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In Gefahr

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China, Kuba, Bangaldesh - weltweit sind Netzaktivisten Opfer staatlicher Gewalt. Auch damit befasste man sich auf der Internetkonferenz Re:Publica. Die Probleme der meisten Teilnehmer erblassen im Vergleich zu den Geschichten der Blogger aus autoritären Staaten.

Die Stimmung war kämpferisch auf der Berliner Internetkonferenz Re:Publica, die diesen Mittwoch zu Ende ging. Vor allem dann, wenn es um die deutschen Aufreger Leistungsschutzrecht, Urheberrecht, Telekom und Netzneutralität ging. Dabei gab es auf der Konferenz durchaus noch ganz andere Gründe, für digitale Freiheit einzutreten. Sprecher und Gäste waren aus über 50 Nationen angereist, und was die Besucher aus autoritären Staaten und Diktaturen zu erzählen hatten, ließ jedes deutsche Problem verblassen.



Tweets muss sie per SMS senden: Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez aus Kuba (hier bei einer Veranstaltung in Madrid).

Den Anfang machte Yoani Sánchez aus Kuba, die ihre Heimat erst seit Januar verlassen darf. Die Frau mit den überlangen braunen Haaren saß vor einem staunenden Publikum und erzählte wie man 'Hackfleisch ohne Fleisch' zubereitet. Das war ihre Metapher des Mangels, sie berichtete aus einem Land, in dem es kaum Zugang zum Netz gibt. Wer ihn trotzdem sucht und seine Gedanken frei äußert, dem geht es so wie Sánchez. Sie wurde in der sozialistischen Diktatur bereits mehrfach verhaftet und verschleppt. Weil sie bloggt und weil sie twittert, so kompliziert das in der digitalen Steinzeit auch ist. Um aus Kuba einen Tweet zu schreiben, muss Sánchez vier SMS an eine spezielle Handynummer schicken, ein Rechner außerhalb des Landes macht dann einen Tweet daraus. Die Welt da draußen hört ihr zu, allein auf Twitter fast eine halbe Million Menschen.

Niemals würde sich Sánchez in ihren Äußerungen einschränken, ganz im Gegenteil, ihr Arbeit könne Leben retten, sagt sie, auch ihr eigenes. In Berlin erzählt sie die Geschichte einer anderen kubanischen Aktivistin, der es gelang im Moment ihrer Verhaftung einen Tweet über ihre Festnahme zu veröffentlichen. Die Polizisten, die sie offenbar verletzen oder gar töten sollten, wurden zurückgepfiffen. Ihnen war klar, dass die Welt sonst fragen würde, wo die Twitter-Nutzerin geblieben sei.

Über Netz und Öffentlichkeit diskutierten derweil der indische TV-Moderator Ravish Kumar, der chinesische Blogger Hu Yong und der Künstler Shahidul Alam aus Bangladesch. Alle drei berichten von staatlicher Repression und davon, dass das Netz in ihren Ländern oft am Ende nichts an den herrschenden Verhältnissen ändern würde - sondern sie zementiere. Trotzdem ist vor allem für Hu Yong der Zugang zum Internet die einzige Möglichkeit, sich wenigstens halbwegs offen äußern zu können.

Eine Meinung, die sein berühmter Landsmann, der Künstler Ai Weiwei teilt. Er wird am Mittwochabend via Video auf der Konferenz zugeschaltet, weil er aus China nicht einmal mehr ausreisen darf: 'Das Netz ist das allerwichtigste Werkzeug für mich als Künstler.' Klar werde er digital rund um die Uhr überwacht, klagt der Künstler, aber er schlägt auch digital zurück. Ai Weiwei übertrug mit 24 Kameras alles, was er tat, live ins Netz, als bitterbösen Kommentar zur dauerhaften Überwachung durch die chinesischen Behörden. Das Kunstprojekt wurde schnell populär. Bis die Polizei gekommen sei, sagte Ai Weiwei, und ihn gezwungen habe, die Kameras abzuschalten. In China nämlich überwacht man sich nicht selber. Das macht der Staat schon alleine.

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