Nach dem Sturz der Taliban hat sich viel bewegt in Afghanistan. Von Gleichberechtigung kann aber noch lange keine Rede sein. Soosan Firooz stellt als erste Rapperin des Landes die traditionelle Rolle der Frau in Frage - ein gefährliches Experiment.
Sie trägt Jeans, um den Kopf hat sie ein Totenkopftuch gebunden. Darunter flattern die braunen Haare. Auch der silberne Ring: ein Totenkopf. Die junge Frau ist geschminkt, sie posiert für die Kamera. Zu den Fotos kommt ihr Sprechgesang: Er klingt wütend, abgehackt, anklagend. Ihre Stimme ist nicht sonderlich beeindruckend, in so ziemlich allen anderen Teilen der Welt wäre der improvisierte Musikclip nicht weiter der Rede wert. Aber hier kommt er einer kleinen Sensation gleich: Soosan Firooz ist die erste Rapperin Afghanistans. Und die 23-Jährige bricht bereits durch ihr erstes Lied 'Unsere Nachbarn' mit zahlreichen Konventionen ihrer männerdominierten Gesellschaft.
Eine traditionell gekleidete afghanische Frau mit Burka. Die Rapperin Soosan Firooz widersetzt sich dieser Kleiderordnung - und der Rolle der Frau in Afghanistan generell.
Zu diesen kulturellen Konventionen gehört, dass Frauen in Afghanistan sich die Haare bedecken und eher den Mund halten sollen. Zwar gibt es sie, die Parlamentarierinnen und Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen, die öffentlich auftreten. Auch gehen so viele Mädchen wie noch nie in Afghanistan zur Schule, seit die Amerikaner die Taliban vor elf Jahren gestürzt haben. Dennoch kann von Gleichberechtigung keine Rede sein, bleibt die Rolle der afghanischen Frauen - vor allem im ländlichen Gebiet - auf Haushalt und Kinder beschränkt. Und die Angst der Aktivistinnen ist zu Recht groß, dass die Rechte der Afghaninnen nach dem Abzug der westlichen Kampftruppen im Jahr 2014 weiter eingeschränkt werden. Schließlich sollen die Taliban in eine Machtteilung einbezogen werden.
Soosan Firooz rappt auf Dari gegen die Ungleichheit an. Aber eigentlich geht es in ihrem ersten Song weniger um Emanzipation, es ist vielmehr ein Rückblick auf die harte Kindheit. Soosan kam 1989 in Kabul auf die Welt, als die Rote Armee der Sowjetunion das Land am Hindukusch gerade gedemütigt verlassen hatte. Die Phase danach empfinden viele Afghanen noch immer als die grausamste Zeit ihres Lebens: Die verfeindeten Warlords fielen mit ihren Milizen übereinander her, sie feuerten von den Hügeln der Hauptstadt Raketen aufeinander ab. Die Zivilbevölkerung geriet immer wieder in die Schusslinie, auch Soosan und ihre Familie. Wie Hunderttausende Afghanen flohen sie und suchten Unterschlupf im Ausland - zunächst in Iran, später in Pakistan. Soosan Firooz verbrachte dort zehn Jahre - eine prägende, eine traumatische Phase, die sie mit Hilfe der Musik nun aufarbeiten will. In ihrer Jugend hat sie das erste Mal amerikanischen Rap gehört, sie war angetan von der Wut, dem die Sänger in ihren Songs Luft gemacht haben. Das will sie auch.
Die junge Frau erzählt, wie sie und ihre Familienmitglieder im Exil als 'schmutzige Afghanen beschimpft worden sind, wie sie sich immer und immer wieder beim Bäcker hinten anstellen mussten, weil erst die Einheimischen ihr Brot bekamen, bevor die Flüchtlinge an der Reihe waren. Afghanen sind es gewohnt, ein bescheidenes Leben zu führen, auch haben sie sich damit abgefunden, dass in ihrem Land seit Jahrzehnten kein Frieden herrscht. Aber nachhaltig trifft es sie, wenn ihre Ehre, ihr Stolz angegriffen werden. 'Über den Schmerz von damals, den ich noch heute in meinem Herz spüre, will ich der Welt berichten', sagt die junge Frau am Telefon, voller Pathos, aber auch voller Wut.
Soosans Mutter führte im Exil Tagebuch, die Notizen benutzt die Sängerin nun als Grundlage für ihre Songs. 'Ich will die Grausamkeiten, die wir erfahren haben, mit anderen teilen', sagt sie. Ihre Lieder hätten keine politische Botschaft, es gehe ihr nur darum, dem Leid ihrer Landsleute endlich eine Stimme zu geben. Aber dass sie sich öffentlich zu Wort meldet und damit auch die traditionelle Rolle der Frau in Frage stellt - das ist in Afghanistan ein Tabubruch. Selbst in ihrer eigenen Familie gibt es ein Zerwürfnis. Sie hat in Interviews schon davon berichtet, wie der Onkel den Kontakt abgebrochen habe, weil er ihre Auftritte als Sängerin missbilligt. Aber darüber will Soosan jetzt lieber nicht sprechen. Ihre Familie, auch ihr Vater, unterstütze sie, das sei das Entscheidende. Er sei 'Manager und Leibwächter' in einer Person.
Soosan Firooz will ein Vorbild werden für andere Frauen in ihrem Land, 'damit sie für ihre Rechte kämpfen, ihre Wünsche und Träume verfolgen'. Afghanistan habe im vergangenen Jahrzehnt schon einen weiten Weg zurück gelegt, im Vergleich zu früher hätten Frauen auch wesentlich mehr Freiheiten, zumindest so lange sie sich in den 'gesellschaftlich akzeptierten Grenzen bewegen'. Aber natürlich soll es dabei nicht bleiben.
Afghanistans erste Rapperin hofft, durch die Musik eines Tages auch Geld zu verdienen. Bislang schauspielert sie und bringt durch Auftritte in Seifenopern die Familie durch. Ihre Eltern haben keine Arbeit, ihre beiden Geschwister sind vier und sieben Jahre alt. 'Ich verdiene nicht viel, aber es reicht so gerade eben aus, um uns alle zu ernähren', sagt Soosan Farooz. Nun möchte sie bald ein richtiges Musikvideo aufnehmen - und weitere Songs einspielen. Material, das sie sich von der Seele singen will, hat sie genug.
Sie trägt Jeans, um den Kopf hat sie ein Totenkopftuch gebunden. Darunter flattern die braunen Haare. Auch der silberne Ring: ein Totenkopf. Die junge Frau ist geschminkt, sie posiert für die Kamera. Zu den Fotos kommt ihr Sprechgesang: Er klingt wütend, abgehackt, anklagend. Ihre Stimme ist nicht sonderlich beeindruckend, in so ziemlich allen anderen Teilen der Welt wäre der improvisierte Musikclip nicht weiter der Rede wert. Aber hier kommt er einer kleinen Sensation gleich: Soosan Firooz ist die erste Rapperin Afghanistans. Und die 23-Jährige bricht bereits durch ihr erstes Lied 'Unsere Nachbarn' mit zahlreichen Konventionen ihrer männerdominierten Gesellschaft.
Eine traditionell gekleidete afghanische Frau mit Burka. Die Rapperin Soosan Firooz widersetzt sich dieser Kleiderordnung - und der Rolle der Frau in Afghanistan generell.
Zu diesen kulturellen Konventionen gehört, dass Frauen in Afghanistan sich die Haare bedecken und eher den Mund halten sollen. Zwar gibt es sie, die Parlamentarierinnen und Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen, die öffentlich auftreten. Auch gehen so viele Mädchen wie noch nie in Afghanistan zur Schule, seit die Amerikaner die Taliban vor elf Jahren gestürzt haben. Dennoch kann von Gleichberechtigung keine Rede sein, bleibt die Rolle der afghanischen Frauen - vor allem im ländlichen Gebiet - auf Haushalt und Kinder beschränkt. Und die Angst der Aktivistinnen ist zu Recht groß, dass die Rechte der Afghaninnen nach dem Abzug der westlichen Kampftruppen im Jahr 2014 weiter eingeschränkt werden. Schließlich sollen die Taliban in eine Machtteilung einbezogen werden.
Soosan Firooz rappt auf Dari gegen die Ungleichheit an. Aber eigentlich geht es in ihrem ersten Song weniger um Emanzipation, es ist vielmehr ein Rückblick auf die harte Kindheit. Soosan kam 1989 in Kabul auf die Welt, als die Rote Armee der Sowjetunion das Land am Hindukusch gerade gedemütigt verlassen hatte. Die Phase danach empfinden viele Afghanen noch immer als die grausamste Zeit ihres Lebens: Die verfeindeten Warlords fielen mit ihren Milizen übereinander her, sie feuerten von den Hügeln der Hauptstadt Raketen aufeinander ab. Die Zivilbevölkerung geriet immer wieder in die Schusslinie, auch Soosan und ihre Familie. Wie Hunderttausende Afghanen flohen sie und suchten Unterschlupf im Ausland - zunächst in Iran, später in Pakistan. Soosan Firooz verbrachte dort zehn Jahre - eine prägende, eine traumatische Phase, die sie mit Hilfe der Musik nun aufarbeiten will. In ihrer Jugend hat sie das erste Mal amerikanischen Rap gehört, sie war angetan von der Wut, dem die Sänger in ihren Songs Luft gemacht haben. Das will sie auch.
Die junge Frau erzählt, wie sie und ihre Familienmitglieder im Exil als 'schmutzige Afghanen beschimpft worden sind, wie sie sich immer und immer wieder beim Bäcker hinten anstellen mussten, weil erst die Einheimischen ihr Brot bekamen, bevor die Flüchtlinge an der Reihe waren. Afghanen sind es gewohnt, ein bescheidenes Leben zu führen, auch haben sie sich damit abgefunden, dass in ihrem Land seit Jahrzehnten kein Frieden herrscht. Aber nachhaltig trifft es sie, wenn ihre Ehre, ihr Stolz angegriffen werden. 'Über den Schmerz von damals, den ich noch heute in meinem Herz spüre, will ich der Welt berichten', sagt die junge Frau am Telefon, voller Pathos, aber auch voller Wut.
Soosans Mutter führte im Exil Tagebuch, die Notizen benutzt die Sängerin nun als Grundlage für ihre Songs. 'Ich will die Grausamkeiten, die wir erfahren haben, mit anderen teilen', sagt sie. Ihre Lieder hätten keine politische Botschaft, es gehe ihr nur darum, dem Leid ihrer Landsleute endlich eine Stimme zu geben. Aber dass sie sich öffentlich zu Wort meldet und damit auch die traditionelle Rolle der Frau in Frage stellt - das ist in Afghanistan ein Tabubruch. Selbst in ihrer eigenen Familie gibt es ein Zerwürfnis. Sie hat in Interviews schon davon berichtet, wie der Onkel den Kontakt abgebrochen habe, weil er ihre Auftritte als Sängerin missbilligt. Aber darüber will Soosan jetzt lieber nicht sprechen. Ihre Familie, auch ihr Vater, unterstütze sie, das sei das Entscheidende. Er sei 'Manager und Leibwächter' in einer Person.
Soosan Firooz will ein Vorbild werden für andere Frauen in ihrem Land, 'damit sie für ihre Rechte kämpfen, ihre Wünsche und Träume verfolgen'. Afghanistan habe im vergangenen Jahrzehnt schon einen weiten Weg zurück gelegt, im Vergleich zu früher hätten Frauen auch wesentlich mehr Freiheiten, zumindest so lange sie sich in den 'gesellschaftlich akzeptierten Grenzen bewegen'. Aber natürlich soll es dabei nicht bleiben.
Afghanistans erste Rapperin hofft, durch die Musik eines Tages auch Geld zu verdienen. Bislang schauspielert sie und bringt durch Auftritte in Seifenopern die Familie durch. Ihre Eltern haben keine Arbeit, ihre beiden Geschwister sind vier und sieben Jahre alt. 'Ich verdiene nicht viel, aber es reicht so gerade eben aus, um uns alle zu ernähren', sagt Soosan Farooz. Nun möchte sie bald ein richtiges Musikvideo aufnehmen - und weitere Songs einspielen. Material, das sie sich von der Seele singen will, hat sie genug.