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Rektoren mit Zündschnur

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Der Streit zwischen den Hochschulen eskaliert: Im Ringen um Ruf und Forschungsmittel stehen vor allem große gegen kleine Universitäten

Wissenschaftler sind nicht für vulkanische Gefühlsausbrüche bekannt, Universitätsrektoren schon gar nicht. Die Damen und Herren Professoren haben sich für das Dasein in Bibliotheken und Laboren diszipliniert, ihre Thesen im trockenen Stil der Wissenschaft zu Papier und unters Publikum gebracht. Bei der Konferenz der Hochschulrektoren vergangene Woche in Nürnberg aber brachen sich die Emotionen Bahn. Herren mit hohem Puls standen da an den Stehtischen und streuten zwischen Geschnetzeltem und Nudeln ein paar giftige Sätze, Rektorinnen zogen über Horst Hippler, den Präsidenten der Hochschulkonferenz, her. Der stärkte sich ein paar Tische weiter noch am Beilagen-Büffet für eine eher ungemütliche Pressekonferenz.

Was war passiert? Fast 270 Hochschulen vertritt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), von den großen Universitäten in Berlin oder München bis hin zur Hochschule Emden/Leer. Doch eine gemeinsame Vertretung dieser gewichtigen Allianz wird immer schwieriger; ein Streit entzweit die Hochschulen. Diese zeigte sich bei der Kandidatur der Leipziger Uni-Rektorin Beate Schücking als Vizepräsidentin der HRK. Die Mehrheit ließ sie durchfallen, weil sie als weitere Repräsentantin einer Gruppe großer Universitäten galt, der U15. Nach der Niederlage der Medizin-Professorin soll es in der nicht öffentlichen Sitzung der Rektoren zu einer Art Wählerbeschimpfung gekommen sein. So berichten es mehrere Teilnehmer. Vertreter der U15 und des Zusammenschlusses großer Technischer Universitäten ( TU9), kritisierten die Ablehnung Schückings durch ihre Kollegen scharf, was diese als Zumutung und Schmähung zurückwiesen. In dem Machtkampf sollen nicht nur wissenschaftliche Fachbegriffe gefallen sein. Als HRK-Präsident Hippler den Raum betrat, legte er noch nach: das Ergebnis sei völlig unverständlich, soll er gesagt haben, die Rektoren wüssten offenbar nicht, was sie getan hätten. Hippler hatte Schücking selbst als Vize vorgeschlagen. Nun standen beide als Verlierer da.



Hörsaal am Institut für Anatomie der Universität in Leipzig

Damit eskaliert ein Streit, der die Hochschulen bereits seit vergangenem Jahr stark beschäftigt. Es geht darum, wie die vom Wissenschaftsrat empfohlene und politisch in die Wege geleitete Differenzierung der Hochschulen denn aussehen soll. Wer soll als international anerkannte Spitzen-Universität strahlen? Wer soll als "forschungsstark" gelten, wer sich eher auf die Lehre konzentrieren? Und wie wirkt sich dies auf die Verteilung von Forschungsgeld aus? Der Ausgang des Streits wird über Rang und Ansehen der Hochschulen bestimmen - und über die Chancen ihrer Forscher und Absolventen. Kommt der aus Berlin oder "nur" aus Greifswald?

Die Gruppe der TU9, unter ihnen die Technischen Unis in Berlin, Dresden sowie München und die U15 (FU Berlin, LMU München, Frankfurt, Köln und andere) haben durch ihr Bündnis schon mal Terrain abgesteckt. Die TU9 bezeichnet sich selbst als "Allianz der führenden TUs in Deutschland", die U15 verstehen sich als "große, forschungsstarke Universitäten in Deutschland", eine Art selbst definierte Elite. Und diese besonders leistungsfähigen Unis müssten auch besonders gefördert werden, wie U15-Rektoren kaum verblümt erklären. Es geht also darum, als Elite wahrgenommen und ausgestattet zu werden.

Rektoren, die nicht in dem illustren Club Aufnahme fanden, sind nicht begeistert. Sie fürchten, Politik und Medien setzen sie zu zwei- und drittklassigen Hochschulen herab. Wie scharf der Ton inzwischen ist, illustriert der Offene Brief, den der Rektor der Uni Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, vor der HRK an seine Rektorenkollegen verschickt hat. Er schreibt darin von "Kartellen", die den Wettbewerb verderben würden. Wer Mitglied bei TU9 oder U15 ist, sei willkürlich ausgewählt, neue Mitglieder seien nicht erwünscht. Der Zusammenschluss zu einer selbsternannten Elite sei aber kein Beleg für eine bessere Wissenschaft. "Das ist leistungsfeindlich und sorgt gerade nicht für Zuwachs an Qualität", schreibt Radtke. Schon jetzt würden die beiden Gruppen im Ausland durch ihren Führungsanspruch mehr wahrgenommen, sagt er. "Das produziert kalte Wut bei den Ausgeschlossenen." Radtke ist kein dumpfer Eliten-Gegner, mit einigen wenigen Spitzenunis könnte er leben. Nur: ausgewählt werden müsse nach Leistung.

Die U15 selbst sieht sich freilich nicht als Kartell zum Abgreifen von Steuergeld. "Das ist zunächst mal eine Unterstellung", sagt der U15-Sprecher und Heidelberger Rektor Bernhard Eitel. Wobei er das "zunächst" noch erläutern wird. Auch Eitel hat "große Nervosität" unter den Rektoren ausgemacht. Jede Hochschule müsse doch finanziert werden nach ihrer Rolle in der bundesweiten Wissenschaftslandschaft, beteuert Eitel. "Es geht nicht darum anderen etwas wegzunehmen, es geht um Arbeitsteilung." Die Frage ist nur, welche Arbeit diese Teilung für die anderen Hochschulen bereithält: Die zweite Reihe zu besetzen? Die mittelmäßigen Forscher zu beschäftigen? Und Eitler kommt nicht um das Problem herum, dass es auch um Geld geht und die U15 im Ringen um die Kasse mehr Gewicht gewonnen haben als andere. "Um Ressourcen streiten - das machen doch alle", sagt Eitler denn auch.

Hippler zog die Pressekonferenz dann ruhig durch. Die HRK sei noch nie einer Meinung gewesen, gerade wenn es um die Verteilung von Geld gehe, sagte er. "Die Diskussion ist nicht zu Ende." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hätte bei Hipplers Vorstellung wohl an ihren Parteifreund Kurt Beck gedacht. Den nannte sie einmal "Buddha mit Zundschnür".


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