Spaniens Hochschulsystem leidet unter der Krise, die Aussichten für Absolventen sind ohnehin mau. Nach der Wutwelle der vergangenen Jahre stürzen sich Studenten nun auf Bildungsangebote
Studentenstreik? - 'Keine Zeit! Wir müssen lernen!' Eine Gruppe junger Leute sitzt mit Laptops, Büchern und Notizheften auf der Wiese vor dem modernen Universitätskomplex im Norden der Altstadt von Salamanca. Sie gehen einen Mustertest für die bevorstehende Klausur durch, im Fach Volkswirtschaft. 'Wir lernen leider fast nur abstrakte Theorie', sagt der 22-jährige Pablo Molina. 'Ich würde gern die echte Nationalökonomie analysieren, zum Beispiel, warum wir jetzt tief in der Krise stecken.' Nicht recht anders lauten die durchaus ernst gemeinten Sprüche der Studenten in der Hospederia, der alten Herberge für die Wissenschaftsjünger, aber auch Pilger, die einst von weit her zur berühmten gotischen Kathedrale kamen. 'Streik? - Nein, danke!' Hier sind die Institute für Fremdsprachen untergebracht, bienenfleißige Studentinnen eilen mit Laptops die Steintreppen herauf. Germanistikprofessor Manuel Montesinos stellt fest: 'Die traditionelle Unbeschwertheit des Studentenlebens, wie sie für diese Mauern typisch war, gibt es bei uns nicht mehr.'
Die Dozenten der ehrwürdigen Alma Mater von Salamanca, der ältesten und berühmtesten im ganzen Land, haben drei überaus bewegte Jahre hinter sich. Spätestens 2010 kam auch hinter den dicken gotischen Sandsteinmauern dieses akademischen Mikrokosmos die Botschaft an, dass die Schockwellen der geplatzten Immobilienblase keineswegs nur die Baubranche und die Häuslebauer treffen. Die 150000 Einwohner zählende Stadt im Westen der kastilischen Hochebene mit ihrem rauen Klima hatte in den Zeiten des Wirtschaftsbooms Millionen in eine bürger- und umweltfreundliche Infrastruktur gesteckt, in ein Netz von Fahrradwegen und in erdgasbetriebene Stadtbusse. Noch mehr Geld wurde für den neuen Bahnhof ausgegeben, es wurde ein prächtiger Stahl-Glas-Palast. Von den Übertreibungen des Booms zeugen auch die schlüsselfertigen pastellfarbenen Reihenhäuser, die wohl noch Jahre leer stehen werden. Und vor drei Jahren setzte das mehrstufige 'Streichkonzert' auch an der traditionsreichen Universität ein, vor deren Geografen einst Christoph Kolumbus seine Theorie verteidigen musste, dass Indien auch über den Westweg zu erreichen sei. Jüngere Dozenten wurden entlassen, befristete Verträge nicht verlängert, in Ruhestand gegangene Kollegen nicht ersetzt. Aber es rückten immer mehr Studenten nach, Die Folge: hoffnungslos überfüllte Seminare und Vorlesungen.
2011 entlud sich die schlechte Stimmung an den Universitäten des Landes in einer gewaltigen Protestwelle, Höhepunkt: mehrere Hunderttausend 'Indignados' (Empörte) an der Puerta del Sol im Herzen Madrids am 15.März. Die Führer der Protestbewegung sprachen deshalb von '15-M', sie zelebrierten den Protest auch zum Jahrestag ein Jahr später.
Auch in Salamanca wurde damals gegen Kürzungen im Bildungsbereich demonstriert. Doch zwei Jahre später sagt die Anglistik-Studentin Cristina Rubio, die damals dabei war: '15-M ist tot, es hat nichts gebracht.' Die Studenten fanden nämlich bei der Mehrheit der Spanier, die mit der Krise zu kämpfen haben, wenig Verständnis. Diese schickten bei den Parlamentswahlen Ende 2011 die bislang regierenden Sozialisten in die Opposition. Der neue konservative Bildungsminister José Ignacio Wert setzt noch radikaler als seine Vorgänger den Rotstift an den Hochschulen an. In Madrid und in einigen anderen Städten gingen zwar am vergangenen Donnerstag ein paar Tausend Demonstranten zum 'nationalen Streiktag' gegen die Kürzungen auf die Straße - aber es war nur ein Bruchteil der einstigen Bewegung. In Salamanca demonstrierten kaum mehr als 400 Leute.
Die Germanistin Alma Dreyer, seit fünf Jahren Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Salamanca, erlebte, wie um sie herum immer mehr Stellen wegfielen. Dafür hat sich ihre Stundenzahl kräftig erhöht. Sie sieht bei den Studenten des Jahres 2013 zwei Tendenzen: Die einen konzentrieren sich mit größtem Ernst auf die Prüfungen, suchen zudem aktiv nach Stipendien, Praktika und vor allem Jobs im Ausland. Die anderen, wohl die Mehrheit, klammert sich an die festen Strukturen des Universitätsbetriebs, ängstigt sich vor dem harten Leben außerhalb. Viele schließen an das erste Examen einen weiteren Master an. Die Einheimischen wohnen durchweg noch bei den Eltern. Erste soziologische Studien über die Studenten in der Krise bestätigen diese Beobachtungen: Spanien bekommt nun die am besten ausgebildete Studentengeneration seiner Geschichte - und zugleich hat sie die miesesten Job-Aussichten im Land.
Die Arbeitslosigkeit in der Generation der unter Dreißigjährigen liegt bei mehr als 50 Prozent. Der öffentliche Dienst und die akademischen Laufbahnen sind wegen der drastischen Kürzungen quasi verschlossen - zu großzügig waren auch die Verwaltungsapparate und Kapazitäten der Unis während des Booms ausgebaut worden. Die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes spielten offenkundig für die Bildungspolitiker keine Rolle. Zu lange auch hatte man in Madrid den Qualitätsvergleich mit Hochschulen in anderen EU-Ländern gescheut.
Die Anglistik-Studentin Cristina Rubio hat sich vorsichtshalber zusätzlich für den Studiengang 'Spanisch für Ausländer' eingeschrieben. Ihr nächstes Ziel: Spanischlektor werden, irgendwo in der EU. 'Hier habe ich wenig zu erwarten.' Der Betriebswirtschaftler Pablo Molina sagt, für Wehklagen sei jetzt aber keine Zeit: 'Ich muss die Prüfungen möglichst schnell und gut machen. Denn die Konkurrenz ist riesig!' Diese Aussagen zielen alle in dieselbe Richtung: Pauken statt Protest.
Studentenstreik? - 'Keine Zeit! Wir müssen lernen!' Eine Gruppe junger Leute sitzt mit Laptops, Büchern und Notizheften auf der Wiese vor dem modernen Universitätskomplex im Norden der Altstadt von Salamanca. Sie gehen einen Mustertest für die bevorstehende Klausur durch, im Fach Volkswirtschaft. 'Wir lernen leider fast nur abstrakte Theorie', sagt der 22-jährige Pablo Molina. 'Ich würde gern die echte Nationalökonomie analysieren, zum Beispiel, warum wir jetzt tief in der Krise stecken.' Nicht recht anders lauten die durchaus ernst gemeinten Sprüche der Studenten in der Hospederia, der alten Herberge für die Wissenschaftsjünger, aber auch Pilger, die einst von weit her zur berühmten gotischen Kathedrale kamen. 'Streik? - Nein, danke!' Hier sind die Institute für Fremdsprachen untergebracht, bienenfleißige Studentinnen eilen mit Laptops die Steintreppen herauf. Germanistikprofessor Manuel Montesinos stellt fest: 'Die traditionelle Unbeschwertheit des Studentenlebens, wie sie für diese Mauern typisch war, gibt es bei uns nicht mehr.'
Die Dozenten der ehrwürdigen Alma Mater von Salamanca, der ältesten und berühmtesten im ganzen Land, haben drei überaus bewegte Jahre hinter sich. Spätestens 2010 kam auch hinter den dicken gotischen Sandsteinmauern dieses akademischen Mikrokosmos die Botschaft an, dass die Schockwellen der geplatzten Immobilienblase keineswegs nur die Baubranche und die Häuslebauer treffen. Die 150000 Einwohner zählende Stadt im Westen der kastilischen Hochebene mit ihrem rauen Klima hatte in den Zeiten des Wirtschaftsbooms Millionen in eine bürger- und umweltfreundliche Infrastruktur gesteckt, in ein Netz von Fahrradwegen und in erdgasbetriebene Stadtbusse. Noch mehr Geld wurde für den neuen Bahnhof ausgegeben, es wurde ein prächtiger Stahl-Glas-Palast. Von den Übertreibungen des Booms zeugen auch die schlüsselfertigen pastellfarbenen Reihenhäuser, die wohl noch Jahre leer stehen werden. Und vor drei Jahren setzte das mehrstufige 'Streichkonzert' auch an der traditionsreichen Universität ein, vor deren Geografen einst Christoph Kolumbus seine Theorie verteidigen musste, dass Indien auch über den Westweg zu erreichen sei. Jüngere Dozenten wurden entlassen, befristete Verträge nicht verlängert, in Ruhestand gegangene Kollegen nicht ersetzt. Aber es rückten immer mehr Studenten nach, Die Folge: hoffnungslos überfüllte Seminare und Vorlesungen.
2011 entlud sich die schlechte Stimmung an den Universitäten des Landes in einer gewaltigen Protestwelle, Höhepunkt: mehrere Hunderttausend 'Indignados' (Empörte) an der Puerta del Sol im Herzen Madrids am 15.März. Die Führer der Protestbewegung sprachen deshalb von '15-M', sie zelebrierten den Protest auch zum Jahrestag ein Jahr später.
Auch in Salamanca wurde damals gegen Kürzungen im Bildungsbereich demonstriert. Doch zwei Jahre später sagt die Anglistik-Studentin Cristina Rubio, die damals dabei war: '15-M ist tot, es hat nichts gebracht.' Die Studenten fanden nämlich bei der Mehrheit der Spanier, die mit der Krise zu kämpfen haben, wenig Verständnis. Diese schickten bei den Parlamentswahlen Ende 2011 die bislang regierenden Sozialisten in die Opposition. Der neue konservative Bildungsminister José Ignacio Wert setzt noch radikaler als seine Vorgänger den Rotstift an den Hochschulen an. In Madrid und in einigen anderen Städten gingen zwar am vergangenen Donnerstag ein paar Tausend Demonstranten zum 'nationalen Streiktag' gegen die Kürzungen auf die Straße - aber es war nur ein Bruchteil der einstigen Bewegung. In Salamanca demonstrierten kaum mehr als 400 Leute.
Die Germanistin Alma Dreyer, seit fünf Jahren Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Salamanca, erlebte, wie um sie herum immer mehr Stellen wegfielen. Dafür hat sich ihre Stundenzahl kräftig erhöht. Sie sieht bei den Studenten des Jahres 2013 zwei Tendenzen: Die einen konzentrieren sich mit größtem Ernst auf die Prüfungen, suchen zudem aktiv nach Stipendien, Praktika und vor allem Jobs im Ausland. Die anderen, wohl die Mehrheit, klammert sich an die festen Strukturen des Universitätsbetriebs, ängstigt sich vor dem harten Leben außerhalb. Viele schließen an das erste Examen einen weiteren Master an. Die Einheimischen wohnen durchweg noch bei den Eltern. Erste soziologische Studien über die Studenten in der Krise bestätigen diese Beobachtungen: Spanien bekommt nun die am besten ausgebildete Studentengeneration seiner Geschichte - und zugleich hat sie die miesesten Job-Aussichten im Land.
Die Arbeitslosigkeit in der Generation der unter Dreißigjährigen liegt bei mehr als 50 Prozent. Der öffentliche Dienst und die akademischen Laufbahnen sind wegen der drastischen Kürzungen quasi verschlossen - zu großzügig waren auch die Verwaltungsapparate und Kapazitäten der Unis während des Booms ausgebaut worden. Die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes spielten offenkundig für die Bildungspolitiker keine Rolle. Zu lange auch hatte man in Madrid den Qualitätsvergleich mit Hochschulen in anderen EU-Ländern gescheut.
Die Anglistik-Studentin Cristina Rubio hat sich vorsichtshalber zusätzlich für den Studiengang 'Spanisch für Ausländer' eingeschrieben. Ihr nächstes Ziel: Spanischlektor werden, irgendwo in der EU. 'Hier habe ich wenig zu erwarten.' Der Betriebswirtschaftler Pablo Molina sagt, für Wehklagen sei jetzt aber keine Zeit: 'Ich muss die Prüfungen möglichst schnell und gut machen. Denn die Konkurrenz ist riesig!' Diese Aussagen zielen alle in dieselbe Richtung: Pauken statt Protest.