Effektfirmen wie Dienstleister um deren Umsetzung bemühen, unterbieten sie sich ständig gegenseitig. Denn ein Zuschlag sichert die Arbeit (und damit die Firmenexistenz) oft für mehr als zwei Jahre. Über 200 Leute etwa haben 18 Monate lang an den hyperrealistischen Robotern gearbeitet, die in Shawn Levys 'Real Steel' aufeinanderprallen.
Doch bei jeder Produktion sorgen Verzögerungen beim Dreh, launische Regisseure und Hauptdarsteller für Änderungen im Skript, die für die Effekt-Firmen immer ein Minus in der Bilanz bedeuten. Inzwischen, sagt Ulbrich, sind Firmen wie seine nur noch Plankton am Ende der Nahrungskette der Filmindustrie. Denn nicht nur die Studios haben auf die Globalisierung reagiert, die Effekt-Industrie selber hat sich globalisiert. Das Geschäft mit den künstlichen Bildern setzte früher Spezialkenntnisse voraus, über das nur Wenige verfügten, hinzu kamen Spezial-Software und Spezial-Rechner, die sich nur wenige Unternehmen leisten konnten.
Heute liegen die Anschaffungskosten und damit die Hürden für den Einstieg viel tiefer. Unternehmen aus Indien und China, Europa und Kanada gehören nun mit zum Anbieterkreis. Ja, sogar Firmen, die früher als Subunternehmen gewirkt haben, treten nun selbstbewusst als Erstanbieter auf. Denn an sehr vielen Universitäten der Welt werden inzwischen VFX-Spezialisten ausgebildet. Und: Man kann überall produzieren und von überall Daten verschicken. Es gibt also keinen logistisch-praktischen Grund mehr, das physische Filmbusiness - so nennt Ulbricht das Filmen mit Kameras und echten Darstellern - und das digitale Postproduzieren geografisch beieinander zu halten. Die alten Selbstverständlichkeiten und Geschäftsmodelle sind also ins Wanken geraten. Digital Domain etwa war im letzten Jahr insolvent, wurde aufgeteilt und verkauft. Sie sind zwar wieder im Geschäft. Aber, so Ulbrich, 'wir mussten lernen, völlig neu zu denken'.
Inzwischen hat es jedoch Versuche gegeben, die Abwärtsspirale im Bieterwettbewerb zu stoppen. Es gibt Bemühungen, Arbeitnehmer gewerkschaftlich zu organisieren und feste Handelskonditionen festzulegen. Davon hält Ulbrich wenig. 'Die Globalisierung hat die Bedingungen geändert', sagt er, 'die alten Zeiten kommen nicht wieder. Vielleicht schafft man es, "Best Practices", also Standards zu formulieren. Aber daran muss sich in Übersee ja niemand halten. Nein, die Lösung kann nur darin bestehen, zu diversifizieren.' Sein Umdenken habe eingesetzt, als er kapiert habe: 'Halt! Wir erschaffen doch die Welten, die Charaktere, die Gefühle. Wir arbeiten mit Regisseuren zusammen. Wir sind die Kreativen - und nicht nur die Postproduzenten, die gelieferte Kunst ein wenig in anderes Licht tauchen.'
Ed Ulbrich verordnete seiner Firma einen Strategiewechsel. 'Würde man uns mit einer normalen Fabrik vergleichen, dann produzieren wir heute an einem Tag Teppiche, am nächsten Tag Möbel, am übernächsten Autos.' Denn tatsächlich steht Digital Domain genauso für Werbung, Fernsehen und Computerspiele wie für Spielfilme. Sie sind Spezialisten für 'Digital Humans', Wetter, Flüssigkeiten, Autos und Umwelten. Nach dem Tupac-Scoop wird gerade an einer Elvis-Reanimierung gearbeitet.
Und während die Arbeit an einem Film Jahre in Anspruch nimmt, dauert die für einen Spot oder den Trailer für ein Computerspiel nur ein paar Monate. Außerdem tritt Digital Domain nun selber als Filmproduzent auf: 'Wir schreiben selbst Drehbücher, holen uns Partner und lassen den Film finanzieren', sagt er. Ein erstes Projekt 'Ender"s Game' mit Harrison Ford in der Hauptrolle, kommt Anfang November in die Kinos. Die strategischen Partner für Internationale Lizensierung, Marketing, Merchandising, Themen-Parks, Videospiele etc., eben all das, was einen Blockbuster heute noch so begleitet, hat er sich für diese Produktion ins Boot geholt. 'In zehn Jahren wird der Bedarf an Digitalen Bewegtbildern noch einmal enorm gewachsen sein. Aber der Wettbewerb auch. Niemand in unserem Geschäft kann sich in der Komfortzone ausruhen - sonst geht er einfach recht bald pleite.'
Wenn man durch die Ausstellersäle der alljährlich und in diesem Jahr zum 20. Mal stattfindenden 'Internationalen Konferenz für Animation, Effekte, Games und digitale Medien', kurz die Säle der 'FMX', in Stuttgart schlendert, dann gewinnt man den Eindruck, dass offenbar jedes bewegte Bild, das man in Kino, Fernsehen oder sonstwie auf Monitoren sieht, inzwischen durch Computer-Technik veredelt, wenn nicht gar erschaffen wurde. Denn alles ist möglich: Einem Regisseur gefällt das Wetter nicht, bei dem er gefilmt hat? Die Jahreszeit? Der Kopf des Hauptdarstellers? Auf einem Bahnhof sind zu wenige oder zu viele Reisende? Und was ist, wenn wir all das in die Luft jagen wollen? Alles kein Problem mehr.
Wo nichts ist oder etwas Störendes, da werden die entsprechenden Bilder eben hineingerechnet. Es gibt Visual- und Special-Effects-Experten für das Erstellen von bewegten Volksmassen, die La-Ola-Wellen im Stadion genauso beherrschen wie Kofferschleppen am Bahnhof, sie können Rad und Motorrad und Raumschiff fahren und die Schlachten des Altertums noch einmal schlagen. Jede Figur ist dabei individuell animiert. Es gibt Spezialisten, die können Haut, es gibt welche, die können Haare, es gibt sie für Wetter und Wind, für Explosionen, Feuer, Rauch, Lawinen und Nebel. Und für Tiere.
Am schwierigsten ist es, digitale Individuen herzustellen, die nicht belebende oder aufständische Masse im Hintergrund sind, sondern die individuellen Hauptfiguren in einem Film - oder bei einem Konzert. Auch das geht. Im letzten Jahr hatte der Rapper Tupac Shakur beim kalifornischen 'Coachella Valley Music Festival' einen frenetisch gefeierten Live-Auftritt, wobei live hier der völlig unangemessene Ausdruck ist. Denn Tupac wurde 1996 erschossen. Der Rapper auf der Bühne kam Pixel für Pixel aus der digitalen Retorte, seine Gestalt und Bewegungen waren aus Archivmaterial kopiert und neu berechnet, sein Auftritt war von den Rapper-Kollegen Snoop Dog und Dr. Dre choreografiert worden. 'What the fuck is up, Coachellaaaaaa...', rief dieser Geist zu Beginn seines Auftritts, er bekam keine Antwort, weil die Konzertbesucher sprachlos, ja erschüttert waren und ihren Augen nicht trauten.
Brad Pitt wurde in dem David-Fincher-Film 'Der seltsame Fall des Benjamin Button' - das ist der, in dem die Hauptfigur jünger statt älter wird - mehr als 50 Minuten lang von einem digitalen Avatar gedoubelt. Also keine Maske, kein Make-Up, sondern völlig erschaffen. Was aber niemand wirklich bemerkte, weil die Bilder und die Beleuchtung so authentisch wirkten, als habe man sie klassisch gefilmt. Und das ist inzwischen das Credo der Effektbranche: Niemand soll mehr mitbekommen, dass etwas rechnergeneriert ist.
Noch etwas fiel auf, wenn man über die FMX schlenderte: Fast jeder der Aussteller wirbt um Fachkräfte. Das Bildergeschäft in der Film-, Werbe-, Musikvideo- und Computerspielbranche läuft offenbar so gut, dass überall händeringend Mitarbeiter gesucht werden, die sich aufs synthetische Wetter-, Feuer-, Menschenmachen verstehen. Firmen wie Animal Logic, Moving Picture, Framestore, Pixomondo, Trixter und Walt Disney Animation Studios halten eigene Recruting-Veranstaltungen ab. Akademien wie die 'Escape Studios' buhlen neben den staatlichen Institutionen um Studenten. Und in diese schöne neue Jobwelt platzte die Eröffnungsrede, die Ed Ulbrich dann hielt, wie eine Bombe.
'Wir brauchen dringend neue Geschäftsmodelle', sagt er. 'Wir sind in der schlimmsten Krise, die unsere junge Branche je erlebt hat.' Wie bitte?
Ed Ulbrich ist Vorstand der Firma Digital Domain. Die wurde 1993 von dem Film-Regisseur James Cameron ('Titanic'. 'Avatar'), dem Digital-Pionier Stan Winston ('Terminator', 'Jurassic Park') und dem Manager Scott Ross (ehemals bei Lucasfilms 'Industrial Light and Magic') gegründet. Jeder von ihnen war an Produktionen beteiligt, die Oscars gewonnen haben. Digital Domain gewann weitere, unter anderem für eben jenen 'alten' Brad Pitt in 'Benjamin Button'. In mehr als 100 Film-Produktionen fanden Digital-Domain-Effekte Verwendung: 'The Fifth Element', 'Armageddon', 'I, Robot', 'Pirates of the Caribbean', 'X-Men', 'Transformers' gehören dazu, zuletzt 'Oblivion' mit Tom Cruise und 'G.I. Joe: Retaliation'. Das Tupac-Konzert stammte von ihnen. Doch die Geschäfte laufen nicht mehr wie früher.
Einst ließ das Spezialeffekte-Studio die Titanic auf der Leinwand untergehen - jetzt kämpft das Studio selbst gegen den Untergang. Obwohl Special Effects in der Filmwelt allgegenwärtig sind, stecken viele Studios in einer Krise.
Dass die Branche mittlerweile kriselt, hätte die Öffentlichkeit fast mitbekommen, als Bill Westenhofer in diesem Jahr seinen Oscar für die besten Effekte in Ang Lees 'Life of Pi' entgegennahm und in der Dankesrede darauf aufmerksam machen wollte, dass seine Firma 'Rhythm and Hues' gerade in einem schlimmen Schlamassel stecke und bereits sehr viele Angestellte entlassen habe. Ihm wurde nach dem Begriff: financial issues auf offener Bühne das Mikrophon abgedreht. Von Krise wollte man in der Oscar-Nacht nichts hören.
Ed Ulbrich, der seit der Firmengründung bei Digital Domain ist, sagt im Anschluss an die Keynote im Gespräch mit der SZ, dass in den Neunziger Jahren etwa 25 Filme mit einem Budget von 100 Millionen Dollar jährlich gedreht wurden, die den intensiven Einsatz von Visual Effects benötigten. Heute kosten Großproduktionen bis zu 300 Millionen Dollar, aber davon gibt es kaum mehr als vier pro Jahr. Die Kosten für die Dreharbeiten explodieren, die für die Effekte allerdings auch.
So suchen Filmproduzenten und Studios nach neuen Finanzierungsmodellen, gehen internationale Partnerschaften ein, eröffnen Zweigniederlassungen in Übersee und drehen dann auch dort, wo das Geld sitzt. Darum etwa dreht George Clooney derzeit in Babelsberg. Allein der Deutsche Filmförderfonds hat in diesem Jahr 70 Millionen Euro zu vergeben, gerade auch an internationale Koproduktionen.
Während einerseits die Filmfinanzierung zu einem internationalen Geldpuzzle geworden ist, befinden sich die Visual-Effects-Firmen in einer erbitterten Konkurrenz um die Aufträge, mit dem Ergebnis, ihre Arbeit, bei steigenden Fixkosten für Ressourcen und Löhne, mit immer niedrigeren Gewinnmargen anbieten zu müssen. Die Drehbücher schreiben die Effekte vor, und solange sich die Effektfirmen wie Dienstleister um deren Umsetzung bemühen, unterbieten sie sich ständig gegenseitig. Denn ein Zuschlag sichert die Arbeit (und damit die Firmenexistenz) oft für mehr als zwei Jahre. Über 200 Leute etwa haben 18 Monate lang an den hyperrealistischen Robotern gearbeitet, die in Shawn Levys 'Real Steel' aufeinanderprallen.
Doch bei jeder Produktion sorgen Verzögerungen beim Dreh, launische Regisseure und Hauptdarsteller für Änderungen im Skript, die für die Effekt-Firmen immer ein Minus in der Bilanz bedeuten. Inzwischen, sagt Ulbrich, sind Firmen wie seine nur noch Plankton am Ende der Nahrungskette der Filmindustrie. Denn nicht nur die Studios haben auf die Globalisierung reagiert, die Effekt-Industrie selber hat sich globalisiert. Das Geschäft mit den künstlichen Bildern setzte früher Spezialkenntnisse voraus, über das nur Wenige verfügten, hinzu kamen Spezial-Software und Spezial-Rechner, die sich nur wenige Unternehmen leisten konnten.
Heute liegen die Anschaffungskosten und damit die Hürden für den Einstieg viel tiefer. Unternehmen aus Indien und China, Europa und Kanada gehören nun mit zum Anbieterkreis. Ja, sogar Firmen, die früher als Subunternehmen gewirkt haben, treten nun selbstbewusst als Erstanbieter auf. Denn an sehr vielen Universitäten der Welt werden inzwischen VFX-Spezialisten ausgebildet. Und: Man kann überall produzieren und von überall Daten verschicken. Es gibt also keinen logistisch-praktischen Grund mehr, das physische Filmbusiness - so nennt Ulbricht das Filmen mit Kameras und echten Darstellern - und das digitale Postproduzieren geografisch beieinander zu halten. Die alten Selbstverständlichkeiten und Geschäftsmodelle sind also ins Wanken geraten. Digital Domain etwa war im letzten Jahr insolvent, wurde aufgeteilt und verkauft. Sie sind zwar wieder im Geschäft. Aber, so Ulbrich, 'wir mussten lernen, völlig neu zu denken'.
Inzwischen hat es jedoch Versuche gegeben, die Abwärtsspirale im Bieterwettbewerb zu stoppen. Es gibt Bemühungen, Arbeitnehmer gewerkschaftlich zu organisieren und feste Handelskonditionen festzulegen. Davon hält Ulbrich wenig. 'Die Globalisierung hat die Bedingungen geändert', sagt er, 'die alten Zeiten kommen nicht wieder. Vielleicht schafft man es, "Best Practices", also Standards zu formulieren. Aber daran muss sich in Übersee ja niemand halten. Nein, die Lösung kann nur darin bestehen, zu diversifizieren.' Sein Umdenken habe eingesetzt, als er kapiert habe: 'Halt! Wir erschaffen doch die Welten, die Charaktere, die Gefühle. Wir arbeiten mit Regisseuren zusammen. Wir sind die Kreativen - und nicht nur die Postproduzenten, die gelieferte Kunst ein wenig in anderes Licht tauchen.'
Ed Ulbrich verordnete seiner Firma einen Strategiewechsel. 'Würde man uns mit einer normalen Fabrik vergleichen, dann produzieren wir heute an einem Tag Teppiche, am nächsten Tag Möbel, am übernächsten Autos.' Denn tatsächlich steht Digital Domain genauso für Werbung, Fernsehen und Computerspiele wie für Spielfilme. Sie sind Spezialisten für 'Digital Humans', Wetter, Flüssigkeiten, Autos und Umwelten. Nach dem Tupac-Scoop wird gerade an einer Elvis-Reanimierung gearbeitet.
Und während die Arbeit an einem Film Jahre in Anspruch nimmt, dauert die für einen Spot oder den Trailer für ein Computerspiel nur ein paar Monate. Außerdem tritt Digital Domain nun selber als Filmproduzent auf: 'Wir schreiben selbst Drehbücher, holen uns Partner und lassen den Film finanzieren', sagt er. Ein erstes Projekt 'Ender"s Game' mit Harrison Ford in der Hauptrolle, kommt Anfang November in die Kinos. Die strategischen Partner für Internationale Lizensierung, Marketing, Merchandising, Themen-Parks, Videospiele etc., eben all das, was einen Blockbuster heute noch so begleitet, hat er sich für diese Produktion ins Boot geholt. 'In zehn Jahren wird der Bedarf an Digitalen Bewegtbildern noch einmal enorm gewachsen sein. Aber der Wettbewerb auch. Niemand in unserem Geschäft kann sich in der Komfortzone ausruhen - sonst geht er einfach recht bald pleite.'