Richard David Precht betätigt sich als Schulinspektor. In seinem Buch finden sich Widersprüche, Denkfehler und Argumentationslücken. Der Mann ist ein populärer Popularisierer und regt damit Diskussionen über bestimmte Themen an. Man muss ihn nicht mögen. Aber der Hass, der ihm zum Teil entgegenschlägt, ist übertrieben.
So, jetzt hat Richard David Precht die erste Runde von Talkshow-Auftritten zu seinem neuen Schulreformbuch absolviert, und man muss sagen, dass sein Vorhaben dadurch nicht unbedingt an Sympathie gewonnen hat. Der Publizist, Populärphilosoph und Fernsehmoderator Precht möchte, dass das deutsche Bildungswesen sich verbessert. Zu diesem Behufe fordert er Dinge, die viele Pädagogen und Bildungspolitiker ebenfalls fordern und die vielerorts auch, soweit die Rahmenbedingungen es zulassen, ausprobiert werden: nämlich mehr fächerübergreifendes Lernen, mehr Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Präsentationstechniken, mehr individuelle Förderung, weniger soziale Abschottung, mehr exemplarische Vertiefung, weniger Hineinpressen von kontextfreiem Stoff, der schnell wieder vergessen wird, mehr begeisternde Lehrer, weniger lehrplanabarbeitende Lehrer, mehr Projektarbeit, weniger Kurzstunden-Stakkato, weniger Entmutigung, mehr Ganztagsschule.
Über all diese Dinge kann angesichts sozialer und kultureller Veränderungen diskutiert werden. Und man tut es auch. Nach Lektüre des Buches und Ansicht der Fernsehauftritte fragt man sich jedoch: Wer ist eigentlich Richard David Precht, dass er sich als Präzeptor und Inspektor in diesen Dingen empfehlen könnte? Warum sollte man ausgerechnet ihm als Chefarzt zur Heilung eines Schulsystems vertrauen, das er als 'vergleichbar mit einem krebskranken Patienten' beschreibt, 'der einer umfangreichen Therapie bedarf'?
Das Buch jedenfalls zeigt, dass die Befassung des Autors mit dem Gegenstand nicht ausgereicht hat, um zahlreiche Widersprüche, Denkfehler und Argumentationslücken zu verhindern. Da gibt es einerseits Kritik am Pisa-OECD-Denken, andererseits viel Ranschmeiße an die Sprache der Wirtschaftsmanager; einerseits soll sich die Persönlichkeit besser entfalten, andererseits wird sie von Anfang an schon utilitaristisch auf volkswirtschaftliche Verwertung zugerichtet (dafür 'brauchen wir in Zukunft jedes Gehirn, das wir haben'); einerseits soll sich der junge Mensch irgendwie ganzheitlicher entwickeln, andererseits schimpft Precht auf die klassische Bildung, welche aber einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung keineswegs immer im Wege stand. Und so weiter.
Das Buch ist, trotz vieler richtiger Versatzstücke, unerfreulich, aufgeblasen und überflüssig. Der Hass, der Richard David Precht mitunter entgegenschlägt, ist allerdings auch übertrieben und hat etwas Pathologisches. Der Mann ist ein populärer Popularisierer und regt damit Diskussionen über bestimmte Themen an. Man muss ihn nicht mögen. Aber es gibt Schlimmeres.
Richard David Precht: Anna, die Schule und der liebe Gott. Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2013. 351 Seiten, 19,99 Euro.
So, jetzt hat Richard David Precht die erste Runde von Talkshow-Auftritten zu seinem neuen Schulreformbuch absolviert, und man muss sagen, dass sein Vorhaben dadurch nicht unbedingt an Sympathie gewonnen hat. Der Publizist, Populärphilosoph und Fernsehmoderator Precht möchte, dass das deutsche Bildungswesen sich verbessert. Zu diesem Behufe fordert er Dinge, die viele Pädagogen und Bildungspolitiker ebenfalls fordern und die vielerorts auch, soweit die Rahmenbedingungen es zulassen, ausprobiert werden: nämlich mehr fächerübergreifendes Lernen, mehr Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Präsentationstechniken, mehr individuelle Förderung, weniger soziale Abschottung, mehr exemplarische Vertiefung, weniger Hineinpressen von kontextfreiem Stoff, der schnell wieder vergessen wird, mehr begeisternde Lehrer, weniger lehrplanabarbeitende Lehrer, mehr Projektarbeit, weniger Kurzstunden-Stakkato, weniger Entmutigung, mehr Ganztagsschule.
Über all diese Dinge kann angesichts sozialer und kultureller Veränderungen diskutiert werden. Und man tut es auch. Nach Lektüre des Buches und Ansicht der Fernsehauftritte fragt man sich jedoch: Wer ist eigentlich Richard David Precht, dass er sich als Präzeptor und Inspektor in diesen Dingen empfehlen könnte? Warum sollte man ausgerechnet ihm als Chefarzt zur Heilung eines Schulsystems vertrauen, das er als 'vergleichbar mit einem krebskranken Patienten' beschreibt, 'der einer umfangreichen Therapie bedarf'?
Das Buch jedenfalls zeigt, dass die Befassung des Autors mit dem Gegenstand nicht ausgereicht hat, um zahlreiche Widersprüche, Denkfehler und Argumentationslücken zu verhindern. Da gibt es einerseits Kritik am Pisa-OECD-Denken, andererseits viel Ranschmeiße an die Sprache der Wirtschaftsmanager; einerseits soll sich die Persönlichkeit besser entfalten, andererseits wird sie von Anfang an schon utilitaristisch auf volkswirtschaftliche Verwertung zugerichtet (dafür 'brauchen wir in Zukunft jedes Gehirn, das wir haben'); einerseits soll sich der junge Mensch irgendwie ganzheitlicher entwickeln, andererseits schimpft Precht auf die klassische Bildung, welche aber einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung keineswegs immer im Wege stand. Und so weiter.
Das Buch ist, trotz vieler richtiger Versatzstücke, unerfreulich, aufgeblasen und überflüssig. Der Hass, der Richard David Precht mitunter entgegenschlägt, ist allerdings auch übertrieben und hat etwas Pathologisches. Der Mann ist ein populärer Popularisierer und regt damit Diskussionen über bestimmte Themen an. Man muss ihn nicht mögen. Aber es gibt Schlimmeres.
Richard David Precht: Anna, die Schule und der liebe Gott. Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2013. 351 Seiten, 19,99 Euro.