"Es funktioniert nur, weil in Texas zwei Leute miteinander Bier getrunken haben": Ein Interview mit Andrew Blum, der ins Innere des Internets gereist ist.
Zwei Jahre lang reiste der Architekturkritiker Andrew Blum an Orte, an denen das Internet physisch zu sehen ist - zu Kabelstrecken, Knotenpunkten, Serverfarmen.
SZ: Warum haben Sie sich damals auf den Weg gemacht?
Andrew Blum: Als ich meine Reise begann, habe ich vor allem über Architektur geschrieben und mir kaum noch Gebäude angesehen. Ich habe mein Leben fast ausschließlich vor dem Bildschirm verbracht. Irgendwann stieß mir auf, dass sich unser Raumgefühl in den letzten 15 Jahren dramatisch verändert hat. Seit Zehntausenden von Jahren haben wir auf unsere direkte Umgebung geachtet. Jetzt sind wir ständig an zwei Orten gleichzeitig - im Netz und in der physischen Welt. Aber niemand redet über die physischen Realitäten des Internets hinter dem Bildschirm. Wir haben das Netz selbst vergessen und glauben an diese verführerische Phantasie, dass das alles irgendwie von Zauberhand geschieht.
Was haben Sie gefunden?
Meine größte Herausforderung war, Orte zu finden, an denen das Internet so etwas wie eine greifbare Schönheit besitzt. Meistens bin ich ja in irgendwelche anonymen Gebäude gegangen, die kein Schild an der Tür hatten und von Parkplätzen umgeben waren. Und wenn ich dann durch eine verriegelte Tür nach der anderen gegangen bin, war das meist so, als ob man das Innere einer Maschine betritt. Da ist es laut und kalt und meist sieht man die Decke nicht mehr, weil sie von Kabeln verdeckt wird. Dann gibt es dort Stahlkäfige, in denen kühlschrankgroße Router stehen, an denen Lichter blinken und die über Kabelbäume mit den Routern in anderen Käfigen verbunden sind.
Wo fanden Sie da die Schönheit?
Die Schönheit liegt zum Beispiel darin, wie diese Orte buchstäblich mit der Erde verbunden sind. Da manifestiert sich dann dieser wirklich schöne Gedanke, dass das Internet, von dem wir glauben, dass es überall sein kann, an einem sehr spezifischen Ort angesiedelt ist. Einer der schönsten Orte auf meiner Reise war die Glasfaserkammer im Equinix-Gebäude in Ashburn, Virginia, in dem sich mehr Netzwerke verbinden als irgendwo sonst auf der Welt. Das ganze Gebäude ist auch so eine laute, kalte Maschine. Doch dann öffnet man eine Tür und es ist heiß, große Röhren mit Kabelsträngen kommen direkt aus dem Boden, und wenn man sich da hineinbeugt, kann man die Tonerde von Virginia riechen. Und dort ist das unfassbare Durcheinander des Netzes mit der Erdkruste verbunden.
So sieht das physische Internet daheim aus. Andrew Blum hat aber schönere Orte gefunden, an denen man es sehen kann.
Wie haben Sie Ihre Reise geplant?
Ich habe mich auf die unteren Ebenen des sogenannten OSI-Schichtmodells konzentriert. Schicht null ist der Boden, Schicht eins ist Glas, Schicht zwei ist Licht, Schicht drei ist die erste Protokollebene, die Schichten vier bis sieben sind dann all die Dinge wie TCP/IP, POP, IMAP oder HTML - die Ebenen, auf denen das Internet kommuniziert, darstellt, funktioniert. Meist war ich also in den Schichten null und eins unterwegs, den physischen Ebenen.
Wo liegen denn die Unterschiede zwischen dem physischen Internet und dem Telefonnetz?
Die überschneiden sich. Der entscheidende Unterschied ist, dass das Telefonnetz noch hierarchisch von oben aufgebaut wurde, von großen Telefongesellschaften wie der deutschen Telekom, BT oder AT&T. Die Knoten und Netzstrecken des Internets entstanden dagegen eher spontan.
Kann man so eine Infrastruktur noch kontrollieren?
Nur schwer. Aber es handelt sich ja um einen Verbund autonomer Netzwerke, deren Hauptinteresse es ist, sich mit anderen Netzwerken zu verbinden. So manifestiert sich da dieser libertäre Gedanke, dass jedes Netzwerk nur in der Verbindung mit anderen Netzwerken funktionieren kann. Das findet sich dann im Kodex der Netzwerkingenieure wieder, deren Motto lautet: Mach das Internet nicht kaputt.
Könnte man das Internet denn kaputt machen?
Je weiter man im OSI-Schichtenmodell nach oben geht, desto komplexer und anfälliger wird es. Da gibt es den berühmten Fall der Pakistan Telekom. Aus irgendeinem Grund sollte ein Ingenieur dort Youtube blockieren. Der hat dann aber anstatt einfach die Seite zu blockieren das so programmiert, dass alle Anfragen für Youtube zur Pakistan Telecom umgeleitet wurden. Diese Information hat sich dann über die Router innerhalb von Minuten rund um die Welt verbreitet. Weil Router eben so funktionieren - die sagen letztlich 'hier bin ich und das sind die Leute hinter mir'. Und weil das Netzwerk auf einem digitalen System des Vertrauens aufgebaut ist, haben weltweit alle Router das auch geglaubt, und jeder, der Youtube aufgerufen hat, landete bei Pakistan Telecom. Das hat ein paar Stunden gedauert, dann war das wieder repariert.
Wenn das auf so einem System beruht, gibt es da unter Netzwerkingenieuren einen besonders ausgeprägten Ethos?
Ingenieure würden kaum sagen, dass sie ethisch vorgehen, sie nennen das operativ.
Aber sie sind sich bewusst, dass sie zu einem größeren Ganzen gehören?
Absolut.
Wie viele solcher Netzwerkingenieure gibt es denn?
Das ist eine sehr kleine Gruppe. Ein paar hundert vielleicht weltweit. Und die kennen sich alle. Das ist wichtig. Die treffen sich auf den Konferenzen der North American Network Operators" Group oder auf den Konferenzen solcher Organisationen in Europa, Asien oder Afrika und trinken Bier zusammen. Ich war in Texas auf so einer Konferenz.
Was ist das für ein Menschenschlag?
Klassische Geeks. Unfassbar intelligent und sehr selbstbewusst, was diese Intelligenz betrifft. Da herrscht dann auch so eine Gladiatorenkampfstimmung, weil jeder von ihnen glaubt, dass sie genau wissen, wie man am besten vorgeht.
Gibt es denn noch viele Experimente?
Permanent. Deswegen ist es ja auch so wichtig, dass die Bier miteinander trinken. Damit sie im Falle, dass etwas nicht funktioniert, sofort wissen, wem sie eine SMS schicken müssen. Auf unseren Bildschirmen sieht es zwar immer so aus, als passiere alles im Netz automatisch, aber in Wahrheit funktioniert alles nur, weil zwei Kerle in Texas zusammen ein Bier getrunken haben.
Und die betreiben den Backbone des Internets?
Auch das hat sich in den letzten zehn Jahren geändert. Das Netz ist feinmaschiger geworden. Einige Anbieter von Inhalten sind inzwischen selbst globale Netzwerke geworden. Google, Microsoft und Facebook betreiben ihre eigenen Netze und sind so zu ihren eigenen Backbones geworden. Deswegen sind die Knotenpunkte so wichtig geworden.
Wie viel Aufwand betreiben diese Firmen denn beim Aufbau und Betrieb von physischen Infrastrukturen?
Ich war bei Microsoft und dort arbeiten von 90000 Mitarbeitern ein paar Hundert in deren Global-Network-Abteilung. Dabei sind die Kabel, die da durch die Ozeane gezogen werden, eher klein. Google und Facebook arbeiten derzeit vor allem daran, riesige Datenzentren in die entferntesten Winkel des Planeten zu stellen.
Warum so abseits?
Das hat ganz einfache Gründe. Ich war in Facebooks Datenzentrum in Oregon. Das ist eine rund 30000 Quadratmeter große Halle voller Server und Router. Wenn man eine Facebookseite aufruft und ein Bild einstellt, dann läuft das dort zusammen. Und dann gibt es noch das neue Datenzentrum in Schweden, nicht einmal hundert Meilen vom Polarkreis entfernt. In solchen Gegenden kann man diese Anlagen sehr effizient betreiben, weil man buchstäblich das Fenster aufmachen und die kalte Luft zur Kühlung benutzen kann.
Brauchen solche Zentren nicht trotzdem enorme Energiemengen?
Ja, das Zentrum in Oregon verbraucht so viel Energie, wie der gesamte Landkreis, wo es steht. Auch wenn das ein sehr ländlicher Landkreis ist. Das liegt in der Größenordnung von 30 bis 40 Megawatt.
Haben Sie jenseits der Gebäude Strukturen gefunden, mit denen man das Internet als Gesamtprojekt begreifen kann?
Was mich wirklich erstaunt hat, war, dass die physische Infrastruktur den alten Handelsrouten folgt. Die Unterseekabel verbinden dieselben Orte, die schon immer miteinander verbunden waren - New York, Lissabon, Mombasa, Mumbai, Singapur. Im Landesinneren sind es auch die traditionellen Handelsstädte - Frankfurt, Guangdong. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich, wie Equinix in Ashburn, Virginia. Da hat der Firmengründer Jay Adelson eben ein Stück Land gekauft.
Wenn das Internet eine globale, aber überschaubare Infrastruktur mit einigen wenigen Knotenpunkten ist, ist es dann nicht doch sehr anfällig?
Nicht so anfällig, dass man schlaflose Nächte haben müsste. Die wichtigen Verbindungspunkte sind entweder in sehr großen Gebäuden, oder sie ersetzen einander. Nehmen Sie Frankfurt - das zentrale Gebäude ist im Westen der Stadt, aber es gibt noch eines im Osten. Es gibt also einen Back-up. Und selbst wenn Frankfurt komplett überschwemmt würde, dann würde Amsterdam einspringen und Paris. Genauso wie Virginia einspringen würde, wenn es ein Erdbeben in Kalifornien gäbe. Nur wenn es gleichzeitig ein Erdbeben in Kalifornien und eine Überschwemmung in Frankfurt gibt, dann wird es kritisch. Als es 2006 ein großes Erdbeben in Taiwan gab und sechs Unterseekabel durchtrennt wurden, gab es wirklich mehrere Wochen lang in Teilen Südostasiens kein Internet. Irgendwann lenkte sich das Internet dann selbst um und die Kabel wurden dann auch repariert. Aber dieses Umlenken funktionierte eben dadurch, dass ein Typ in Los Angeles ein Kabel aussteckte, quer durch einen Raum lief und es auf der anderen Seite wieder einsteckte.
Zwei Jahre lang reiste der Architekturkritiker Andrew Blum an Orte, an denen das Internet physisch zu sehen ist - zu Kabelstrecken, Knotenpunkten, Serverfarmen.
SZ: Warum haben Sie sich damals auf den Weg gemacht?
Andrew Blum: Als ich meine Reise begann, habe ich vor allem über Architektur geschrieben und mir kaum noch Gebäude angesehen. Ich habe mein Leben fast ausschließlich vor dem Bildschirm verbracht. Irgendwann stieß mir auf, dass sich unser Raumgefühl in den letzten 15 Jahren dramatisch verändert hat. Seit Zehntausenden von Jahren haben wir auf unsere direkte Umgebung geachtet. Jetzt sind wir ständig an zwei Orten gleichzeitig - im Netz und in der physischen Welt. Aber niemand redet über die physischen Realitäten des Internets hinter dem Bildschirm. Wir haben das Netz selbst vergessen und glauben an diese verführerische Phantasie, dass das alles irgendwie von Zauberhand geschieht.
Was haben Sie gefunden?
Meine größte Herausforderung war, Orte zu finden, an denen das Internet so etwas wie eine greifbare Schönheit besitzt. Meistens bin ich ja in irgendwelche anonymen Gebäude gegangen, die kein Schild an der Tür hatten und von Parkplätzen umgeben waren. Und wenn ich dann durch eine verriegelte Tür nach der anderen gegangen bin, war das meist so, als ob man das Innere einer Maschine betritt. Da ist es laut und kalt und meist sieht man die Decke nicht mehr, weil sie von Kabeln verdeckt wird. Dann gibt es dort Stahlkäfige, in denen kühlschrankgroße Router stehen, an denen Lichter blinken und die über Kabelbäume mit den Routern in anderen Käfigen verbunden sind.
Wo fanden Sie da die Schönheit?
Die Schönheit liegt zum Beispiel darin, wie diese Orte buchstäblich mit der Erde verbunden sind. Da manifestiert sich dann dieser wirklich schöne Gedanke, dass das Internet, von dem wir glauben, dass es überall sein kann, an einem sehr spezifischen Ort angesiedelt ist. Einer der schönsten Orte auf meiner Reise war die Glasfaserkammer im Equinix-Gebäude in Ashburn, Virginia, in dem sich mehr Netzwerke verbinden als irgendwo sonst auf der Welt. Das ganze Gebäude ist auch so eine laute, kalte Maschine. Doch dann öffnet man eine Tür und es ist heiß, große Röhren mit Kabelsträngen kommen direkt aus dem Boden, und wenn man sich da hineinbeugt, kann man die Tonerde von Virginia riechen. Und dort ist das unfassbare Durcheinander des Netzes mit der Erdkruste verbunden.
So sieht das physische Internet daheim aus. Andrew Blum hat aber schönere Orte gefunden, an denen man es sehen kann.
Wie haben Sie Ihre Reise geplant?
Ich habe mich auf die unteren Ebenen des sogenannten OSI-Schichtmodells konzentriert. Schicht null ist der Boden, Schicht eins ist Glas, Schicht zwei ist Licht, Schicht drei ist die erste Protokollebene, die Schichten vier bis sieben sind dann all die Dinge wie TCP/IP, POP, IMAP oder HTML - die Ebenen, auf denen das Internet kommuniziert, darstellt, funktioniert. Meist war ich also in den Schichten null und eins unterwegs, den physischen Ebenen.
Wo liegen denn die Unterschiede zwischen dem physischen Internet und dem Telefonnetz?
Die überschneiden sich. Der entscheidende Unterschied ist, dass das Telefonnetz noch hierarchisch von oben aufgebaut wurde, von großen Telefongesellschaften wie der deutschen Telekom, BT oder AT&T. Die Knoten und Netzstrecken des Internets entstanden dagegen eher spontan.
Kann man so eine Infrastruktur noch kontrollieren?
Nur schwer. Aber es handelt sich ja um einen Verbund autonomer Netzwerke, deren Hauptinteresse es ist, sich mit anderen Netzwerken zu verbinden. So manifestiert sich da dieser libertäre Gedanke, dass jedes Netzwerk nur in der Verbindung mit anderen Netzwerken funktionieren kann. Das findet sich dann im Kodex der Netzwerkingenieure wieder, deren Motto lautet: Mach das Internet nicht kaputt.
Könnte man das Internet denn kaputt machen?
Je weiter man im OSI-Schichtenmodell nach oben geht, desto komplexer und anfälliger wird es. Da gibt es den berühmten Fall der Pakistan Telekom. Aus irgendeinem Grund sollte ein Ingenieur dort Youtube blockieren. Der hat dann aber anstatt einfach die Seite zu blockieren das so programmiert, dass alle Anfragen für Youtube zur Pakistan Telecom umgeleitet wurden. Diese Information hat sich dann über die Router innerhalb von Minuten rund um die Welt verbreitet. Weil Router eben so funktionieren - die sagen letztlich 'hier bin ich und das sind die Leute hinter mir'. Und weil das Netzwerk auf einem digitalen System des Vertrauens aufgebaut ist, haben weltweit alle Router das auch geglaubt, und jeder, der Youtube aufgerufen hat, landete bei Pakistan Telecom. Das hat ein paar Stunden gedauert, dann war das wieder repariert.
Wenn das auf so einem System beruht, gibt es da unter Netzwerkingenieuren einen besonders ausgeprägten Ethos?
Ingenieure würden kaum sagen, dass sie ethisch vorgehen, sie nennen das operativ.
Aber sie sind sich bewusst, dass sie zu einem größeren Ganzen gehören?
Absolut.
Wie viele solcher Netzwerkingenieure gibt es denn?
Das ist eine sehr kleine Gruppe. Ein paar hundert vielleicht weltweit. Und die kennen sich alle. Das ist wichtig. Die treffen sich auf den Konferenzen der North American Network Operators" Group oder auf den Konferenzen solcher Organisationen in Europa, Asien oder Afrika und trinken Bier zusammen. Ich war in Texas auf so einer Konferenz.
Was ist das für ein Menschenschlag?
Klassische Geeks. Unfassbar intelligent und sehr selbstbewusst, was diese Intelligenz betrifft. Da herrscht dann auch so eine Gladiatorenkampfstimmung, weil jeder von ihnen glaubt, dass sie genau wissen, wie man am besten vorgeht.
Gibt es denn noch viele Experimente?
Permanent. Deswegen ist es ja auch so wichtig, dass die Bier miteinander trinken. Damit sie im Falle, dass etwas nicht funktioniert, sofort wissen, wem sie eine SMS schicken müssen. Auf unseren Bildschirmen sieht es zwar immer so aus, als passiere alles im Netz automatisch, aber in Wahrheit funktioniert alles nur, weil zwei Kerle in Texas zusammen ein Bier getrunken haben.
Und die betreiben den Backbone des Internets?
Auch das hat sich in den letzten zehn Jahren geändert. Das Netz ist feinmaschiger geworden. Einige Anbieter von Inhalten sind inzwischen selbst globale Netzwerke geworden. Google, Microsoft und Facebook betreiben ihre eigenen Netze und sind so zu ihren eigenen Backbones geworden. Deswegen sind die Knotenpunkte so wichtig geworden.
Wie viel Aufwand betreiben diese Firmen denn beim Aufbau und Betrieb von physischen Infrastrukturen?
Ich war bei Microsoft und dort arbeiten von 90000 Mitarbeitern ein paar Hundert in deren Global-Network-Abteilung. Dabei sind die Kabel, die da durch die Ozeane gezogen werden, eher klein. Google und Facebook arbeiten derzeit vor allem daran, riesige Datenzentren in die entferntesten Winkel des Planeten zu stellen.
Warum so abseits?
Das hat ganz einfache Gründe. Ich war in Facebooks Datenzentrum in Oregon. Das ist eine rund 30000 Quadratmeter große Halle voller Server und Router. Wenn man eine Facebookseite aufruft und ein Bild einstellt, dann läuft das dort zusammen. Und dann gibt es noch das neue Datenzentrum in Schweden, nicht einmal hundert Meilen vom Polarkreis entfernt. In solchen Gegenden kann man diese Anlagen sehr effizient betreiben, weil man buchstäblich das Fenster aufmachen und die kalte Luft zur Kühlung benutzen kann.
Brauchen solche Zentren nicht trotzdem enorme Energiemengen?
Ja, das Zentrum in Oregon verbraucht so viel Energie, wie der gesamte Landkreis, wo es steht. Auch wenn das ein sehr ländlicher Landkreis ist. Das liegt in der Größenordnung von 30 bis 40 Megawatt.
Haben Sie jenseits der Gebäude Strukturen gefunden, mit denen man das Internet als Gesamtprojekt begreifen kann?
Was mich wirklich erstaunt hat, war, dass die physische Infrastruktur den alten Handelsrouten folgt. Die Unterseekabel verbinden dieselben Orte, die schon immer miteinander verbunden waren - New York, Lissabon, Mombasa, Mumbai, Singapur. Im Landesinneren sind es auch die traditionellen Handelsstädte - Frankfurt, Guangdong. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich, wie Equinix in Ashburn, Virginia. Da hat der Firmengründer Jay Adelson eben ein Stück Land gekauft.
Wenn das Internet eine globale, aber überschaubare Infrastruktur mit einigen wenigen Knotenpunkten ist, ist es dann nicht doch sehr anfällig?
Nicht so anfällig, dass man schlaflose Nächte haben müsste. Die wichtigen Verbindungspunkte sind entweder in sehr großen Gebäuden, oder sie ersetzen einander. Nehmen Sie Frankfurt - das zentrale Gebäude ist im Westen der Stadt, aber es gibt noch eines im Osten. Es gibt also einen Back-up. Und selbst wenn Frankfurt komplett überschwemmt würde, dann würde Amsterdam einspringen und Paris. Genauso wie Virginia einspringen würde, wenn es ein Erdbeben in Kalifornien gäbe. Nur wenn es gleichzeitig ein Erdbeben in Kalifornien und eine Überschwemmung in Frankfurt gibt, dann wird es kritisch. Als es 2006 ein großes Erdbeben in Taiwan gab und sechs Unterseekabel durchtrennt wurden, gab es wirklich mehrere Wochen lang in Teilen Südostasiens kein Internet. Irgendwann lenkte sich das Internet dann selbst um und die Kabel wurden dann auch repariert. Aber dieses Umlenken funktionierte eben dadurch, dass ein Typ in Los Angeles ein Kabel aussteckte, quer durch einen Raum lief und es auf der anderen Seite wieder einsteckte.