Schwimmen, meditieren, klicken: Dario Wünsch ist professioneller Computerspieler. Ein Besuch.
In seiner Freizeit liest Dario Wünsch gerne Bücher, vor allem Science-Fiction. Oder er hört Orchestermusik, vor wenigen Wochen war er in einem Konzert von Tschaikowski. Oder er geht koreanisch essen. In seiner Freizeit spielt Dario Wünsch allerdings nur selten Computerspiele. Das macht er den Rest des Tages. Es ist sein Beruf.
Ein Montagabend in Berlin-Wedding. Dario Wünsch, 22, hellblaue Sweatjacke, setzt sich grellgrüne Kopfhörer auf. Er streicht über die Tastatur. Ein Tastendruck. Auf dem Bildschirm bildet sich eine düstere unerschlossene Welt. Wünsch trippelt mit den Fingern seiner linken Hand auf der Tastatur, das Bild vor ihm springt hin und her. Grüne Blase. Neues Bild: grüne Kreaturen. Neues Bild: große schwebende grüne Kreatur. Neues Bild: graues Nichts. Neues Bild: wieder die Blase. Mit den Klicks erschafft Wünsch ein virtuelles Volk, mit Wirtschaft und Armee. Diese fremde Welt ist Wünsch vertraut, und mit ihm vielen anderen jungen Menschen auf der Welt; Star Craft II ist eines der beliebtesten Computerspiele.
Dario Wünsch ist nur einer von vielen. Spielt er Star Craft II, heißt er TLO. Als dieser ist er einer von wenigen. Einer der besten. Eine Berühmtheit in der Szene.
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Computerspielen als Beruf: Damit verdient Dario Wünsch knapp 3000 Euro im Monat.
Wenn Wünsch auf Computermessen geht, bitten Gäste ihn um ein Autogramm. Wenn er am PC in Berlin-Wedding spielt, bekommen 40000 Menschen auf der ganzen Welt eine E-Mail, dass sie ihm im Internet zuschauen können. Wenn er bei Turnieren antritt, kommen Menschen in die Halle, nur um ihn zu sehen, insgesamt manchmal mehrere tausend. Eine Mannschaft, ein sogenannter Clan, zahlt ihm monatlich eine vierstellige Summe, damit er für sie spielt. Sponsoren zahlen, damit sie während der Übertragung seiner Trainingsspiele werben dürfen. Knapp 3000 Euro verdient Wünsch im Monat. Plus Prämien. Insgesamt kommt er auf einen mittleren fünfstelligen Betrag im Jahr, 'Tendenz Richtung hoher fünfstelliger'.
Computerspiele rücken an die Mitte der Gesellschaft heran. Gute Spieler sind begehrt. Als Spieler. Als Unterhalter. Als Werbeträger. Bei allen beliebten E-Games haben sich Ligen gebildet, angefangen beim Fußballspiel Fifa, über Taktikshooter wie Counterstrike bis zu Strategiespielen wie Star Craft II. Clans treten gegeneinander an, spielen Meisterschaften auf nationaler und internationaler Ebene aus.
Die größte Liga für E-Games in Europa ist die Electronic Sports League (ESL), betrieben von Turtle Entertainment. Das Kölner Unternehmen hat Büros in Deutschland, Frankreich, Spanien und Polen, 115 Mitarbeiter, mehr als zwei Millionen Nutzer. Sie erzielt im Jahr einen zweistelligen Millionenumsatz, durch Werbung, Franchise-Gebühren in den 46 beteiligten Ländern und Premiumzahlungen auf der Internetseite in Höhe von drei bis fünf Euro, die Zuschauer zahlen, damit die Spiele nicht durch Werbung gestört werden. Zu den Werbepartnern gehören Intel oder Asus. 'Das Interesse bei Spielern und Sponsoren nimmt inzwischen ein Ausmaß an, dass wir sagen können: Okay, wir sind nicht allzu weit vom Mainstream entfernt', sagt Adrian Weiß von Turtle Entertainment.
Wie normal es sein kann, mit E-Games sein Geld zu verdienen, zeigt die Karriere von Wünsch. Mit elf Jahren hat er angefangen Star Craft zu spielen, mit zwölf Jahren war er erstmals auf einem Event, als Zuschauer. Er hat wie viele andere Jugendliche online gespielt, wie auch sein älterer Bruder, der sich TBO nannte: The Big One. Also wurde Dario Wünsch The Little One. Der Kleine. Nach dem Abitur studierte Wünsch ein Jahr lang Geografie. Er brach ab. Anschließend studierte er ein Jahr lang Anglistik. Er brach wieder ab.
Der Kleine hatte das Angebot bekommen, E-Games-Profi zu werden.
2010 war einem Australier aufgefallen, dass Wünsch begabter ist als andere. Ihn hatte beeindruckt, mit welcher Geschwindigkeit Wünsch spielt, mit wie vielen Aktionen pro Minute, mit wie vielen Klicks also. Zudem hatte er beobachtet, dass Wünsch taktisch klug spielt, den Gegner täuschen und aus verschiedenen Richtungen attackieren kann. Der Australier, der eine App-Entwickler-Firma betreibt, bezahlte ihm einen halbjährigen Aufenthalt in Seoul in Korea. Um das Leben eines Computerspielers zu führen. Wünsch lebte in der Wohnung eines koreanischen Teams, spielte mit ihnen, kochte mit ihnen, trainierte mit ihnen. Wurde taktisch noch gewitzter. Schaffte noch mehr Aktionen pro Minute.
Inzwischen zählt Wünsch zu den besten Star-Craft-II-Spielern in Europa, er drückt im Schnitt 270 Mal pro Minute eine Taste, in der Spitze 600 Mal. In Korea haben die besten Profis einen Schnitt von 350 Tastenanschlägen, in Europa halten mit Wünsch allenfalls fünf Spieler mit. Rechnet er das taktische Verständnis dazu, glaubt er, dass ihm allenfalls 20 europäische E-Gamer bedrohlich werden können. Vor zwei Wochen startete in Köln die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Für die Runde der letzten 32 Europäer erhielt Wünsch eine Einladung und ein Startgeld von 1500 Euro, er hat sich für das Viertelfinale an diesem Samstag qualifiziert. Der Sieger der Qualifikation verdient 20000 Euro. Bei der Weltmeisterschaft geht es um ein Preisgeld in Höhe von 1,5 Millionen Dollar.
Um auf diesem Niveau spielen zu können, lebt Wünsch nach einem strengen Plan. Der einzige freie Tag ist der Samstag, alles ist auf halbe Stunden genau festgehalten: Essenszeiten, Training, Erholung. Dreimal wöchentlich geht er schwimmen, einmal laufen. Er meditiert, um seine Konzentrationsfähigkeit zu steigern, arbeitet mit einem Sportpsychologen zusammen. Was ihn von einem Profi-Sportler unterscheidet? 'Nicht viel', sagt Wünsch.
In der E-Gaming-Branche fragen sie sich daher, wie lange es noch dauern wird, bis die breite Öffentlichkeit die besten Spieler wahrnimmt und als Profis akzeptiert, vielleicht sogar als Vorbilder. Im Bundestag fand vergangene Woche die zweite Politiker-LAN statt, bei der Politiker und E-Gamer gemeinsam spielen werden. 'Die Bedeutung der Branche wird wachsen', sagt Turnierveranstalter Weiß, 'immer mehr Erwachsene haben Erfahrungen mit Computerspielen, verstehen sie. Zudem sprechen wir hier von der werberelevantesten Zielgruppe.' Die meisten Profis sind Anfang 20, die Zuschauer Schüler, Studenten, junge Arbeitnehmer.
Wünsch ist vor wenigen Wochen in eine 100 Quadratmeter große Wohnung in Berlin-Tempelhof gezogen. Er weiß, dass er das seinen Verdiensten als E-Gamer verdankt. Dennoch wohnt er weiter bei seinem Bruder im Wedding. In seiner Wohnung wurde noch kein Internet installiert.
In seiner Freizeit liest Dario Wünsch gerne Bücher, vor allem Science-Fiction. Oder er hört Orchestermusik, vor wenigen Wochen war er in einem Konzert von Tschaikowski. Oder er geht koreanisch essen. In seiner Freizeit spielt Dario Wünsch allerdings nur selten Computerspiele. Das macht er den Rest des Tages. Es ist sein Beruf.
Ein Montagabend in Berlin-Wedding. Dario Wünsch, 22, hellblaue Sweatjacke, setzt sich grellgrüne Kopfhörer auf. Er streicht über die Tastatur. Ein Tastendruck. Auf dem Bildschirm bildet sich eine düstere unerschlossene Welt. Wünsch trippelt mit den Fingern seiner linken Hand auf der Tastatur, das Bild vor ihm springt hin und her. Grüne Blase. Neues Bild: grüne Kreaturen. Neues Bild: große schwebende grüne Kreatur. Neues Bild: graues Nichts. Neues Bild: wieder die Blase. Mit den Klicks erschafft Wünsch ein virtuelles Volk, mit Wirtschaft und Armee. Diese fremde Welt ist Wünsch vertraut, und mit ihm vielen anderen jungen Menschen auf der Welt; Star Craft II ist eines der beliebtesten Computerspiele.
Dario Wünsch ist nur einer von vielen. Spielt er Star Craft II, heißt er TLO. Als dieser ist er einer von wenigen. Einer der besten. Eine Berühmtheit in der Szene.
![](http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/je/jetzt-redaktion/text/regular/971238.jpg)
Computerspielen als Beruf: Damit verdient Dario Wünsch knapp 3000 Euro im Monat.
Wenn Wünsch auf Computermessen geht, bitten Gäste ihn um ein Autogramm. Wenn er am PC in Berlin-Wedding spielt, bekommen 40000 Menschen auf der ganzen Welt eine E-Mail, dass sie ihm im Internet zuschauen können. Wenn er bei Turnieren antritt, kommen Menschen in die Halle, nur um ihn zu sehen, insgesamt manchmal mehrere tausend. Eine Mannschaft, ein sogenannter Clan, zahlt ihm monatlich eine vierstellige Summe, damit er für sie spielt. Sponsoren zahlen, damit sie während der Übertragung seiner Trainingsspiele werben dürfen. Knapp 3000 Euro verdient Wünsch im Monat. Plus Prämien. Insgesamt kommt er auf einen mittleren fünfstelligen Betrag im Jahr, 'Tendenz Richtung hoher fünfstelliger'.
Computerspiele rücken an die Mitte der Gesellschaft heran. Gute Spieler sind begehrt. Als Spieler. Als Unterhalter. Als Werbeträger. Bei allen beliebten E-Games haben sich Ligen gebildet, angefangen beim Fußballspiel Fifa, über Taktikshooter wie Counterstrike bis zu Strategiespielen wie Star Craft II. Clans treten gegeneinander an, spielen Meisterschaften auf nationaler und internationaler Ebene aus.
Die größte Liga für E-Games in Europa ist die Electronic Sports League (ESL), betrieben von Turtle Entertainment. Das Kölner Unternehmen hat Büros in Deutschland, Frankreich, Spanien und Polen, 115 Mitarbeiter, mehr als zwei Millionen Nutzer. Sie erzielt im Jahr einen zweistelligen Millionenumsatz, durch Werbung, Franchise-Gebühren in den 46 beteiligten Ländern und Premiumzahlungen auf der Internetseite in Höhe von drei bis fünf Euro, die Zuschauer zahlen, damit die Spiele nicht durch Werbung gestört werden. Zu den Werbepartnern gehören Intel oder Asus. 'Das Interesse bei Spielern und Sponsoren nimmt inzwischen ein Ausmaß an, dass wir sagen können: Okay, wir sind nicht allzu weit vom Mainstream entfernt', sagt Adrian Weiß von Turtle Entertainment.
Wie normal es sein kann, mit E-Games sein Geld zu verdienen, zeigt die Karriere von Wünsch. Mit elf Jahren hat er angefangen Star Craft zu spielen, mit zwölf Jahren war er erstmals auf einem Event, als Zuschauer. Er hat wie viele andere Jugendliche online gespielt, wie auch sein älterer Bruder, der sich TBO nannte: The Big One. Also wurde Dario Wünsch The Little One. Der Kleine. Nach dem Abitur studierte Wünsch ein Jahr lang Geografie. Er brach ab. Anschließend studierte er ein Jahr lang Anglistik. Er brach wieder ab.
Der Kleine hatte das Angebot bekommen, E-Games-Profi zu werden.
2010 war einem Australier aufgefallen, dass Wünsch begabter ist als andere. Ihn hatte beeindruckt, mit welcher Geschwindigkeit Wünsch spielt, mit wie vielen Aktionen pro Minute, mit wie vielen Klicks also. Zudem hatte er beobachtet, dass Wünsch taktisch klug spielt, den Gegner täuschen und aus verschiedenen Richtungen attackieren kann. Der Australier, der eine App-Entwickler-Firma betreibt, bezahlte ihm einen halbjährigen Aufenthalt in Seoul in Korea. Um das Leben eines Computerspielers zu führen. Wünsch lebte in der Wohnung eines koreanischen Teams, spielte mit ihnen, kochte mit ihnen, trainierte mit ihnen. Wurde taktisch noch gewitzter. Schaffte noch mehr Aktionen pro Minute.
Inzwischen zählt Wünsch zu den besten Star-Craft-II-Spielern in Europa, er drückt im Schnitt 270 Mal pro Minute eine Taste, in der Spitze 600 Mal. In Korea haben die besten Profis einen Schnitt von 350 Tastenanschlägen, in Europa halten mit Wünsch allenfalls fünf Spieler mit. Rechnet er das taktische Verständnis dazu, glaubt er, dass ihm allenfalls 20 europäische E-Gamer bedrohlich werden können. Vor zwei Wochen startete in Köln die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Für die Runde der letzten 32 Europäer erhielt Wünsch eine Einladung und ein Startgeld von 1500 Euro, er hat sich für das Viertelfinale an diesem Samstag qualifiziert. Der Sieger der Qualifikation verdient 20000 Euro. Bei der Weltmeisterschaft geht es um ein Preisgeld in Höhe von 1,5 Millionen Dollar.
Um auf diesem Niveau spielen zu können, lebt Wünsch nach einem strengen Plan. Der einzige freie Tag ist der Samstag, alles ist auf halbe Stunden genau festgehalten: Essenszeiten, Training, Erholung. Dreimal wöchentlich geht er schwimmen, einmal laufen. Er meditiert, um seine Konzentrationsfähigkeit zu steigern, arbeitet mit einem Sportpsychologen zusammen. Was ihn von einem Profi-Sportler unterscheidet? 'Nicht viel', sagt Wünsch.
In der E-Gaming-Branche fragen sie sich daher, wie lange es noch dauern wird, bis die breite Öffentlichkeit die besten Spieler wahrnimmt und als Profis akzeptiert, vielleicht sogar als Vorbilder. Im Bundestag fand vergangene Woche die zweite Politiker-LAN statt, bei der Politiker und E-Gamer gemeinsam spielen werden. 'Die Bedeutung der Branche wird wachsen', sagt Turnierveranstalter Weiß, 'immer mehr Erwachsene haben Erfahrungen mit Computerspielen, verstehen sie. Zudem sprechen wir hier von der werberelevantesten Zielgruppe.' Die meisten Profis sind Anfang 20, die Zuschauer Schüler, Studenten, junge Arbeitnehmer.
Wünsch ist vor wenigen Wochen in eine 100 Quadratmeter große Wohnung in Berlin-Tempelhof gezogen. Er weiß, dass er das seinen Verdiensten als E-Gamer verdankt. Dennoch wohnt er weiter bei seinem Bruder im Wedding. In seiner Wohnung wurde noch kein Internet installiert.